OGH 2Ob185/19y

OGH2Ob185/19y27.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt *****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei H***** P*****, gesetzlich vertreten durch VertretungsNetz Erwachsenenvertretung, Wels, Fabrikstraße 12, dieses vertreten durch Mag. Josef Koller, Rechtsanwalt in Perg, wegen 26.235 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Juli 2019, GZ 4 R 82/19k‑12, mit welchem das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 8. April 2019, GZ 6 Cg 141/18v‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00185.19Y.0227.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.725,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 287,64 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist dement und bezieht deswegen Pflegegeld der Stufe 4. Vertreten durch einen Sachwalter schloss er am 26. September 2017 mit der klagenden Stadtgemeinde einen Untermietvertrag und einen Betreuungsvertrag. Gegenstand des Untermietvertrags ist eine Wohnung in einer „ambulanzbetreuten Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz“. Der Mietzins betrug bei Vertragsabschluss 529,50 EUR. Im Betreuungsvertrag wurde für die Leistungen der „Grundversorgung“ (ua Vorsorge zum Herbeiholen von Hilfe, Information und Unterstützung zur Erlangung von Sozialhilfe und Pflegegeld sowie in persönlichen Angelegenheiten, Vermittlung und Ermöglichung ärztlicher Betreuung und Behandlung bei freier Arztwahl, Vermittlung von Leistungen von Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeitern, Fußpflegern, Frisören, Förderung sozialer Kontakte, Gestaltung des gemeinsamen Tagesablaufes) ein monatliches Entgelt von 1.990 EUR vereinbart, wobei die Möglichkeit bestand, zusätzliche Module zu vereinbaren (volle Kost, Reinigung der Leibwäsche und der Wohneinheit). Der Beklagte nimmt diese Module in Anspruch, sodass er nach dem Vertrag monatlich 2.385 EUR zu zahlen hätte.

In der Einrichtung gibt es einen 24‑Stunden‑Bereitschaftsdienst. Der Beklagte erhält zweimal wöchentlich Hilfe beim Duschen durch einen mobilen Dienst, den er gesondert bezahlt. Sonst übernimmt er die Verrichtungen des Alltags entweder alleine oder unter Anleitung des Personals der Einrichtung. Das Personal unterstützt die Bewohner in der Koordinierung des Alltags. „Pflegeleistungen stehen nicht im Vordergrund“, diese werden von der mobilen Hilfe zugekauft. Alle anderen Erledigungen des alltäglichen Ablaufs bewältigt der Beklagte selbst, wobei die Alltagsbegleitung (Personal in der Einrichtung) „die Struktur dazu vorgibt“. Die Bewohner gehen mit der Alltagsmanagerin (Betreuerin) gemeinsam einkaufen, kochen gemeinsam, decken und räumen den Tisch ab. Der Beklagte kann unter Anleitung der Alltagsmanagerin selbst Mahlzeiten zubereiten, sich um die Körperpflege kümmern, die Kleidung selbst anziehen, die vorverblisterten Medikamente selbst einnehmen und ohne Anleitung Bekleidung selbst ausziehen. Es stehen keine eigenen Räume zur Verabreichung von Therapien zur Verfügung. Arztbesuche werden von Angehörigen veranlasst.

Der Beklagte bezieht eine Pension, Pflegegeld der Stufe 4 und hat Erträge aus Vermögen. Insgesamt stehen ihm im Monat (unter anteiliger Anrechnung der Sonderzahlungen) 2.907,54 EUR zur Verfügung. Dem stehen der Anspruch der Klägerin aus dem Betreuungsvertrag von 2.385 EUR und weitere Aufwendungen (Miete, Medikamente, Fußpflege, Körperpflege) von 681,83 EUR gegenüber.

Am 20. Dezember 2017 stellte der Beklagte einen „Sozialhilfeantrag für Alten- und Pflegeheime“ und beantragte die „Übernahme des durch Einkommen nicht gedeckten Heimentgelts (Hilfe in stationären Einrichtungen nach § 15 Oö SHG 1998) ab 1. Jänner 2018“. Mit Jänner 2018 stellte der Beklagte die Zahlungen aus dem Betreuungsvertrag ein.

