OGH 2Ob19/20p

OGH2Ob19/20p18.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2016 verstorbenen D* W*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs 1. des Ing. E* H* und 2. der U* H*, beide vertreten durch Torggler Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Dezember 2019, GZ 55 R 94/19f, 95/19b‑303, womit a) infolge der Rekurse der Verlassenschaft nach H* H*, verstorben am * 2017, *, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Horst Brunner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, die Beschlüsse des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 28. August 2019, GZ 1 A 163/16b-288, und vom 2. September 2019, GZ 1 A 163/16b-285, bestätigt wurden sowie b) der gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 2. September 2019, GZ 1 A 163/16b-285, gerichtete Rekurs des Ing. E* H* und der U* H* zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130626

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Entscheidung über den Abhilfeantrag vom 27. 8. 2019 richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der am * 2016 verstorbene Erblasser hinterließ seine Ehefrau, seinen letztwillig zum Alleinerben bestimmten Sohn, sowie seine am * 2017 nachverstorbene pflichtteilsberechtigte Tochter. Die Revisionsrekurswerber sind zwei von drei Erben der Tochter, deren Nachlass ihnen mit Beschluss vom 26. 8. 2019 anteilig eingeantwortet worden ist.

[2] Die Verlassenschaft nach der Tochter, vertreten durch den bestellten Verlassenschaftskurator, hatteam 27. 8. 2019gemäß § 7a GKG den Antrag gestellt, das Erstgericht möge dem Gerichtskommissär auftragen, sämtliche Ein- und Auszahlungsbelege zu den im Einzelnen angeführten Konten und Sparbüchern des Erblassers einzuholen. Am 28. 8. 2019 errichtete der Gerichtskommissär ungeachtet dieses Antrags in Anwesenheit des Verlassenschaftskurators der Verlassenschaft nach der Tochter das Inventar, wobei er das auf den Verstorbenen „oder“ seine Ehegattin lautende Girokonto und die zu zwei Kontoinhabern vorgemerkten Sparbücher jeweils zur Hälfte und die zu drei Kontoinhabern vorgemerkten Sparbücher zu einem Drittel dem Nachlass zuordnete.

[3] Mit Beschluss vom 28. 8. 2019 wies das Erstgericht den Antrag der Verlassenschaft nach der Tochter vom 27. 8. 2019 als unzulässig zurück, weil deren Erben der Nachlass am 26. 8. 2019 bereits rechtskräftig eingeantwortet worden sei, womit der ruhende Nachlass als juristische Person zu bestehen aufgehört habe; ihm komme keine Antragslegitimation mehr zu.

[4] Am 29. 8. 2019 stellten die nunmehrigen Revisionsrekurswerber beim Verlassenschaftsgericht im eigenen Namen einen inhaltlich gleichlautenden Antrag wie am 27. 8. 2019 die Verlassenschaft nach der Tochter. Darin bekundeten sie, dass sie die im Zurückweisungsbeschluss vom 28. 8. 2019 vertretene Rechtsansicht des Erstgerichts zwar nicht teilten, weil der Einantwortungsbeschluss vom 26. 8. 2019 noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Unterstelle man jedoch die Richtigkeit dieser Rechtsansicht, wären die Erben bereits Gesamtrechtsnachfolger und ihrerseits zur Stellung eines Abhilfeantrags legitimiert. Ohne über diesen Antrag zu entscheiden antwortete das Erstgericht mit Beschluss vom 2. 9. 2019 dem Sohn den Nachlass des Erblassers ein.

[5] Das Rekursgericht berichtigte die Parteibezeichnung der Verlassenschaft nach der Tochter auf ihre Erben (1.), wies den von den nunmehrigen Revisionsrekurswerbern erhobenen Rekurs gegen den Einantwortungsbeschluss zurück (2.) und gab den gegen beide Beschlüsse des Erstgerichts erhobenen Rekursen der Verlassenschaft nach der Tochter, vertreten durch den Verlassenschaftskurator, mit der Maßgabe keine Folge, dass der Abhilfeantrag vom 27. 8. 2019 abgewiesen wurde (3.). Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[6] Begründend führte das Rekursgericht aus, dass die Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses im Verlassenschaftsverfahren nach der Tochter richtigerweise erst mit Ablauf des 12. 9. 2019 eingetreten sei. Die Verlassenschaft nach der Tochter habe, vertreten durch den Verlassenschaftskurator, an diesem Tag daher noch wirksam die Rekurse erhoben. Aufgrund der Einmaligkeit des Rechtsmittels sei der nach der mittlerweile eingetretenen Rechtskraft der Einantwortung von den Gesamtrechtsnachfolgern der Tochter erhobene neuerliche Rekurs daher unzulässig. Der Verlassenschaftskurator sei zwar bis zur Rechtskraft der Einantwortung in die Verlassenschaft nach der Tochter vertretungsbefugt und damit auch zur Einbringung des Abhilfeantrags vom 27. 8. 2019 legitimiert gewesen. Die Einholung der Ein‑ und Auszahlungsbelege zu den ohnehin schon beigeschafften Kontoauszügen sei jedoch für die Inventarisierung nicht geboten gewesen. Daher seien auch sämtliche Voraussetzungen für die Einantwortung vorgelegen.

