OGH 2Ob212/99m

OGH2Ob212/99m26.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Unfallfürsorge, ***** vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei *****Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Zahlung von S 19.169,03 sA und Feststellung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 15. März 1999, GZ 21 R 26/99v-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 9. November 1998, GZ 13 C 1536/98d-9, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 403,20 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 8. 8. 1972 wurde Elisabeth M***** bei einem Verkehrsunfall verletzt. Dieser Unfall wurde von der damaligen Versicherungsnehmerin der beklagten Partei verschuldet; die Haftung der beklagten Partei für die der Klägerin künftig entstehenden Schäden im Rahmen des Versicherungsvertrages wurde rechtskräftig festgestellt. Seit 1. 9. 1977 ist Elisabeth M***** bei der klagenden Partei sozialversichert. Für die durch den Unfall vom 8. 8. 1972 bedingte ärztliche Behandlungen der Elisabeth M***** erbrachte die klagende Partei ab 1993 Leistungen in der Höhe von S 19.169,03.

Sie begehrt von der beklagten Partei den Ersatz dieses Betrages sowie die Feststellungen deren Haftung für sämtliche unfallskausale Spätfolgen. Sie brachte dazu vor, erst 1996 davon Kenntnis erlangt zu haben, daß die von ihr finanzierten Behandlungen auf den Unfall vom 8. 8. 1972 zurückzuführen seien. Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, daß die beklagte Partei Verjährung behauptet habe und das Feststellungsurteil auch für die Zukunft diesbezüglich Klarheit schaffen solle.

Die beklagte Partei wendete Verjährung ein, weil die klagende Partei bereits 1993 von ihren Regreßmöglichkeiten Kenntnis gehabt habe. Darüber hinaus wäre es ihr leicht möglich gewesen, sich über den Sachverhalt Gewißheit zu verschaffen. Auf das zugunsten der Elisabeth M***** bestehende Feststellungsurteil könne sich die Klägerin nicht berufen. Im entgegengesetzten Fall fehle es aber am rechtlichen Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt führte es in rechtlicher Hinsicht aus, daß zwar die auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 332 ASVG übergegangenen Ansprüche grundsätzlich innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Geschädigten vom Schaden und Schädiger verjährten, wobei es auf die Kenntnis des Legalzessionars nicht ankomme. Dies gelte jedoch nicht in dem Fall, daß an die Stelle des im Unfallszeitpunkt leistungspflichtigen Sozialversicherers ein anderer trete. In einem solchen Fall trete die Legalzession erst mit Eintreten des neuen Sozialversicherers ein, wobei sich diese Zession vom Anspruch des Geschädigten und nicht vom bisherigen Sozialversicherungsträger ableite. Eine vor dieser Zession durch den Geschädigten erreichte Verjährungsunterbrechung komme daher auch dem späteren Sozialversicherungsträger zugute. Die Geschädigte habe durch das von ihr erwirkte Feststellungsurteil eine dreißigjährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt. Da dieses Feststellungsurteil auch zugunsten des neuen Sozialversicherungsträgers wirke, sei der Regreßanspruch jedenfalls rechtzeitig geltend gemacht worden. Das Feststellungsinteresse bejahte das Erstgericht mit der Begründung, die beklagte Partei habe Verjährung eingewendet; die Feststellung ermögliche es, Regreßansprüche für zukünftige Leistungen zu sichern.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung teilweise dahin ab, daß das Feststellungsbegehren abgewiesen wurde; im übrigen bestätigte es (in den Gründen) die Entscheidung des Erstgerichtes über das Zahlungsbegehren.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 78/84 mwN aus, es entspreche der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß ein vom Geschädigten selbst vor Eintritt der Legalzession an den späteren Sozialversicherer erwirktes Feststellungsurteil zur Unterbrechung der Verjährung auch zugunsten des erst nachträglich leistungspflichtig werdenden Sozialversicherungsträgers wirke. Auch in der Literatur werde dieser Rechtsstandpunkt wiedergegeben. Daß diese vom OGH in SZ 51/95 vertretene Rechtsauffassung vereinzelt geblieben sei, sei nicht zutreffend. Auch die kritischen Bemerkungen von Huber (JBl 1985, 395), könnten daran nichts ändern.

Zur Frage der Verjährung vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, es bestehe kein rechtliches Interesse an einer nochmaligen Feststellung der Ersatzpflicht des Haftpflichtversicherers des Schädigers, wenn der Sozialversicherer durch ein auch für ihn wirkendes Feststellungsurteil gegen die Verjährungseinrede abgesichert sei (SZ 51/195).

Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage des Bestehens eines Feststellungsinteresses trotz Vorhandenseins eines für den Sozialversicherer wirkenden Feststellungsurteils zugunsten des Geschädigten lediglich die Entscheidung SZ 51/95 vorliege, weshalb nicht von einer gesicherten Rechtsprechung ausgegangen werden könne. Auch seien dem Berufungsgericht die Ausführungen der Klägerin, wonach ein rechtliches Interesse an einer Feststellung deshalb bestehe, um nicht weiteren Prozessen ausgesetzt zu sein und für die Zukunft Klarheit zu schaffen, durchaus beachtlich.

Gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Gegen den abändernden Teil der Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Beide Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und jeweils die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels geltend gemacht.

