European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00014.23G.0221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.288,34 EUR (darin enthalten 381,39 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist eine von zwei Töchtern des Beklagten und seiner 2021 verstorbenen Ehefrau (Erblasserin), mit der er 2015 in einer Rechtsanwaltskanzlei ein fremdhändiges, gemeinschaftliches Testament errichtete. Indiesem setzten sie einander zu Alleinerben ein und beschränkten ihre Kinder auf den Pflichtteil. Nach Verfassung des Testaments fertigte der Testamentserrichter einen Ausdruck an und ging die Verfügung mit den Testatoren, denen klar war, dass sie ihren letzten Willen bekunden, durch.
Punkt (10) der Verfügung lautet wie folgt:
„Diese letztwillige Verfügung haben wir selbst gelesen und in gleichzeitiger und ununterbrochener Gegenwart der drei ersuchten Testamentszeugen bestätigt, dass dessen Inhalt unserem letzten Willen vollkommen entspricht. Wir haben hierauf die letztwillige Verfügung vor den drei Zeugen unterschrieben und haben auch diese mit einem auf ihre Zeugeneigenschaft hinweisenden Zusatz unterfertigt.“
[2] Der Testamentserrichter informierte (anschließend) zwei zufällig in seiner Kanzlei anwesende Personen von der Testamentserrichtung und ersuchte sie, als Zeugen zu fungieren. Diese waren einverstanden und unterfertigten in Anwesenheit der Verfügenden mit einem auf ihren Zeugenstatus hinweisenden Zusatz. Ebenso unterfertigte der Testamentserrichter (als Zeuge) und die Verfügenden vor den beigezogenen Zeugen.
[3] Nach dem Tod der Erblasserin wurde ihr Nachlass dem Beklagten aufgrund des Testaments zur Gänze eingeantwortet.
[4] Das Erstgericht bejahte die Formwirksamkeit der Verfügung, weil eine eigenhändig geschriebene Nuncupatio nach § 579 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 nicht erforderlich gewesen sei, und wies das Begehren der Erbschaftsklägerin als gesetzliche Erbin auf Abtretung eines Drittels des dem Beklagten eingeantworteten Nachlasses – sowie auch eventualiter erhobene, auf Pflichtteilsrecht gestützte Zahlungs- und Auskunftsbegehren – ab.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und verpflichtete den Beklagten zur Abtretung eines Drittels der Erbschaft. Die bloße Unterfertigung des Testaments durch die Verfügenden vor den Zeugen stelle keine ausreichende Bekräftigung dar. Diese könne auch nicht durch die Testamentsklausel, wonach der letzte Wille bekräftigt worden sei, ersetzt werden. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu. Zwar gehe aus der bisherigen Rechtsprechung klar hervor, dass eine bloße gemeinsame Unterfertigung nicht ausreiche. Allerdings könne aus dem – für viele Fälle ähnlich gelagerten – Umstand der Testamentserrichtung in einer dafür eigens aufgesuchten Rechtsanwaltskanzlei allenfalls eine andere Beurteilung resultieren.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die Revision des Beklagten, mit der er eine Abänderung im Sinn einer Abweisung der Klage, hilfsweise die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen anstrebt, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist.
[7] 1. Gemäß dem aufgrund des Errichtungszeitpunkts anzuwendenden § 579 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 (§ 1503 Abs 7 Z 5 ABGB) muss der Erblasser vor drei fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein mussten, ausdrücklich erklären, dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte.
[8] 2. Die Nuncupatio ist ein selbstständiges Solennitätserfordernis, welches nicht schon durch die Unterfertigung der allographen letztwilligen Verfügung erfüllt wird. Der bloße subjektive Eindruck der Testamentszeugen, ob das Schriftstück den letzten Willen des Testators enthält, ist für sich unerheblich, solange dieser Eindruck nicht durch ein bestimmtes Verhalten des Testators vermittelt wird. Die Anforderungen an die Ausdrücklichkeit der Nuncupatio sind (auch) im Hinblick auf ihren Zweck, das Unterschieben einer vom Testator nicht gewollten letztwilligen Verfügung zu verhindern, streng zu prüfen (RS0128630). Da im Gesetz nicht vorgeschrieben ist, mit welchen Worten der Testator die Erklärung nach § 579 ABGB abzugeben hat, kann nur verlangt werden, dass aus ihnen entnommen werden konnte, dass der Testator in dem ihm vorliegenden Schriftstück seinen letzten Willen erblickt, ohne dass dessen Inhalt den Zeugen auch zur Kenntnis gebracht werden müsste (RS0015438). Die „ausdrückliche“ Erklärung im Sinne des § 579 ABGB kann auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden (RS0012469).
