OGH 2Ob206/13b

OGH2Ob206/13b14.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A***** M*****, geboren 1996, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Minderjährigen, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Soziale Arbeit mit Familien, Bezirke 1, 4, 5, Favoritenstraße 18, 1040 Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. August 2013, GZ 48 R 178/13a‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0020OB00206.13B.1114.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 dritter Satz AußStrG).

Begründung

Der beim Pflegschaftsgericht gestellte Antrag des gemäß § 209 ABGB (§ 213 ABGB aF) mit der Obsorge betrauten Jugendwohlfahrtsträgers zielt darauf ab, dass das von der Asylbehörde angenommene Geburtsdatum durch ein anderes fiktives Geburtsdatum des Minderjährigen (eines aus Afghanistan stammenden, unbegleitet nach Österreich gelangten Asylwerbers), ersetzt werden soll. Während aber § 15 Abs 1 Z 6 AsylG für das Asylverfahren eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Ermittlung eines Mindestalters enthält, fehlt eine vergleichbare Regelung im AußStrG. Die Ziele, die der Gesetzgeber des Asylgesetzes mit der erwähnten Bestimmung verfolgte, werden in den Gesetzesmaterialien im Wesentlichen mit der Hintanhaltung der rechtsmissbräuchlichen Vortäuschung der Minderjährigkeit definiert. Die Vornahme der vorgesehenen Untersuchungen dienten der Aufrechterhaltung eines geordneten Vollzugs des Fremdenwesens und liege im öffentlichen Interesse. Im Zweifel sei allerdings zugunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen („in dubio pro minor“; vgl ErläutRV 330 BlgNR XXIV. GP 18).

Rechtliche Beurteilung

Die Erwägungen des Gesetzgebers zu dieser Sonderregelung sind schon wegen des auf die Zwecke des Asylverfahrens und anderer fremdenrechtlicher Verfahren (vgl § 12 Abs 4 FPG; § 29 Abs 4 NAG; § 5 Abs 1 StbG) zugeschnittenen Regelungsziels auf das Obsorgeverfahren nicht übertragbar. Das Geburtsdatum einer Person ist eine biologische Tatsache (vgl 10 ObS 200/03i; RIS‑Justiz RS0043531), wobei die Obsorge für ein Kind mit dem Eintritt der Volljährigkeit ipso iure erlischt (§ 183 Abs 1 ABGB = § 172 Abs 1 ABGB aF). Die §§ 173, 174 ABGB aF, welche noch Modifikationen des Volljährigkeitsalters ermöglichten, wurden mit dem KindRÄG 2001 abgeschafft (vgl Posch in Schwimann , ABGB 4 § 21 Rz 2).

Vor diesem Hintergrund lässt die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dem Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers, infolge des ‑ innerhalb bestimmter zeitlicher Grenzen ‑ ungewissen Geburtsdatums des Minderjährigen die Dauer der Obsorge unter Anführung eines fiktiven Geburtsdatums genau festzustellen, könne mangels Rechtsgrundlage nicht entsprochen werden, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen. Aufgrund der insoweit eindeutigen Rechtslage liegt auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor.

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