Beide Revisionen sind wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Die beklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, der Oberste Gerichtshof bleibe in den Entscheidungen SZ 51/95 sowie 8 Ob 78/84 eine Begründung dafür schuldig, warum das Feststellungsurteil, das der Geschädigte erwirkt habe, auch zugunsten eines neuen Sozialversicherungsträgers wirksam sein solle. Diese Ansicht stehe vielmehr mit der ständigen Rechtsprechung in Widerspruch, wonach ein nach dem Rechtsübergang zugunsten des Geschädigten gefälltes Feststellungsurteil sich nur auf den diesem verbleibenden Anspruchsteil beziehe. Wenn dem so sei, könne konsequenterweise ein Feststellungsurteil zugunsten des Geschädigten nicht zugunsten des Sozialversicherungsträgers wirken und zwar ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt der Forderungsübergang gegebenenfalls stattfinde. Jeder neue Sozialversicherungsträger habe durchaus die Möglichkeit, seinerseits innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist ein entsprechendes Feststellungsurteil bzw auch ein Leistungsurteil zu erwirken. Es bestehe also keinerlei Notwendigkeit, aus einem Feststellungsurteil zugunsten des Geschädigten irgendwelche Konsequenzen für den neuen Sozialversicherungsträger abzuleiten.

Hiezu wurde erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich der Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision nicht auf die von der beklagten Partei relevierte Rechtsfrage bezieht. Im übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung (SZ 51/95; RIS-Justiz RS0034606), daß ein vom Geschädigten erwirktes Feststellungsurteil die Verjährung auch zugunsten eines aufgrund einer Legalzession erst nachträglich leistungspflichtig werdenden Leistungsversicherungsträgers unterbricht. Diese Rechtsprechung wird auch im wesentlichen von der Lehre geteilt (Mader in Schwimann, ABGB**2, Rz 33 zu § 1489; Neumayr in Schwimann, ABGB**2, Rz 103 und 107 zu § 332 ASVG; aA Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen, JBl 1985, 395 [402]).

Richtig ist zwar, daß durch die Legalzession sich weder die Rechtsnatur des Anspruchs noch die Verjährungszeit ändert; sie hat auf die Ansprüche gegen den Schädiger nur insofern einen Einfluß, als der ursprünglich einheitliche Schadenersatzanspruch in zwei Teile aufgespaltet wird. Die beiden Anspruchsteile des Geschädigten und des Sozialversicherungsträgers haben völlig getrennte rechtliche Schranken, weshalb auch die Frage der Verjährung getrennt zu beurteilen ist (ZVR 1994/98 mwN). Dies gilt jedoch nur insoweit, als es sich um verschiedene Ansprüche handelt wie zB Schmerzengeldansprüche. Etwas anderes gilt aber hier, wo die klagende Partei Ansprüche geltend macht, die vom Geschädigten erst nach dem Feststellungsurteil auf sie übergegangen sind. Die Ansicht des Berufungsgerichtes entspricht sohin der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, weshalb insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Zur Revision der klagenden Partei:

In diesem Rechtsmittel wird die Ansicht vertreten, die Entscheidung SZ 51/95 sei vereinzelt geblieben und mit der gesamten sonstigen Judikatur zur Frage des Feststellungsinteresses im Sinn des § 228 ZPO nicht vereinbar. Es gehe nicht darum, ob die klagende Partei gegen Verjährungseinreden der beklagten Partei abgesichert sei, sondern darum, daß die beklagte Partei bestreite, daß das zugunsten von Elisabeth M***** bestehende Feststellungsurteil auch zu Gunsten der klagenden Partei wirke. Die Frage der Verjährungsproblematik sei daher nur eine eingeschränkte Frage, davon unabhängig werde von der beklagten Partei die Legitimation der klagenden Partei und damit auch die Legalzession in Frage gestellt. Das Feststellungsbegehren sei daher geeignet, über die Rechtsbeziehung der Parteien Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsprozeß abzuschneiden.

Diese Ausführungen sind nicht zutreffend:

Das gemäß § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung muß in erster Instanz behauptet werden (1 Ob 582/77). Der Nachweis des rechtlichen Interesses kann nur dann entfallen, wenn es nach der materiellrechtlichen Situation evident ist (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 12 zu § 228 mwN). Zu dieser Anspruchsvoraussetzung (s hiezu die bei Rechberger, aaO Rz 3 zu § 228 zit Rsp) hat die klagende Partei nur vorgebracht, daß sich das Feststellungsinteresse daraus ergebe, daß die beklagte Partei die Verjährung behauptet habe, und daß das Feststellungsurteil auch für die Zukunft diesbezüglich Klarheit schaffen solle (AS 37). Es wurde sohin im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht, daß die beklagte Partei die Aktivlegitimation der beklagten Partei bestritten habe, die beklagte Partei hat dies auch im Prozeß nicht getan. Lediglich im Zusammenhang mit der Frage der Verjährung wurde eingewendet, daß sich die klagende Partei nicht auf das zugunsten der Elisabeth M***** bestehende Feststellungsurteil berufen könne (s AS 36). Wenn aber das Feststellungsurteil der Geschädigten auch zugunsten der klagenden Legalzessionarin wirkt und das rechtliche Interesse lediglich damit begründet wird, die beklagte Partei wende die Verjährung ein, ist nicht einzusehen, weshalb es eines weiteren Feststellungsurteils bedürfte. Dies ergibt sich bereits aus der Entscheidung SZ 51/95, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kostenersatzanspruch der beklagten Partei beträgt S 4.058,88 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 676,48), jener der klagenden Partei S 3.655,68 (darin enthalten S 609,28 Umsatzsteuer); daraus erfolgt ein Kostenersatzanspruch der beklagten Partei in der Höhe von S 403,20.

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