Die Klägerin begehrt 26.235 EUR samt gestaffelten Zinsen als offenes Entgelt für die Betreuungsleistungen in den Monaten Jänner bis November 2018. Der Beklagte schulde diese Beträge aus dem Vertrag. Bei der Wohngemeinschaft handle es sich nicht um eine stationäre Einrichtung iSv § 15 oöSHG, sondern um eine Wohnform ohne Vollversorgung. Daher seien die Vorschriften für eine Heimunterbringung nicht anzuwenden. Weder finde eine Pensionsteilung nach § 324 Abs 3 ASVG statt, noch greife beim Pflegegeld „§ 18 Abs BPGG“. Der Beklagte habe niemals die Aufnahme in eine stationäre Einrichtung beantragt. Über den Antrag auf Übernahme des durch das Einkommen nicht gedeckten Heimentgelts sei kein Bescheid ergangen, weil „die Voraussetzungen für die beantragte Sozialhilfe nicht gegeben“ seien. Bei der besonderen Wohnform für Demenzkranke sei zwar ein Zuschuss möglich, den die Klägerin aber nicht als Sozialhilfeträger gewähre; diesen habe der Beklagte nicht beantragt. Es liege daher keine Sozialhilfeleistung vor, für die das Verbot des Pflegeregresses gelten würde. Läge eine solche Leistung vor, müsste der Beklagte (mangels vorgenommener Pensionsteilung) Rechnung über seine Einkünfte legen, weil dann die „entsprechenden Beträge“ zu bezahlen wären.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Klage. Er erfülle die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe, weshalb für ihn seit 1. Jänner 2018 das Verbot des Pflegeregresses gelte. Bei der Wohngemeinschaft handle es sich weder um betreutes Wohnen iSv § 12 Abs 3 oöSHG noch um eine spezifische Wohnform für pflegebedürftige chronisch Kranke iSv § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG, sondern um eine stationäre Einrichtung iSv § 15 iVm § 63 oöSHG. Dies folge aus der Vollversorgung, wie sie auch in „normalen“ Seniorenheimen angeboten werde. Aber auch wenn eine Wohnform iSv § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG vorläge, bestünde ein Rechtsanspruch auf Sozialhilfe. § 330a ASVG sei nach der Rsp des VwGH auch auf solche Wohnformen anzuwenden. Die Klägerin versuche, durch die Berufung auf den Betreuungsvertrag § 330a ASVG zu umgehen. Ihr Hinweis auf die Selbstzahlereigenschaft des Beklagten sei verfehlt, weil vor Inkrafttreten von § 330a ASVG alle Personen mit ausreichendem Vermögen Selbstzahler gewesen seien, während seither nur mehr auf das Einkommen abzustellen sei. Daher sei nach § 9 Abs 2 oöSHG iVm § 330a ASVG ein Zugriff auf sein Vermögen ausgeschlossen. Der Beklagte bestreite nicht, dass er einen Teil seines Einkommens an den Sozialhilfeträger abführen müsse. Darüber sei jedoch am Verwaltungsweg zu entscheiden, weswegen die Klage zurückzuweisen sei. Sollte der Rechtsweg zulässig sein, sei die Klage unschlüssig, weil die Klägerin das Entgelt aus dem Betreuungsvertrag und nicht den nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu bemessenden Ersatzbetrag geltend mache.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin mache eine Forderung aus einem Vertrag geltend, weshalb der Rechtsweg zulässig sei. Bei der Wohngemeinschaft handle es sich um keine stationäre Einrichtung im Sinn des Sozialhilferechts. Der Beklagte habe seine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung, soweit sie Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs geltend machte, gab ihr aber im Übrigen Folge und wies das Klagebegehren ab. Die ordentliche Revision ließ es zu.