[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Erben der Tochter, mit denen sie eine stattgebende Entscheidung über den Abhilfeantrag und die Aufhebung des Einantwortungsbeschlusses anstreben.

Rechtliche Beurteilung

[8] A. Der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung über den Abhilfeantrag vom 27. 8. 2019 ist jedenfalls unzulässig:

[9] 1. Das Verfahren zur Errichtung des Inventars ist vom Gerichtskommissär durchzuführen (§ 1 Abs 1 Z 1 lit b GKG). Das Inventar bedarf zu seiner Feststellung keiner Annahme oder Entscheidung des Gerichts (§ 169 AußStrG). Innerhalb des Abhandlungsverfahrens besteht daher grundsätzlich keine Möglichkeit, das Inventar als solches oder die dabei vorgenommene Bewertung zu überprüfen (2 Ob 99/19a; 2 Ob 64/18b; 2 Ob 55/15z). Der Grund liegt darin, dass das Inventar nur der Beweissicherung dient und keine Bindungswirkung entfaltet (2 Ob 99/19a; statt: 2 Ob 64/18b; 2 Ob 150/16x).

[10] 2. Anfechtbare Beschlüsse des Verlassenschaftsgerichts können erst aufgrund von Anträgen ergehen, die nach Errichtung des Inventars gestellt werden. Diese können nach § 166 Abs 2 AußStrG auf Aufnahme oder Ausscheidung einer Sache aus dem Inventar gerichtet sein oder auf die Beseitigung formaler Mängel des Inventars (Substanzlosigkeit, fehlende Nachvollziehbarkeit, Missachtung der Rahmenbedingungen für die Bewertung) im Wege des § 7a GKG (2 Ob 64/18b; vgl RS0132172).

[11] 3. Im vorliegenden Fall hat zwar das Erstgericht den Abhilfeantrag vom 27. 8. 2019 mangels Antragslegitimation zurückgewiesen. Das Rekursgericht hat diesen Antrag jedoch inhaltlich behandelt. Es hat damit über einen Antrag entschieden, dervor Errichtung des Inventars gestellt wurde. Sein Beschluss hat schon aus diesem Grund nur verfahrensleitenden Charakter und ist daher nicht gesondert anfechtbar. Eine anfechtbare Entscheidung „über die Sache“ (§ 45 AußStrG), das heißt über einen nach Errichtung des Inventars gestellten Antrag wegen inhaltlicher oder formaler Mängel (vgl 2 Ob 64/18b), hat das Rekursgericht nicht getroffen. Daher ist der dagegen gerichtete Revisionsrekurs als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

[12] B. Soweit sich die Revisionsrekurswerber gegen die Bestätigung des Einantwortungsbeschlusses wenden, zeigen sie in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[13] 1. Ist ein Inventar zu errichten, so ist die Einantwortung erst nach dessen Vorliegen zulässig (2 Ob 183/15y; RS0130972). Gleiches gilt dann, wenn zwar ein Inventar errichtet wurde, aber danach gestellte Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG oder § 7a GKG noch offen sind. Denn in diesem Fall liegt noch kein (endgültiges) Inventar vor, sodass diese Voraussetzung für die Einantwortung fehlt (2 Ob 99/19a; 2 Ob 81/18b). Werden keine derartigen Anträge gestellt, kann aber in der Regel die Einantwortung erfolgen (2 Ob 99/19a; vgl 2 Ob 64/18b).

[14] 2. Die Revisionsrekurswerber vermögen sich in ihrem Rechtsmittel auf keinen die Einantwortung hindernden offenen Antrag nach § 166 Abs 2 AußStrG oder § 7a GKG zu stützen. Sie verweisen zwar auf den von ihnen am 29. 8. 2019 erkennbar nur „vorsichtshalber“ (für den Fall, dass die Begründung des Erstgerichts in seinem Zurückweisungsbeschluss vom 28. 8. 2019 doch zutreffen sollte) gestellten Abhilfeantrag, zweifeln jedoch weiterhin nicht an ihrer – auch vom Rekursgericht geteilten – Rechtsansicht, wonach zum damaligen Zeitpunkt nur der Verlassenschaftskurator für die Verlassenschaft nach der Tochter antragslegitimiert war. Weshalb ihr Antrag dennoch die Einantwortung hindern hätte sollen, legen sie in ihrem Revisionsrekurs nicht dar. Dadurch, dass eine formelle Zurückweisung ihres Antrags unterblieben ist, sind sie jedenfalls nicht beschwert. Schließlich versagt auch ihre abermalige Berufung auf den vom Rekursgericht abgewiesenen Abhilfeantrag des Verlassenschaftskurators vom 27. 8. 2019, wozu auf die Begründung in Punkt A. verwiesen werden kann.

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