OGH 2Ob144/18t

OGH2Ob144/18t24.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R* H*, 2. C* A*, 3. S* G*, alle vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei W* H*, vertreten durch Mag. Bernhard Schwendinger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Auskunftserteilung, Eidesleistung und Zahlung eines noch unbestimmten Betrags (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 10.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. März 2018, GZ 1 R 176/17t‑36, mit welchem das Teilurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 28. September 2017, GZ 56 Cg 48/16p‑32, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E122944

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 958,58 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 159,76 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagte ist die Erbin eines am 21. April 2015 verstorbenen Mannes, die Kläger sind dessen Kinder. Sie machen mit Stufenklage ihren Pflichtteilsanspruch geltend und begehrten, soweit für das Revisionsverfahren relevant, die Beklagte zu verpflichten, ihnen

„über allfälliges weiteres, im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nicht bekannt gegebenes Nachlassvermögen […] unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses Auskunft zu geben und deren Vollständigkeit und Richtigkeit eidlich zu bekräftigen.“

Die Beklagte legte im Verfahren ein mit 22. Juni 2017 datiertes Vermögensbekenntnis vor, in dem sie bestätigte, dass die im Verlassverfahren gemachten Angaben richtig seien und kein weiteres Nachlassvermögen vorhanden sei. In der mündlichen Verhandlung leistete sie den Eid, dass

„[…] mir kein weiteres als das im Verfahren zu 2 A 42/15d des BG Bregenz bekanntgegebene Nachlassvermögen zum Todeszeitpunkt bekannt ist, […] sowie dass meine Angaben im Vermögensverzeichnis vom 22. 6. 2017 dahingehend richtig und vollständig sind, dass zum Todeszeitpunkt kein weiteres Nachlassvermögen bekannt war [...].“

 

Das Erstgericht gab dem Begehren statt, weil die Beklagte einen Rückforderungsanspruch gegen das Finanzamt nicht bekannt gegeben habe und überdies der Verbleib hoher Geldbeträge unklar sei, die sich aus Barabhebungen von Konten des Erblassers ergäben. Damit bestehe die subjektiv begründete Besorgnis der Kläger, dass noch weiteres Vermögen vorhanden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es die Beklagte zur Auskunft, Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Eidesleistung „über das Nachlassvermögen“ verpflichtete, und ließ die ordentliche Revision zu.

Nach dem festgestellten Sachverhalt bestehe die Besorgnis, dass weiteres Nachlassvermögen (Forderungen gegen das Finanzamt, Bargeld) existiere. Daher hätten die Kläger einen Anspruch nach Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO. Entgegen dieser Bestimmung habe die Beklagte kein Vermögensverzeichnis vorgelegt, sondern nur auf das im Verlassverfahren errichtete Inventar verwiesen. Es sei aber möglich, dass nach Errichtung des Inventars weitere Vermögenswerte hervorgekommen seien, die in einem Vermögensbekenntnis anzugeben wären. Die Beklagte habe daher ihre Verpflichtung nicht erfüllt. Die Revision sei zulässig, weil aktuelle Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Vorlage eines förmlichen Vermögensverzeichnisses fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Nach ständiger Rechtsprechung zur hier noch anwendbaren Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 haben Pflichtteilsberechtigte einen materiell‑rechtlichen Anspruch auf genaue und vollständige Ermittlung des Nachlasses, den sie nach Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO mit Klage gegen den ruhenden Nachlass bzw nach der Einantwortung gegen den oder die Erben durchsetzen können; Voraussetzung ist (nur) die subjektiv begründete Besorgnis der Berechtigten, dass weiteres, ihnen bisher nicht bekanntes Nachlassvermögen vorhanden ist (2 Ob 316/02p mwN, zuletzt etwa 2 Ob 98/17a und 2 Ob 213/17p; RIS‑Justiz RS0012974).

