OGH 2Ob150/04d

OGH2Ob150/04d4.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna W*****, vertreten durch Dr. Wilfried Raffaseder, Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, gegen die beklagten Parteien 1.) Franz M*****, 2.) W***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Heinz Buchmayr, Dr. Johannes Buchmayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 109.439,26 und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 29. April 2004, GZ 4 R 40/04m-45, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 4. Dezember 2003, GZ 1 Cg 36/01m-39, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich eines Teilbetrages an Haushaltshilfekosten von EUR 13.852,58 samt Anhang aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die diesbezüglichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Im Übrigen (Haushaltshilfekosten von EUR 13.901,42 sA) wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die diesbezügliche Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Vorausgeschickt wird, dass in dritter Instanz nur mehr der Zuspruch von Haushaltshilfekosten strittig ist.

Die Klägerin wurde am 13. 11. 1998 als Fußgängerin bei einem vom Erstbeklagten als Lenker eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Mopeds verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Sie begehrte unter anderem den Zuspruch von Pflege- und Haushaltshilfekosten.

Die Beklagten wendeten unter anderem ein, dass auf diese Forderungen das gesetzliche Pflegegeld anzurechnen sei.

Das Erstgericht sprach der Klägerin unter anderem Pflegekosten von EUR 371,-- (nach Abzug des für August 1999 erhaltenen Pflegegeldes) und Haushaltshilfekosten von EUR 27.754,-- zu. Es traf hiezu folgende Feststellungen:

Auf Grund der Krankenhausaufenthalte und nach ihrer Entlassung war die Klägerin wegen eingeschränkter Arbeitsfähigkeit auf eine Haushaltshilfe angewiesen, und zwar während des Zeitraumes vom 14. 11. 1998 bis 15. 1. 2001 für 792 Tage im Ausmaß von je drei Stunden pro Tag und während des Zeitraumes vom 26. 1. 2001 bis 25. 5. 2002, somit für 481 Tage zu je drei Stunden. Der Klägerin wurde mit Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Linz, vom 8. 9. 1999 ab 1. 6. 1999 bis auf weiteres ein Pflegegeld von monatlich S 5.690,-- (EUR 413,51) gewährt, wobei für den Zeitraum des stationären Aufenthaltes vom 1. 6. 1999 bis 27. 7. 1999 kein Pflegegeld ausbezahlt wurde.

Das Berufungsgericht bestätigte unter anderem den Zuspruch der Haushaltshilfekosten. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 20.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision mangels einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung nicht zulässig sei. Soweit dies für das drittinstanzliche Verfahren noch von Bedeutung ist, führte es folgendes aus:

Wenn die Beklagten monierten, dass das von der Klägerin bezogene Pflegegeld von der zuerkannten Haushaltshilfe abgezogen hätte werden müssen, sei ihnen entgegenzuhalten, dass das Pflegegeld gemäß § 1 BPGG lediglich zur Finanzierung des pflegebedingten Mehraufwandes diene. In § 16 Abs 1 BPGG werde eine Legalzession angeordnet. Das Gesetz gehe daher eindeutig davon aus, dass das gewährte Pflegegeld nicht auf den Schaden angerechnet werde. Ein Übergang des Schadenersatzanspruches auf den Sozialversicherungsträger finde allerdings nur dann statt, wenn diese Ansprüche dem Zweck des Pflegegeldes entsprächen, also sachlich kongruent seien. In Betracht kämen danach Ersatzansprüche für Aufwendungen, die aus einer Vermehrung der Bedürfnisse im Sinne des § 1325 ABGB oder des § 13 EKHG erwachsen seien. Da jedoch der Anspruch auf Haushaltshilfe ein als Verdienstentgang zu beurteilender Schadenersatzanspruch sei, sei insofern der Schadenersatzanspruch gemäß § 16 BPGG mangels sachlicher Kongruenz nicht übergegangen, sodass die Haushaltshilfekosten nicht zu kürzen seien.

Gegen den Zuspruch von EUR 27.754,-- aus dem Titel Haushaltshilfekosten richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klägerin - statt EUR 102.724,27 - nur EUR 74.970,27 zuerkannt werden; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zulässig. Entgegen der Behauptung der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung ist hinsichtlich des Teilbetrages von EUR 13.901,42 keine Teilrechtskraft des erstgerichtlichen Urteils eingetreten, weil in der Berufung der beklagten Parteien der stattgebende Teil des erstgerichtlichen Urteils zur Gänze bekämpft wurde. Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch teilweise berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, das einem Geschädigten bezahlte Pflegegeld sei bei der Ermittlung des Ersatzanspruches für Haushaltshilfekosten zu berücksichtigen.

