OGH 8Ob554/78

OGH8Ob554/788.11.1978

SZ 51/151

Normen

Mietengesetz §19 Abs2
Mietengesetz §19 Abs3
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §1 Abs1 Wohnungseigentumsgesetz 1975 §1 Abs3
Mietengesetz §19 Abs2
Mietengesetz §19 Abs3
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §1 Abs1 Wohnungseigentumsgesetz 1975 §1 Abs3

 

Spruch:

Bei der Vermietung einer Eigentumswohnung macht der Wohnungseigentümer von seinem ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrecht über die Eigentumswohnung Gebrauch und stellt insoweit die Gesamtheit der Miteigentümer dar

Die Schutzfrist des § 19 MietG ist auch auf die Kündigung von Eigentumswohnungen anzuwenden

Als Zeitpunkt der Erwerbung im Sinne des § 19 Abs. 3 MietG ist die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes anzusehen, wobei die Rechtswirkungen der Eigentumseinverleibung schon im Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches eintreten

OGH 8. November 1978, 8 Ob 554/78 (LG Salzburg 32 R 87/78; BG Salzburg 12 C 3268/76)

Text

Mit der am 23. November 1976 eingebrachten Kündigung kundigte die Klägerin als Eigentümerin zu 566 000/4 134 000 Anteilen der Liegenschaft EZ 117 der KG I, mit denen Wohnungseigentum an der aus zwei Zimmern, Wohnküche, Vorraum und Badezimmer bestehenden Wohnung Nr. 1 des Hauses K-Straße 4 in S verbunden ist, der Beklagten diese Wohnung wegen Eigenbedarfes nach § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG zum 31. März 1977 auf.

Die Beklagte erhob dagegen Einwendungen und verwies auf die Kündigungsbeschränkung durch die zehnjährige Sperrfrist nach § 19 Abs. 3 MietG, die zum 31. März 1977 noch nicht abgelaufen sei.

Das Erstgericht hob die Kündigung auf.

Es war zwar der Ansicht, daß die Kündigungsbeschränkung des § 19 Abs. 3 MietG der Kündigung nicht entgegenstehe, da diese Frist nicht ab dem Zeitpunkt der Verbücherung, sondern ab dem Zeitpunkt des Überganges von Nutz und Gefahr auf den neuen Eigentümer zu berechnen sei, es verneinte aber einen dringenden Eigenbedarf der Klägerin.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und erklärte die Revision für zulässig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur Frage der Kündigungsbeschränkung des § 19 Abs. 3 MietG steht folgender Sachverhalt fest:

