OGH 2Ob141/99w

OGH2Ob141/99w1.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Hans S*****, vertreten durch Dr. Werner Neuner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) V***** AG, *****, 2.) Andrea B*****, beide vertreten durch Dr. Peter Zauner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 876.599,-- s. A. infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 1999, GZ 16 R 224/98y-41, womit infolge der Berufungen sämtlicher Streitteile das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 7. September 1998, GZ 5 Cg 65/96g-35, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 11. 2. 1995 ereignete sich in Wien ein Verkehrsunfall, an dem Hans S***** als Fußgänger und die Zweitbeklagte als Lenkerin eines bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten PKWs beteiligt waren.

Mit der Behauptung, Hans S***** habe als Fußgänger die Fahrbahn ordnungsgemäß überquert, der Unfall sei auf das Alleinverschulden der Zweitbeklagten zurückzuführen, der ein Aufmerksamkeitsfehler und eine Reaktionsverspätung vorzuwerfen sei, begehrte die klagende Verlassenschaft den Ersatz des unfallskausalen Schadens von S 876.599,-- s. A. Dieser errechne sich aus S 400.000,-- abzüglich einer Teilzahlung von S 30.000,--, somit S 370.000,-- an Schmerzengeld sowie den unfallsbedingten Mehraufwendungen bis zum Tod des Hans S***** von S 820.297,-- abzüglich Eigenersparnis S 70.287,-- und abzüglich des von der Krankenkasse geleisteten Pflegegeldes von S 243.411,--.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 396.039,05 s. A. statt und wies das Mehrbegehren von S 480.559,50 s. A. ab. Es traf Feststellungen zum Unfallshergang und stellte weiters unter anderem fest, daß Hans S***** nach dem Unfall Auslagen hatte, wie sie aus den dem Urteil angeschlossenen Aufstellungen ersichtlich sind. Die PVA leistete eine Beitragszahlung (Pflegegeld) für insgesamt 21 Monate von zusammen S 243.411,--. Die in den angeschlossenen Aufstellungen ersichtlichen Ausgaben sind zur Gänze unfallskausal, ausgenommen jedoch die Begräbniskosten von S 54.520,--.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß Hans S***** gegen die Bestimmung des § 76 Abs 1 StVO verstoßen habe. Die Zweitbeklagte treffe der Vorwurf, daß sie nicht rechtzeitig reagiert habe. Es sei daher von einem gleichteiligen Verschulden der Unfallsbeteiligten auszugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, jener der klagenden Partei Folge und verurteilte die Beklagten - auf Basis einer Verschuldensteilung von 2 : 1 zu ihren Lasten - zur Zahlung von S 538.052,66 s. A.; das Mehrbegehren von S 338.546,34 s. A. wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision - mangels Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung - nicht zulässig sei. Zur Berufung der Beklagten führte es im wesentlichen folgendes aus:

Richtig sei, daß die Beklagten in ihrem Schriftsatz ON 5 vorgebracht hätten, daß aufgrund der nicht unerheblichen Leistungen der Sozialversicherungsträger es aufgrund der Legalzession zu einer Konkurrenz mit einer übersteigenden Forderung des Klägers komme, wobei nach ständiger Judikatur die Ansprüche des Sozialversicherungsträgers vorrangig zu befriedigen seien; es werde Sache des Klägers sein, seine Forderung entsprechend zu konkretisieren und aufzuschlüsseln. Zu diesem Zeitpunkt sei die Aufstellung des Klägers über seine Ansprüche den Beklagten bereits vorgelegen. In weiterer Folge hätten diese es unterlassen, ihren Einwand zu konkretisieren bzw ein Vorbringen zu erstatten. Der Übergang von Schadenersatzansprüchen auf den Sozialversicherungsträger im Wege der Legalzession nach § 332 Abs 1 ASVG könne nur über Einwendung in erster Instanz berücksichtigt werden, wobei Tatsachen vorgebracht werden müssten, aus denen sich der rechtliche Mangel der Sachlegitimation des Klägers ergebe. Die Beklagten hätten es außer in den genannten Rechtsausführungen unterlassen, ein konkretes Vorbringen zu erstatten. Ihre nunmehrigen Ausführungen in der Berufung verstießen gegen das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot. Zu Recht habe daher das Erstgericht sich mit diesem Problem nicht auseinandergesetzt.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren hinsichtlich eines S 456.915,67 übersteigenden Betrages abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Es besteht zwar kein Anlaß zu grundlegenden Ausführungen des Obersten Gerichtshofs, die Revision ist aber im Interesse der Rechtssicherheit dennoch zulässig (vgl Kodek in Rechberger, § 502 ZPO Rz 3); sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend machen die Rechtsmittelwerber geltend, daß sie bereits im Schriftsatz ON 5 auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers hingewiesen haben. Auch die klagende Partei selbst hat die Leistungen des Sozialversicherungsträgers bei der Berechnung der Klagsforderung - allerdings ohne Beachtung des Quotenvorrechts - in Abzug gebracht (ON 24) und damit die sachliche Kongruenz anerkannt (vgl 2 Ob 216/97x). Jedenfalls im Zusammenhang mit dem Vorbringen der klagenden Partei war die Einwendung der Beklagten hinreichend substantiiert; der Vorwurf des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten es unterlassen, in erster Instanz ein konkretes Vorbringen zu erstatten, und mit ihren diesbezüglichen Berufungsausführungen gegen das Neuerungsverbot verstoßen, ist unberechtigt. Zu den Ausführungen des Berufungsgerichts über eine allfällige Pflegebedürftigkeit des verletzten Fußgängers vor dem Unfall wird auf die Feststellungen des Erstgerichts verwiesen, wonach der Verletzte bis zum Unfall alleine lebte und alleine zurecht kam.

Die Vorinstanzen hätten das Quotenvorrecht somit auf der Basis der getroffenen Feststellungen berücksichtigen müssen (vgl 2 Ob 2380/96f; 2 Ob 180/97b; RIS-Justiz RS0084869). Dies bedeutet, daß zunächst eine dem Mitschuldverhältnis entsprechende Teilung des Gesamtschadens vorzunehmen und der auf diese Weise ermittelte Betrag um die Gesamtsumme der dem Kläger gewährten Sozialversicherungsleistungen zu kürzen ist (RIS-Justiz RS0026975; zuletzt 2 Ob 2380/96f und 2 Ob 180/97b mwN; Neumayr in Schwimann2 Bd 8 § 332 ASVG Rz 76 ff).

Die Durchführung dieser Berechnung wird gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO dem Berufungsgericht überlassen. Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der Berufungsentscheidung an die zweite Instanz zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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