Hiezu wurde erwogen:

Die in der Revision zitierte Judikatur des Obersten Gerichtshofes betrifft überwiegend Pflegeaufwand und nicht Haushaltshilfekosten. Beim Pflegeaufwand liegt die sachliche Kongruenz des Pflegegeldes (früher des Hilflosenzuschusses) auf der Hand (vgl RIS-Justiz RS0013477; Neumayr in Schwimann VIII2 § 332 ASVG Rz 49).

Was die Haushaltshilfekosten betrifft, ist die Rechtsprechung nicht ganz einheitlich: Einerseits wird gesagt, der Anspruch der verletzten Hausfrau gehe nicht auf den Sozialversicherungsträger über; die sachliche Kongruenz fehle, weil es sich um Verdienstentgang handle (SZ 44/93; EvBl 1972/2; EFSlg 57.000; vgl Harrer in Schwimann2 § 1325 ABGB Rz 46, 97; vgl auch RIS-Justiz RS0030606, RS0031334; Reischauer in Rummel3 § 1325 Rz 12b, 24, 39 aE). Andererseits wird zwischen der Führung des Haushaltes für sich (den Verletzten) selbst und für andere Personen (Ehegatte, Kinder) differenziert und zum Beispiel im Zwei-Personen-Haushalt eine Hälfteteilung vorgenommen (ZVR 1989/16; OLG Linz ZVR 1999/75; vgl SZ 44/24; SZ 51/131; Neumayr aaO).

Der erkennende Senat hat in jüngerer Zeit ausgesprochen, vom Fall der Verletzung eines haushaltsführenden Ehegatten sei jener zu unterscheiden, bei dem die Haushaltstätigkeit nur den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diene. Die Frage, ob der Verlust oder die Minderung der Fähigkeit, Hausarbeiten zu verrichten, dem Erwerbsschaden oder den vermehrten Bedürfnissen zuzurechnen sei, hänge davon ab, ob die Arbeitsleistung einem Beitrag zum Familienunterhalt oder nur der Befriedigung eigener persönlicher Bedürfnisse diene. Wenn die Haushaltstätigkeit nur eigenen Bedürfnissen diene und daher nicht als Erwerbsquelle in Frage komme, stelle sie keine der Erwerbstätigkeit vergleichbare Arbeitsleistung dar. Das bedeute aber nicht, dass dann, wenn der Verletzte die vereitelten Dienste nicht gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen, sondern nur für sich selbst zu leisten hätte, er nicht auch Anspruch auf die Kosten einer Haushaltshilfe hätte; sie stünden ihm dann aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse und nicht aus jenem des Verdienstausfalles zu. Der Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe sei daher, wenn er auf eine Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten zurückzuführen sei, dem Anspruch auf Ersatz von Pflegekosten, der ebenfalls auf eine Vermehrung der Bedürfnisse zurückzuführen sei, gleichzuhalten (2 Ob 86/95 = EFSlg 78.538).

Hievon ausgehend gelangt der erkennende Senat zur Auffassung, dass das Pflegegeld nicht nur zum Anspruch auf Ersatz von Pflegeaufwendungen, sondern auch zum Anspruch auf Ersatz der Haushaltshilfekosten wegen unfallbedingter Unfähigkeit zur Führung des eigenen Haushaltes sachlich kongruent ist; nur soweit die Führung des Haushaltes für andere Haushaltsangehörige beeinträchtigt ist, besteht keine Kongruenz (vgl Neumayr aaO). Bei einem Zwei-Personen-Haushalt wäre in der Regel eine Halbierung des Aufwandes vorzunehmen (ZVR 1989/16; vgl Pardey in Geigel, Haftpflichtprozess24, Rz 4/141; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden7 Rz 148; aM Huber, Fragen der Schadensberechnung 537 f; alle mit Hinweisen auf die dRspr).

Ob aus dieser Differenzierung im vorliegenden Fall für die beklagten Parteien im Ergebnis etwas zu gewinnen ist, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Die Klägerin erhielt nämlich "bis auf weiteres" Pflegegeld der Stufe 3, was - vorbehaltlich der selbständigen zivilrechtlichen Beurteilung - darauf hindeutet, dass sie auch weiterhin pflegebedürftig war. Sie begehrt aber ab September 1999 keinen Ersatz von Pflegeaufwand mehr, weil sie diesen Anspruch möglicherweise mit dem Pflegegeld saldiert. Es ist nicht auszuschließen, dass nach einer solchen Saldierung für einen Abzug von den Haushaltshilfekosten nichts mehr übrig bleibt.

Diese Umstände bedürfen einer Erörterung mit den Parteien, weshalb die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile im Umfang des von den beklagten Parteien in ihrer Berufung mit EUR 13.852,58 errechneten Abzugsbetrages an das Erstgericht zurückzuverweisen war. Hingegen gebührt der Klägerin selbst nach dieser Berechnung ein Teilbetrag an Haushaltshilfekosten von zumindest EUR 13.901,42; das angefochtene Urteil war daher insoweit zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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