Die Sache gehöre auf den Rechtsweg, weil die Klägerin nach ihren Behauptungen einen vertraglichen Anspruch geltend mache. In der Sache bestehe der Anspruch aber nicht zu Recht. Die Einrichtung sei als besondere Wohnform für chronisch Kranke iSv § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG zu qualifizieren, wobei sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Betreuungsvertrag ergebe, dass aufgrund der Demenz der Bewohner die ständige Präsenz von Betreuungspersonal über 24 Stunden erforderlich sei. Insofern bestehe bei Hilfebedürftigkeit ein öffentlichrechtlicher Anspruch auf Sozialhilfe. Hilfebedürftigkeit liege hier seit Anfang 2018 vor, weil das Vermögen des Beklagten nicht mehr in die Betrachtung einzubeziehen sei und das Einkommen nicht zur Abdeckung der Kosten ausreiche. Die Klägerin habe die Hilfe faktisch gewährt. Damit könne sie sich nicht mehr auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage berufen (1 Ob 2302/96b), vielmehr müsste sie nach § 25 oöSHG die zu erbringenden Eigenleistungen mit Bescheid festlegen. Die Klägerin habe nicht vorgebracht, dass sie auch Leistungen erbracht hätte, die nicht von der Sozialhilfe gedeckt seien.

Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Einschränkungen der Kostenersatzpflicht durch das oöSHG einen vertraglichen Anspruch auch dann ausschlössen, wenn der Betroffene vor Inkrafttreten der Neuregelung noch als „Selbstzahler“ untergebracht und sein Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe noch nicht bescheidmäßig erledigt worden sei.

In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. Sie bringt vor, dass es sich bei der Wohngemeinschaft um keine stationäre Einrichtung iSv § 15 oöSHG handle. Der Beklagte habe ausdrücklich vorgebracht, dass die Wohngemeinschaft keine Wohnform iSv § 12 Abs 3 Z 2 lit c oöSHG sei, sodass eine solche Qualifikation „unzulässig“ sei. Der Beklagte hafte daher auch weiterhin aus Vertrag. Dem § 330a ASVG könne nicht unterstellt werden, dass er auch Leistungen erfasse, die in keinem Zusammenhang mit einer gewährten Sozialhilfe stünden. Soweit das Berufungsgericht ausgeführt habe, dass die Klägerin einen Bescheid erlassen müsste und Vorbringen zu Leistungen fehle, die nicht von der Sozialhilfe gedeckt würden, liege eine Mangel des Berufungsverfahrens vor. Der Klägerin wäre Gelegenheit zu geben gewesen, ein Vorbringen zu erstatten, welche Ersatzbeträge ihr nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zustünden und ob sie auch von der Sozialhilfe nicht erfasste Leistungen erbracht habe.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Er verweist auf die schon vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 1 Ob 2302/96b, nach der auch im vorliegenden Fall ein Zuspruch auf privatrechtlicher Grundlage ausgeschlossen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass auf die hier strittigen Leistungen der Klägerin aus sozialhilferechtlicher Sicht das oöSHG 1998 idF des LG LGBl 2018/39 anwendbar ist. Dieses Gesetz ist nach seinem Art III rückwirkend mit 1. Jänner 2018 in Kraft getreten und setzt das bundesverfassungsrechtliche Verbot des Pflegeregresses (§ 330a ASVG) um. Die Änderungen des oöSHG 1998 mit dem oö Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, LGBl 2018/55, sind für den vorliegenden Fall sachlich unerheblich, jene durch das LG LGBl 2019/107 sind wegen dessen Inkrafttreten erst mit 1. Jänner 2020 (auch) zeitlich unerheblich.

2. Die Klägerin macht einen Anspruch aus Vertrag geltend. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass dafür wegen der Maßgeblichkeit des Klagevorbringens (RS0045584) der Rechtsweg zulässig ist. Fraglich ist allerdings, ob dieser Anspruch besteht. Dem steht das Verbot des Pflegeregresses iSv § 330a ASVG als solches nicht zwingend entgegen, weil dieses Verbot nur Rückersatzansprüche im Zusammenhang mit Leistungen der Sozialhilfe erfasst (2 Ob 12/18f). Genau das ist hier strittig. Zudem wurde dieses Verbot ohnehin durch die Novellierung des oöSHG mit dem LG LGBl 2018/39 umgesetzt, sodass die Prüfung zunächst auf einfachgesetzlicher Grundlage zu erfolgen hat. Ein Rückgriff auf die Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG käme nur in Betracht, wenn ihm die landesrechtlichen Vorschriften nicht entsprächen. Nur in diesem Fall wäre auch zu prüfen, ob § 330a ASVG unmittelbar anzuwenden wäre oder nicht vielmehr eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof zu erfolgen hätte.

