European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00217.23K.1121.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
1. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
2. Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die 2022 verstorbene Erblasserin hinterlässt zwei volljährige Kinder, eine Tochter und einen Sohn, den Antragsteller. Beide gaben aufgrund des Gesetzes bedingte Erbantrittserklärungen ab.
[2] In der Tagsatzung vom 23. 5. 2023 errichtete der Notar im Beisein auch des Antragstellers ein „vorläufiges Inventar“, in das er ua eine Liegenschaft der Erblasserin zwar als Aktivum aufnahm, deren Bewertung aber offenließ und festhielt, eine amtswegige „Berichtigung“ werde nach Vorliegen einer Gutachtensergänzung zum Liegenschaftswert erfolgen.
[3] Am 1. 6. 2023 begehrte der Antragsteller zusammengefasst, (1.) den Gerichtskommissär anzuweisen, den Liegenschaftswert mit dem dreifachen Einheitswert festzusetzen, in eventu von ihm getätigte Investitionen in Höhe von 327.000 EUR vom Verkehrswert in Abzug zu bringen, in eventu den Betrag als Bereicherungsanspruch in das Inventar auf Passivseite aufzunehmen sowie (2.) das Liegenschaftsbewertungsgutachten im Zusammenhang mit einem Wasserschaden zu ergänzen.
[4] Das Erstgericht wies die Anträge ab.
[5] Das Rekursgericht wies den Rekurs des Antragstellers zurück, weil die Anträge vor endgültiger Errichtung des Inventars gestellt worden seien, sodass der darüber ergangene Beschluss des Erstgerichts nicht selbständig anfechtbar sei. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu den Auswirkungen eines vorläufigen Inventars auf die (Un‑)Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Beschluss über das Inventar zu.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs desAntragstellers mit dem Abänderungsantrag, seinen Anträgen stattzugeben, in eventu die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
[7] 1. Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses im Außerstreitverfahren ist einseitig (RS0120614; 2 Ob 133/22f Rz 6). Die dennoch erstattete Revisionsrekursbeantwortung war daher zurückzuweisen.
[8] 2. Das Verfahren zur Errichtung des Inventars ist vom Gerichtskommissär durchzuführen (§ 1 Abs 1 Z 1 lit b GKG). Das Inventar bedarf zu seiner Feststellung keiner Annahme oder – abgesehen von jener über die Nachlasszugehörigkeit nach § 166 Abs 2 AußStrG – Entscheidung des Gerichts (§ 169 Satz 2 AußStrG). Innerhalb des Abhandlungsverfahrens besteht daher keine Möglichkeit, das Inventar als solches anzufechten. Das gilt insbesondere für die vom Gerichtskommissär gewählte Bewertung, die (nur) für das Abhandlungsverfahren bindend ist. Dem Verlassenschaftsgericht fehlt es insoweit an einer Entscheidungs- oder Bestätigungskompetenz (2 Ob 23/16w Pkt 1. mwN).
[9] 3. Beschlüsse, die im Verfahren zur Errichtung des Inventars gefasst werden, haben grundsätzlich verfahrensleitenden Charakter und sind daher nicht selbständig anfechtbar. Ihre Richtigkeit kann nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats in gewissen Fällen mittelbar (nur) dadurch überprüft werden, dass eine Partei nach Errichtung des Inventars einen Antrag nach § 166 Abs 2 AußStrG oder einen auf formale Mängel des Inventars (Substanzlosigkeit, fehlende Nachvollziehbarkeit, Missachtung der Rahmenbedingungen für die Bewertung) gestützten Antrag nach § 7a GKG stellt. Über solche Anträge ergehende Beschlüsse sind nach den allgemeinen Grundsätzen anfechtbar (RS0132172). Die gerichtliche Überprüfung einer Bewertung kann aber auch mit solchen Anträgen nicht herbeigeführt werden (2 Ob 64/18b Pkt 3.5.b mwN).
[10] 4. Die Ausführungen im Revisionsrekurs bieten keinen Anlass, in Ausdehnung dieser, vom Rekursgericht zutreffend angewendeten Rechtsprechung schon eine selbständige Anfechtbarkeit von Beschlüssen anzunehmen, die über Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG bzw § 7a GKG absprechen, die zwar nach Errichtung eines „vorläufigen“, aber vor Errichtung des „endgültigen“ Inventars gestellt werden. Die Neuregelungen zur Inventarerrichtung im Rahmen des AußStrG 2005 bezwecken insbesondere eine Beschleunigung des Verfahrens durch formlose Gestaltung (2 Ob 129/23v Rz 11). Dieser Gesetzesintention liefe aber eine selbständige Anfechtbarkeit von Beschlüssen zuwider, die über Anträge absprechen, die vor endgültiger Inventarerrichtung gestellt werden.
[11] 5. Soweit der Revisionsrekurs argumentiert, es liege – auch nach den Ausführungen des Gerichtskommissärs – bereits ein endgültiges, in Bezug auf den Liegenschaftswert bloß noch zu berichtigendes Inventar vor, übersieht er, dass die (strittige) Bewertung der Liegenschaft der Erblasserin gerade noch nicht vorgenommen, sondern diese – nach Einlangen eines Ergänzungsgutachtens – der endgültigen Inventarerrichtung vorbehalten wurde. Von einem „endgültigen“, anschließend bloß berichtigten Inventar kann daher keine Rede sein.
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