OGH 2Ob202/99s

OGH2Ob202/99s26.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Romana W*****, vertreten durch Dr. Rupert Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Wilmhard S*****, vertreten durch Dr. Raits, Ebner und Partner, Rechtsanwaltspartnerschaft in Salzburg, wegen Kündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 22. April 1999, GZ 54 R 18/99g-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 20. 11. 1998, GZ 15 C 843/98p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Am Eckhaus Salzburg, G*****gasse 7/H*****platz 3 besteht Stockwerkseigentum. Der materielle Anteil A ergibt sich im wesentlichen aus dem Bereich des Parterres, des 1. und des 2. Stockwerkes, der Anteil B aus dem Bereich des 2. und 3. Stockwerkes und der Anteil C aus dem 4. Stockwerk.

Am materiellen Anteil B besteht zusätzlich Wohnungseigentum an fünf Wohnungen, an der Wohnung W 4 zugunsten der Klägerin. Die Rechte an den übrigen Objekten ergeben sich aufgrund der Kaufverträge vom 30. 5. 1995 bzw 23. 4. 1996.

Das Stockwerkseigentum an diesem Anteil war zuvor Walter P***** zugestanden. Nach seinem Tod am 13. 10. 1989 erwarb die Klägerin als Erbin zwei Drittel, ein Drittel erbte Maria P*****. Im Jahre 1995 wurde Wohnungseigentum begründet und der Verkauf der fünf Einheiten durchgeführt. Aufgrund eines Schenkungsvertrages erwarb die Klägerin das alleinige Eigentum an der Wohnung W 4.

Die Bereiche des jeweiligen Wohnungseigentums entsprechen im wesentlichen dem Umfang der früher vorhandenen und vermieteten Einheiten. Die Wohnung W 4, welche streitgegenständlich ist, wurde am 17. 4. 1937 an Wilhelm und Vilma S***** vermietet. In diesen Mietvertrag ist der Beklagte als Mieter eingetreten, die Klägerin erwarb die Vermietereigenschaft. Sie bot dem Beklagten die Wohnung zum Kauf an, was dieser ablehnte.

Mit der vorliegenden Aufkündigung kündigt die Klägerin diese 80,5 m2 große Wohnung, für die monatlich S 1.700,- bezahlt werden, wegen dringenden Eigenbedarf für ihre Tochter zum 30. 6. 1998 auf. Ihre Tochter werde voraussichtlich Ende Oktober 1998 ein Kind zur Welt bringen, sie bewohne derzeit eine Wohnung von 36 m2, welche für ihre Familie zu klein sei, weshalb der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG gegeben sei.

Der Beklagte wende unter anderem ein, es sei die Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG noch nicht abgelaufen; die Wohnung sei im Zuge der Begründung von Wohnungseigentum nicht neu geschaffen worden.

Das Erstgericht hob die bewilligte Aufkündigung auf und wies das damit verbundene Räumungsbegehren ab.

Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt führte es in rechtlicher Hinsicht aus, es sei die 10-jährige Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG noch nicht abgelaufen.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Die aktive Klagslegitimation bejahte das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 44/98a. Im übrigen schloß es sich der Ansicht des Erstgerichtes, es sei die 10-jährige Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG noch nicht abgelaufen, an. Der Oberste Gerichtshof habe in einem vergleichbaren Fall in der Entscheidung EvBl 1983/103 unter Berufung auf die Entscheidung SZ 51/151 ausgeführt, daß die Bestimmung des § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG grundsätzlich auch auf Eigentumswohnungen anzuwenden sei. Die Verwendung des Wortes "Miethaus" in § 30 Abs 3 MRG anstelle des in § 19 Abs 3 MG verwendeten Wortes "Haus" bedeute in Bezug auf die Anwendung der Sperrfrist auf Eigentumswohnungen mit Rücksicht auf den übereinstimmenden Normzweck keine inhaltliche Änderung. Die Sperrfrist sei lediglich auf den Ersteigentümer einer neu geschaffenen Eigentumswohnung nicht anzuwenden. Die gegenständliche Eigentumswohnung sei aber nicht neu geschaffen worden sondern sei vielmehr lediglich eine bereits seit langem bestehende und vom Beklagten bzw seinen Rechtsvorgängern gemietete Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt worden indem die Klägerin zu ihrem Miteigentumsanteil am Stockwerkseigentum das in einem alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrecht bestehende Wohnungseigentum zusätzlich erworben habe. Der in der Verhinderung von Spekulationskäufen bestehende Normzweck treffe auch auf den Fall einer derartigen Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung zu.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil die Rechtsprechung zur Frage der Aktivlegitimation des Wohnungseigentümers einer Altwohnung im Fall eines Altmietvertrages in den letzten Jahren in ständiger Entwicklung begriffen gewesen sei und bisher "nur" Entscheidungen des 5. Senates vorlägen. Die Frage der Anwendbarkeit der Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG sei in Verbindung mit gemischtem Eigentum (Stockwerkseigentum) überhaupt nicht behandelt worden.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen; hilfsweise wird beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die klagende Partei machte in ihrem Rechtsmittel geltend, den Entscheidungen EvBl 1983/103 und SZ 51/151 liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es seien nämlich in diesen Fällen die aufkündigenden Parteien in Ansehung der Gesamtliegenschaft von vornherein Minderheitseigentümer gewesen, sie hätten daher, hätten sie sich nicht auf das Wohnungseigentum berufen können, mangels Aktivlegitimation nicht kündigen können. Im vorliegenden Fall sei die Klägerin aber vor der Begründung des Wohnungseigentums kündigungslegitimiert gewesen, weil sie Mehrheitseigentümerin am materiellen Anteil B, in dem die gegenständliche Wohnung W 4 liege, gewesen sei.

Das Berufungsgericht habe auch nicht beachtet, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 565/92 ausgeführt habe, das Stockwerkseigentum an Wohnungen diene der Befriedigung desselben Bedürfnisses wie eine Eigentumswohnung selbst. Es seien deshalb auf Wohnungen im Stockwerkseigentum die Vorschriften für Wohnungseigentum analog anzuwenden.

Hiezu wurde erwogen:

Die Frage der Aktivlegitimation der klagenden Wohnungseigentümerin ist nicht mehr strittig, sie wurde von den Vorinstanzen zutreffend bejaht (s RIS-Justiz RS0109565).

Gemäß § 30 Abs 2 Satz 3 MRG kann der Vermieter, der das Miethaus durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden erworben hat, aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG nur kündigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens 10 Jahre liegen. Diese Bestimmung ist grundsätzlich auch auf Eigentumswohnungen anzuwenden (SZ 51/151; EvBl 1983/103). Die Sperrfrist ist lediglich auf den Ersteigentümer einer neu geschaffenen Eigentumswohnung nicht anzuwenden (EvBl 1983/103), eine solche liegt aber hier vor. Richtig ist, daß die gegenständliche Eigentumswohnung dadurch geschaffen wurde, daß eine bereits seit langem bestehende und vom Beklagten bzw seinen Rechtsvorgängern gemietete Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wurde, in dem die Klägerin zu ihrem Miteigentumsanteil das in einem alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrecht bestehende Wohnungseigentum hinsichtlich dieser Wohnung zusätzlich erworben hat (vgl EvBl 1983/101; SZ 51/151). Der in der grundsätzlichen Verhinderung von Spekulationskäufen bestehende Normzweck (EvBl 1983/103) trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil die Klägerin bereits vorher Mehrheitseigentümerin des materiellen Anteiles B, in dem sich die klagsgegenständliche Wohnung befindet, war und daher auch ohne Umwandlung in Wohnungseigentum zur Aufkündigung berechtigt gewesen wäre (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 15 zu § 33 MRG mwN). In einem solchen Fall scheidet aber die Annahme eines Spekulationskaufs aus, weil nicht einzusehen ist, worauf die Klägerin hätte spekulieren sollen.

Daraus folgt, daß die 10-jährige Sperrfrist des § 30 Abs 3 MRG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist. Es bedarf daher einer Prüfung des von der Klägerin geltend gemachten Kündigungsgrundes.

Es waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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