OGH 2Ob216/18f

OGH2Ob216/18f28.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** S*****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Helmut Weinzettl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen 14.817,50 EUR sA, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 27. Juni 2018, GZ 18 R 11/18y‑64, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 28. Dezember 2017, GZ 7 C 1010/15x‑58, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00216.18F.0328.000

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 832,08 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 138,68 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 104,42 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil die (von ihm nicht geteilte) Auffassung vertreten werden könnte, neu eintretende Schäden verjährten entgegen der bisherigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0049165) trotz Vorliegens eines Feststellungsurteils nach § 1489 ABGB. Eine Revision ist aber auch im Fall der Zulassung zurückzuweisen, wenn sie nur Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung der als Zulassungsbegründung genannten oder einer anderen erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS‑Justiz RS0102059). Das trifft hier bei den Revisionen beider Parteien zu.

1. Der Kläger wendet sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass wegen nicht absehbarer Schadensfolgen keine Globalbemessung des Schmerzengelds möglich sei, und gegen die Nichtberücksichtigung von Schmerzen, die vor Schluss der Verhandlung in einem Vorverfahren eingetreten waren. In beiden Punkten zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist keine „Teil-Globalbemessung“ des Schmerzengelds – also eine Bemessung unter Einbeziehung der derzeit bekannten zukünftigen Schmerzen – vorzunehmen, wenn das Gesamtbild der psychischen und physischen Beeinträchtigungen noch nicht vorhersehbar ist und daher die Voraussetzungen für eine Teilbemessung vorliegen (RIS-Justiz RS0115721). Im vorliegenden Fall steht in Bezug auf den durch ein Schädel-Hirn-Trauma ausgelösten „Clusterkopfschmerz“ des Klägers fest, dass wegen fehlender Langzeitbeobachtungen „eine zuverlässige Einschätzung des in Zukunft zu erwartenden Krankheitsverlaufs nicht möglich“ ist. Auf dieser Grundlage ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass nur eine Teilbemessung zu erfolgen habe, nicht zu beanstanden. Dass das Berufungsgericht die weiteren Feststellungen des Erstgerichts zum Krankheitsverlauf bei Clusterkopfschmerzen mit anderer Genese nicht als Widerspruch oder Einschränkung zu dieser Feststellung verstanden hat, ist vertretbar (RIS-Justiz RS0118891).

1.2. Zwar ist richtig, dass bei Schluss der Verhandlung im Vorverfahren die Krankheit „Clusterkopfschmerz“ noch nicht diagnostiziert war. Aus diesem Grund war auch nicht vorhersehbar, dass weitere Kopfschmerzen auftreten würden, weswegen nun eine Neubemessung des Schmerzengelds möglich ist (RIS-Justiz RS0031235). Die bis zum Schluss der Verhandlung tatsächlich aufgetretenen Kopfschmerzen waren aber schon im Vorverfahren zu berücksichtigen, was nach den Feststellungen des Erstgerichts auch erfolgt ist. Ein Grund, weshalb die Diagnose der Schmerzursache zur neuerlichen Berücksichtigung dieser Schmerzen führen sollte, ist nicht erkennbar.

2. Auch die Beklagte macht nur Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt.

2.1. Zur Frage der Verjährung stützt sie sich ausschließlich auf Entscheidungen, wonach für nicht vorhersehbare Schäden die Verjährungsfrist vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme an neu zu laufen beginne (RIS-Justiz RS0034527). Diese Entscheidungen betrafen aber Fälle, in denen gerade kein Feststellungsurteil vorlag, weswegen sich die Frage stellte, ob eine verjährungsrechtliche Einheit mit bereits eingetretenen Schäden (RIS-Justiz RS0087613) bestand (dann Verjährung) oder nicht (dann neue Frist). Für die hier zu beurteilende Frage, ob bei neu auftretenden Schäden trotz Vorliegens eines Feststellungsurteils eine dreijährige Verjährungsfrist ausgelöst wird, lässt sich daraus nichts ableiten. Gründe, weshalb auch in diesem Fall entgegen der bisherigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0049165) eine dreijährige Verjährungsfrist beginnen sollte, zeigt die Revision nicht auf. Zu dieser Frage ist daher nicht Stellung zu nehmen.

2.2. Im Übrigen bekämpft die Revision den Zuspruch weiteren Schmerzengelds, weil im Vorverfahren eine Globalbemessung stattgefunden habe. Insofern ist sie darauf zu verweisen, dass die weiteren Kopfschmerzen nach Auffassung der Vorinstanzen bei Schluss der Verhandlung im Vorverfahren nicht vorhersehbar waren. Unter diesen Umständen ist nach ständiger Rechtsprechung eine Neubemessung zulässig (RIS-Justiz RS0031235).

3. Aus diesen Gründen sind beide Revisionen zurückzuweisen. Da die Parteien in den Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit hingewiesen haben, haben sie einander deren Kosten zu ersetzen.

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