Das Haus S, K-Straße 4, wurde im Zuge der Kriegsereignisse des Zweiten Weltkrieges beschädigt und dann wieder aufgebaut. Die gekundigte Wohnung war vor rund 20 Jahren wieder errichtet worden. Mit Kaufvertrag vom 3. Feber 1967 erwarb die Klägerin die Eigentumswohnung. Die Übergabe und Übernahme der Wohnung erfolgte am gleichen Tage. Das Eigentum der Klägerin wurde am 23. Mai 1967 (Tag des Einlangens des Grundbuchsgesuches bei Gericht) einverleibt.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Kündigung die Kündigungsbeschränkung des § 19 Abs. 3 MietG entgegenstehe. Als Zeitpunkt des für den Beginn der zehnjährigen Frist maßgebenden Erwerbes gelte der Zeitpunkt der Einverleibung des Eigentums. Da die Eigentumseinverleibung im vorliegenden Falle erst am 23. Mai 1967 erfolgt sei, sei die zehnjährige Frist des § 19 Abs. 3 MietG zum Kündigungstermine 31. März 1977 noch nicht abgelaufen gewesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Bestimmungen des § 19 Abs. 3 MietG seien auf die Kündigung von Eigentumswohnungen nicht anwendbar, weil die Kündigungsbeschränkung nach dieser Gesetzesstelle die Erwerbung eines "Hauses" und nicht bloß eines Miteigentumsanteiles mit dem damit verbundenen Wohnungseigentum voraussetze. Dies gehe auch aus dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle hervor, wonach die Geltendmachung der Kündigungsgrunde des § 19 Abs. 2 Z. 5 und 6 MietG durch einen Miteigentümer nur zulässig sei, wenn er wenigstens Eigentümer zur Hälfte sei.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. § 19 Abs. 3 MietG (i. d. F. des Mietrechtsänderungsgesetzes 1967, BGBl. 281/67) ordnet an, daß, falls der Vermieter das "Haus" durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, aus dem Gründe des § 19 Abs. 2 Z. 5 MietG nur kundigen kann, wenn zwischen dem Zeitpunkte der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens zehn Jahre liegen. Im Schrifttum (Sobalik, RZ 1968, 99) wurde die Frage erörtert, was Rechtens sei, wenn nicht die gesamte Liegenschaft, sondern nur Liegenschaftsanteile erworben werden, und die Ansicht vertreten, es müßten bei einem Erwerb von Miteigentumsanteilen mindestens die Miteigentümer von insgesamt einem Hälfteanteil der Liegenschaft seit dem Zeitpunkte des Erwerbes zehn Jahre Teilhaber der gemeinsamen Sache sein. Diese Frage stellt sich aber in dieser Form bei der Kündigung einer Eigentumswohnung gar nicht. Nach § 1 Abs. 1 WEG 1965 ist das Wohnungseigentum das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbständige Wohnung zu nutzen und hierüber allein zu verfügen. Inhalt des Wohnungseigentums ist daher das ausschließliche Nutzungs- und Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers über die Eigentumswohnung (vgl. Meinhart, WEG 1975, 58). Bei der Vermietung der Eigentumswohnung macht der Wohnungseigentümer daher von seinem ausschließlichen Nutzungs- und Verfügungsrecht über die Eigentumswohnung Gebrauch und stellt insoweit die Gesamtheit der Miteigentümer dar (vgl. Borotha, Das Wohnungseigentumsgesetz, 14; Faistenberger - Barta - Call, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz 1975, 36 Anm. 8). Wie aus den Erläuternden Bemerkungen zum Mietrechtsänderungsgesetz 1967 (vgl. Limbeck - Ruttar, Mietengesetz in der Fassung des Mietrechtsänderungsgesetzes, I. Teil, 94) hervorgeht, soll die im § 19 Abs. 3 vorgesehene Frist die berücksichtigungswürdigen Interessen der Mieter vor Spekulationskäufen der Vermieter schützen. Gerade aus dem Schutzzweck dieser Norm ergibt sich, daß sie auch auf die Kündigung von Eigentumswohnungen, bei denen ausschließlich dem Wohnungseigentümer sowohl das Recht zur Vermietung als auch zur Kündigung einer solchen Wohnung zusteht, anzuwenden ist. Der OGH hat sich bereits in seiner Entscheidung MietSlg. 24 375 mit der Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 19 Abs. 3 MietG auf die Kündigung von Eigentumswohnungen befaßt und darin ausgesprochen, daß diese Bestimmungen ebenso wie auf den Erbauer eines Hauses (Ersteigentümer) auf den Ersteigentümer einer neu geschaffenen Eigentumswohnung nicht anzuwenden seien. Letzteres trifft aber nach den getroffenen Feststellungen auf den vorliegenden Fall nicht zu.

Die Klägerin wendet sich ferner gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, als Zeitpunkt der Erwerbung gelte der Zeitpunkt der Einverleibung des Eigentums. Sie ist der Auffassung, das Gesetz stelle auf den Zeitpunkt des Erwerbsgeschäftes und nicht auf die Erwerbung des Eigentums ab.

Der Gesetzgeber bedient sich im § 19 Abs. 3 MietG bei den Worten "erwerben" und "Erwerbung" nur jener Ausdrucksweise, der das ABGB auch für die Erwerbung des Eigentums verwendet (Überschrift des V.

Hauptstückes: von der "Erwerbung" des Eigentums - § 423 über die mittelbare "Erwerbung": Sachen werden mittelbar "erworben"). Es besteht daher kein Anlaß ",erwerben" und "Erwerbung" im § 19 Abs. 3 MietG anders als Erwerbung des Eigentums auszulegen, die bei Liegenschaften nicht nur das Erwerbungsgeschäft, sondern auch die Einverleibung des Eigentums erfordert. Als Zeitpunkt der Erwerbung im Sinne des § 19 Abs. 3 MietG ist daher die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes anzusehen (vgl. Sobalik a. a. O., 99; Limbeck - Ruttar a. a. O., II. Teil, 92), wobei die Rechtswirkungen der Eigentumseinverleibung schon im Zeitpunkte des Einlangens des Grundbuchsgesuches eintreten (vgl. MietSlg. 18 820; EvBl. 1976/103).

Die vom Zeitpunkte der Einverleibung des Eigentums (23. Mai 1967) zu berechnende zehnjährige Frist war daher zum Kündigungstermin (31. März 1977) noch nicht abgelaufen. In der Annahme des Berufungsgerichtes, der vorliegenden Kündigung stehe die Kündigungsbeschränkung des § 19 Abs. 3 MietG entgegen, kann daher ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden.

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