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im konkreten Fall eine solche subjektiv begründete Besorgnis vorlag, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls (insbesondere des ungeklärten Verbleibs von Bargeld) nicht zu beanstanden. Daher ist lediglich zu prüfen, ob die Beklagte ihre Verpflichtung durch das – in dieser Form zwar nicht vorgesehene (weil Zuständigkeit des Außerstreitgerichts: 5 Ob 551/76 SZ 49/73 = RIS‑Justiz RS0005935), aber tatsächlich erfolgte – Ablegen des Eides in der mündlichen Verhandlung erfüllt hat. Das trifft schon deswegen nicht zu, weil der von ihr abgelegte Eid (zumindest) unklar war: Zunächst führte sie aus, dass ihr kein weiteres als das im Verlassverfahren bekanntgegebene Nachlassvermögen „zum Todeszeitpunkt bekannt ist“, setzte dann aber fort, dass ihre Angaben im Vermögensverzeichnis „dahingehend richtig und vollständig sind, dass zum Todeszeitpunkt kein weiteres Nachlassvermögen bekannt war“ (Hervorhebung durch den Senat). Jedenfalls die letztgenannte Formulierung bezieht sich eindeutig auf den Kenntnisstand der Beklagten zum Todeszeitpunkt, nicht jedoch auf das Nachlassvermögen an sich. Zumindest insofern wäre der Eid daher auch dann richtig, wenn es zwar weiteres Nachlassvermögen gäbe, die Beklagte aber erst nach dem Tod des Erblassers davon erfahren hätte. Dass damit der Auskunftsanspruch nicht erfüllt wäre, liegt auf der Hand. Zwar könnte der erste Teil des Eides wegen der Formulierung in der Gegenwartsform („ist“) auch anders gedeutet werden (Vollständigkeit des Inventars auch nach dem heutigen Kenntnisstand), dagegen spricht aber die Bezugnahme auf den Todeszeitpunkt.

3. Die von der Beklagten (bzw ihrem Vertreter) für den Eid gewählte Formulierung ist daher im entscheidenden Punkt unklar. Damit hat die Beklagte aber den Anspruch auf eindeutige Bekanntgabe des tatsächlich vorhandenen Nachlassvermögens nicht erfüllt. Auf die Frage, ob eine uneingeschränkte eidliche Bestätigung, wonach die Angaben in einem Inventar auch nach dem aktuellen Wissensstand vollständig und richtig seien, den Auskunftsanspruch erfüllen könnte, kommt es daher nicht an; ebenso wenig ist zu prüfen, ob in einem solchen Fall das Beharren auf einem förmlichen Vermögensverzeichnis als Rechtsmissbrauch zu qualifizieren wäre.

4. Auch sonst zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4.1. Es besteht kein Zweifel, dass das Begehren der Kläger von Anfang an nicht bloß auf die Bekanntgabe jenes Vermögens gerichtet war, von dem die Beklagte im Todeszeitpunkt wusste. Eine solche Beschränkung lässt sich weder dem Wortlaut des Begehrens noch dem Klagevorbringen entnehmen.

4.2. Eine Umformulierung des Begehrens ist zulässig, um dem Spruch eine klarere und deutlichere Fassung zu geben (RIS-Justiz RS0041254, RS0039357). Ob dabei die Grenze des § 405 ZPO überschritten wird, hängt von der Auslegung des Klagevorbringens ab und begründet daher regelmäßig keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0041192, RS0042828 [T3]). Im konkreten Fall hatten die Kläger von Anfang an die Vorlage eines „Vermögensbekenntnisses“ verlangt, was vertretbar dahin gedeutet werden konnte, dass sie in Wahrheit eine vollständige Auflistung des Nachlassvermögens (also einschließlich der bereits bekannten Werte) begehrten. Bei diesem Verständnis ist die Umformulierung durch das Berufungsgericht tatsächlich nur eine bloße Verdeutlichung des ohnehin Gewollten.

4.3. Da die Besorgnis der Kläger auch auf dem ungeklärten Verbleib von Bargeld beruhte, kommt es auf die behauptete Bereitschaft der Beklagten, den Klägern Vollmacht zur Einholung von Informationen über Kontenbewegungen zu erteilen, nicht an.

4.4. Die zweitinstanzliche Kostenentscheidung ist jedenfalls unanfechtbar (RIS-Justiz RS0044233 [T11]; RS0053407 [T16]). Warum das im Fall eines angeblichen „Begründungsmangels“ anders sein soll, zeigt die Revision nicht auf.

5. Aus diesen Gründen ist die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen. Da die Kläger auf die Unzulässigkeit hingewiesen haben, ist die Beklagte zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung verpflichtet (§§ 41, 50 ZPO).

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