3. Im konkreten Fall hatte der Beklagte aufgrund des oöSHG ab 1. Jänner 2018 einen Rechtsanspruch auf soziale Hilfe (unten 3.1). Das steht dem vertraglichen Anspruch der Klägerin, die zugleich Trägerin der Sozialhilfe ist, entgegen (unten 3.2).

3.1. Mangels Vorliegens eines Bescheides ist vorfrageweise zu prüfen, ob der Beklagte im strittigen Zeitraum aufgrund seiner Demenz einen Rechtsanspruch auf Leistungen sozialer Hilfe hatte. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein solcher Anspruch bestand, trifft zu.

(a) Es kann offen bleiben, ob die vom Beklagten bewohnte Wohngemeinschaft als stationäre Einrichtung iSv § 15 iVm §§ 63 f oöSHG oder als „spezifische Wohnform mit fachgerechter Betreuung“ für „pflegebedürftige chronisch Kranke“ iSv § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG anzusehen ist. Denn in beiden Fällen besteht nach § 17 Abs 5 oöSHG bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf soziale Hilfe.

(b) Zumindest eine „spezifische Wohnform mit fachgerechter Betreuung“ für „pflegebedürftige chronisch Kranke“ iSv § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG liegt hier vor. Denn wegen der Demenz der Bewohner ist eine 24-Stunden-Präsenz von Betreuungspersonen erforderlich und – wie sich aus dem „Betreuungsvertrag“ ergibt – auch gewährleistet. Zwar hat das Erstgericht festgestellt, dass in der Einrichtung „Pflegeleistungen nicht im Vordergrund“ stünden. Dem liegt aber offenkundig ein enger Pflegebegriff zugrunde, der nur Leistungen wegen körperlicher Gebrechlichkeit erfasst. Demgegenüber beruht jedenfalls das BPGG auf einem weiteren Begriff der „Betreuung und Hilfe“ (§ 4 Abs 1 BPPG). Insbesondere aus dem Erschwerniszuschlag bei demenzieller Erkrankung (§ 4 Abs 5 BPGG) ergibt sich, dass dieser Begriff auch die Unterstützung bei Demenz erfasst. Dem Landesgesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er denselben Wortlaut (§ 7 Abs 2 oöSHG: „Betreuung und Hilfe“) in einem engeren Sinn verstanden hätte. Auch bei der Betreuung und Hilfe für demenzkranke Menschen liegen daher Leistungen iSv § 7 Abs 2 oöSHG vor, die Personen erbracht werden, die „pflegebedürftig“ iSv § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG sind. Dazu gehört bei demenzkranken Menschen insbesondere die Anleitung zur selbsttätigen (nicht selbständigen) Bewältigung des Alltags ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 4 [2017] Rz 5.310), wie sie hier von den „Alltagsmanagerinnen“ der Klägerin geleistet wird.

(c) Aus § 17 Abs 5 oöSHG ergibt sich, dass der Beklagte bei Vorliegen der finanziellen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Hilfe (jedenfalls) in der von ihm bewohnten Einrichtung hatte. § 17 Abs 5 oöSHG lautet:

Sofern

1. eine hilfesuchende Person vorwiegend auf Grund ihrer altersbedingten Betreuungs- und Hilfebedürftigkeit nicht imstande ist, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen oder besonderer Pflege bedarf,

2. der Pflegebedarf nicht durch andere Hilfen gemäß § 12 abgedeckt werden kann und