[9] Ob eine über die Unterschrift hinausgehende, ausdrückliche Erklärung des Erblassers vorliegt, ist unter Berücksichtigung seines gesamten – und schon deshalb stark einzelfallabhängigen – Verhaltens zu beurteilen (2 Ob 134/17w Pkt 3.). Da der Erblasser die Nuncupatio aber nicht gegenüber irgendeiner Person, sondern vor den Testamentszeugen ausdrücklich zu erklären hat, kommt es nur auf sein Gesamtverhalten ihnen gegenüber und nicht auf Vorgänge an, die die Zeugen nicht wahrgenommen haben (vgl 5 Ob 185/12k Pkt 3.1.).
[10] Die Nuncupatio stellt daher zusammengefasst eine Bestätigung des Erblassers gegenüber den Testamentszeugen durch „ausdrückliche Erklärung“ dar, dass der betreffende „Aufsatz“ gerade seinen letzten Willen beinhalte (5 Ob 185/12k Pkt 3.2.; 2 Ob 167/22f Rz 20).
[11] Die bloße Unterfertigung eines Testaments, dessen Text – wie hier – eine ausdrückliche Bestätigung enthielt, sah der Oberste Gerichtshof bereits zu 2 Ob 134/17w als nicht ausreichend an.
[12] 3.1 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es liege keine ausreichende Bekräftigung des letzten Willens vor, entspricht den dargelegten Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Der Umstand alleine, dass auch andere gleich gelagerte Fälle vorhanden sein könnten oder neue Sachverhaltselemente vorliegen, bewirkt keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042742 [T11, T12, T13]; RS0042816).
[13] 3.2 Nach den getroffenen Feststellungen setzten die Verfügenden gegenüber den beiden aufgrund ihrer zufälligen Anwesenheit beigezogenen Zeugen überhaupt kein – über die bloße Unterschriftsleistung hinausgehendes – (Erklärungs‑)Verhalten, aus dem diese entnehmen hätten können, dass gerade die vorliegende Urkunde ihren letzten Willen beinhalte. Dass sie sich gerade zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung in eine Rechtsanwaltskanzlei begeben haben und der Testamentserrichter die Verfügung nach deren Ausdruck (nur) mit ihnen durchgegangen ist, stellt gegenüber den erst später hinzugezogenen Zeugen keine Bekräftigung dar. Allein aus diesem – von den Zeugen auch nicht wahrgenommenen Verhalten – kann nämlich in keiner Weise zweifelsfrei abgeleitet werden, dass gerade die konkret vorliegende Verfügung den letzten Willen enthält. Auch die in der Urkunde enthaltene Klausel, gegenüber den Zeugen bestätigt zu haben, diese enthalte den letzten Willen, vermag eine tatsächlich erfolgte Bekräftigung nicht zu ersetzen, weil damit dem Zweck der Nuncupatio, die Unterschiebung eines letzten Willens zu verhindern, nicht entsprochen wird.
[14] 3.3 Sekundäre Feststellungsmängel im Zusammenhang mit dem Verhalten und Äußerungen der Testatoren gegenüber den Zeugen bei Unterfertigung liegen schon mangels entsprechenden Tatsachenvorbringens des für die Gültigkeit behauptungs- und beweispflichtigen beklagten Testamentserben (5 Ob 185/12k Pkt 1.1.; 2 Ob 134/17w Pkt 3.) nicht vor (RS0053317 [T2, T4]). Dieser hat sich in erster Instanz nämlich bloß darauf berufen, das Testament enthalte in seinem Punkt 10 eine ausreichende Bekräftigung, weil ein eigenhändig geschriebener Zusatz nicht erforderlich sei. Dass darüber hinaus eine – dem Urkundentext entsprechende – „ausdrückliche Erklärung“ gegenüber den Testamentszeugen auch tatsächlich erfolgt wäre, hat der Beklagte nicht behauptet.
[15] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dient (RS0112296).
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