3. die Zusicherung der Hilfeleistung durch den Träger der Einrichtung vorliegt,

besteht auf Hilfe in stationären Einrichtungen und Hilfe in spezifischen Wohnformen für pflegebedürftige chronisch Kranke ein Rechtsanspruch.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Beklagte war aufgrund seiner Demenz offenkundig nicht mehr in der Lage, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen. Dass der Pflegebedarf durch andere Hilfen als durch die Unterbringung in der Einrichtung abgedeckt werden könnte, hat die Klägerin nicht konkret vorgebracht. Zudem ergibt sich aus den Materialien zur Neufassung des § 17 Abs 5 oöSHG mit dem LG LGBl 2018/39, dass eine konkrete Prüfung alternativer Hilfen bei Vorliegen der Pflegegeldstufe 4 oder höher nicht mehr erforderlich ist (Blg oöLT 705/20 18, zu Art I Z 5 [§ 17 Abs 5]). Eine gesonderte Zusicherung des Trägers der Einrichtung war wegen der ohnehin bestehenden Unterbringung nicht erforderlich.

(d) Die finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe lagen schon deshalb vor, weil das Einkommen des Beklagten und das ihm gewährte Pflegegeld nach den Feststellungen selbst bei vollständigem Einsatz nicht ausreichte, um den Mietzins, die sonstigen Aufwendungen und das Entgelt des Betreuungsvertrags zu decken. Dass nur auf das Einkommen und das Pflegegeld, nicht aber auf das Vermögen abzustellen ist, ergibt sich aus § 8 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 oöSHG. Daher stellte der Beklagte zutreffend einen Antrag auf „Übernahme des durch Einkommen nicht gedeckten Heimentgelts“. Dass er dabei auf § 15 und nicht auf § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG Bezug nahm, ist unerheblich. Denn der Antrag war ohne jeden Zweifel darauf gerichtet, einen Beitrag zu den Kosten der von ihm bewohnten Einrichtung zu erhalten. Darüber wird die Klägerin als Sozialhilfeträgerin nach § 25 oöSHG abzusprechen haben. In diesem Bescheid wird sie auch jene Beträge festzulegen haben, die der Beklagte nach § 8 Abs 2 Z 1 iVm § 9 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 oöSHG aufgrund seines Einkommens und seines Pflegegeldanspruchs selbst zu leisten hat. Ob in diesem Fall die Legalzessionen nach § 324 Abs 3 ASVG und § 13 Abs 1 BPGG anzuwenden wären, ist hier nicht zu entscheiden.

(e) Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass der Beklagte in erster Instanz vorgebracht hat, bei der Wohngemeinschaft handle es sich um eine stationäre Einrichtung und nicht um eine „spezifische Wohnform“ iSv § 12 Abs 2 Z 2 lit c oöSHG. Denn dabei handelt es sich um eine Frage der rechtlichen Qualifikation, bei der eine irrtümliche Bezeichnung nicht schadet. Zudem hat der Beklagte ohnehin vorgebracht, dass diese Unterscheidung wegen der Gleichbehandlung der beiden Betreuungsformen in § 17 Abs 5 oöSHG unerheblich ist.

3.2. Die dargestellte sozialhilferechtliche Rechtslage steht dem geltend gemachten Anspruch entgegen.

(a) Der Oberste Gerichtshof hat in 1 Ob 2302/96b unter Hinweis auf ältere Entscheidungen ausgesprochen, dass Leistungen des Sozialhilfeträgers bei Bestehen eines Anspruchs in den sozialhilferechtlichen Vorschriften ihren abschließenden und zureichenden Rechtsgrund fänden. Diese Vorschriften regelten insbesondere Art und Umfang des Aufwandersatzes, was die Prüfung anderer (zivilrechtlicher) Anspruchsgrundlagen ausschließe. Die Entscheidung betraf zwar – ebenso wie die darin zitierten Vorentscheidungen (5 Ob 169/65 RZ 1966, 104; 8 Ob 215/70 SZ 43/174, 8 Ob 152/77 SZ 50/153) – eine vom Sozialhilfeträger ohne Vereinbarung erbrachte Unterbringung in einer stationären Einrichtung. In diesem Fall ist offenkundig, dass Rechtsgrund der Leistung allein die sozialhilferechtlichen Bestimmungen sein konnten. Allerdings führte der Oberste Gerichtshof ergänzend aus, dass der Sozialhilfeträger nicht zwischen öffentlich- und privatrechtlicher Handlungsform wählen könne, wenn das Gesetz bei Bestehen eines Rechtsanspruchs die Gewährung von Hilfe in hoheitlicher Handlungsform vorsehe (ebenso VwGH 99/11/0367 für das nö SHG). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass keine Wahlfreiheit zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen besteht, wenn der Gesetzgeber zu erkennen gibt, dass die hoheitliche Gestaltung zwingend ist (RS0038475 [T1]). Damit ist es bei Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auch ausgeschlossen, Hilfe auf vertraglicher Grundlage zu gewähren und dafür ein frei vereinbartes Entgelt zu verlangen.

(b) § 25 oöSHG sieht vor, dass über die Leistung sozialer Hilfe, auf die ein Rechtsanspruch besteht, mit Bescheid abzusprechen ist (oben Punkt 3.1.c.). Die hoheitliche Handlungsform ist daher für die Leistungsgewährung zwingend. Damit kann sich die Klägerin aber bei Bestehen eines solchen Rechtsanspruchs für ihren Aufwandersatz nicht mehr auf eine vertragliche Anspruchsgrundlage berufen. Vielmehr hat sie nach § 25 Abs 1 oöSHG auch die vom Betroffenen einzusetzenden eigenen Mittel mit Bescheid festzulegen. Grundlage für ihren Anspruch ist dabei nicht mehr der Vertrag, sondern § 8 Abs 2 Z 1 iVm § 9 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 oöSHG: Danach haben Hilfebedürftige für Leistungen sozialer Hilfe, auf die – wie hier – ein Rechtsanspruch besteht, einen angemessenen Kostenbeitrag zu leisten, der aufgrund ihres Einkommens und der pflegebezogenen Geldleistungen, nicht aber aufgrund des Vermögens zu bemessen ist. Diese Beschränkung der Beitragspflicht kann nicht durch die Wahl einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage umgangen werden (1 Ob 2302/96b). Ein Vorbringen zu Ansprüchen aufgrund des oöSHG hat die Klägerin nicht erstattet. Ihre Rechtsrüge muss daher scheitern.

(c) Die Nichtberücksichtigung des Vermögens entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des VwGH, wonach auch „besondere Wohnformen“ bei entsprechender Pflege und Betreuung unter das Verbot des Pflegeregresses fallen (VwGH Ra 2018/10/0062). Die dargestellten Regelungen des oöSHG, wonach die Eigenbeiträge bei Bestehen eines Rechtsanspruchs nur unter Berücksichtigung von Einkommen und Pflegegeld festzulegen sind, setzen diese verfassungsrechtliche Vorgabe auf einfachgesetzlicher Ebene um. Ein Rückgriff unmittelbar auf § 330a ASVG ist daher nicht erforderlich.

4. Die dargestellte Rechtslage lag bereits dem Berufungsurteil zugrunde. Die Klägerin behauptet insofern einen Mangel des Berufungsverfahrens, weil das Berufungsgericht sie mit dieser Rechtsansicht überrascht habe. Sie führt allerdings nicht aus, welches konkrete Vorbringen sie im Fall einer Erörterung erstattet hätte. Damit hat sie die Erheblichkeit des von ihr behaupteten Mangels nicht aufgezeigt ( Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 503 ZPO Rz 91). Zudem war diese Auffassung schon in erster Instanz vom Beklagten vertreten worden. Schon aus diesem Grund muss auch die Verfahrensrüge der Revision scheitern. Es kann daher offen bleiben, ob ein Sozialhilfeträger, der keinen Bescheid erlassen hat, sich aus Sozialhilferecht ergebende Kostenbeiträge für faktisch gewährte Hilfe tatsächlich auf dem Rechtsweg geltend machen kann (so 1 Ob 2302/96b, 9 Ob 126/00w) oder ob nicht zumindest im konkreten Fall die Pflicht zur Erlassung eines Bescheides über den Einsatz eigener Mittel (§ 25 oöSHG) den Rechtsweg ausschließt (vgl VwGH 99/11/0367 für das nöSHG).

6. Aus diesen Gründen hat die Revision keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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