Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Das Erstgericht hielt für die vom Kläger erlittenen Schmerzen nach einem Unfall am 5. 2. 2008 ein Schmerzengeld von 26.400 EUR für angemessen und verurteilte die Beklagten (die Erstbeklagte als Herstellerin gemäß § 1 PHG, die Zweitbeklagte als Herstellerin gemäß § 3 PHG) zur ungeteilten Hand, dem Kläger (einschließlich der mit 40 EUR bemessenen Pauschalunkosten) 26.440 EUR sA zu bezahlen. Weiters gab es dem Feststellungsbegehren statt. Das Mehrbegehren von 200 EUR sA sowie das Begehren auf jährliche Zahlung von 1.500 EUR ab 5. 2. 2008, zahlbar jeweils am 5. 2. des Folgejahres sA wies es ab.
Beide Beklagten erhoben gegen dieses Urteil jeweils eine gesonderte Berufung.
Die Erstbeklagte rügte unter anderem in der Rechtsrüge, das vom Erstgericht zuerkannte Schmerzengeld sei angesichts der erlittenen und künftig zu erwartenden Schmerzen des Klägers weitaus überhöht.
Die Zweitbeklagte relevierte als Verfahrensmangel, dass das Erstgericht zusätzlich zum unschlüssigen medizinischen Gutachten nicht ein zweites Gutachten eingeholt oder wenigstens eine Ergänzung des vorhandenen Gutachtens veranlasst habe. Die Unschlüssigkeit des Gutachtens sei für das Ausmaß der künftig anfallenden Schmerzen wesentlich. In der Rechtsrüge der Zweitbeklagten wird die Höhe des vom Erstgericht ausgemessenen Schmerzengelds nicht audrücklich bekämpft.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil zum Leistungsbegehren dahingehend ab, dass es die Beklagten zur ungeteilten Hand verurteilte, dem Kläger 18.440 EUR sA zu bezahlen, das Leistungsmehrbegehren wies es ab.
Das Berufungsgericht führte bei der Behandlung der Rechtsrüge der Berufung der Erstbeklagten aus, das vom Erstgericht ausgemessene Schmerzengeld sei deutlich überhöht, es seien statt 26.400 EUR nur 18.400 EUR angemessen.
Bei der Behandlung der Rechtsrüge der Zweitbeklagten führte es aus, zufolge gesetzmäßiger Rechtsrüge sei die rechtliche Beurteilung allseitig zu überprüfen. Die bei Behandlung der Berufung der Erstbeklagten dargestellten Erwägungen zur Schmerzengeldbemessung würden in gleicher Weise für den Anspruch des Klägers gegenüber der Zweitbeklagten gelten. Daher stehe dem Kläger auch gegenüber dieser nur ein um 8.000 EUR geringerer Schmerzengeldbetrag zu.
Erst über Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO ließ das Berufungsgericht die Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO zu. Ob im Hinblick darauf, dass der Revisionswerber dem Berufungsgericht eine Überschreitung des Nachprüfungsrahmens bei Behandlung der Rechtsrüge der Zweitbeklagten vorwerfe, eine Korrektur des berufungsgerichtlichen Urteils im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich sei, sei vom Höchstgericht zu beurteilen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts nur hinsichtlich der Zweitbeklagten richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Zweitbeklagte zu einer weiteren Zahlung von 8.000 EUR sA zu verurteilen.
Die Zweitbeklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Der Revisionswerber beruft sich auf jene oberstgerichtliche Rechtsprechung, wonach bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge die allseitige rechtliche Prüfpflicht des Berufungsgerichts insofern eingeschränkt sei, als solche selbständig beurteilbaren Rechtsgründe, die der Rechtsmittelwerber nicht releviere, nicht zu prüfen seien. Das Berufungsgericht sei von dieser Rechtsprechung abgewichen, was eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts aufwerfe. Die Zweitbeklagte habe in der Rechtsrüge ihrer Berufung nämlich die Schmerzengeldbemessung des Erstgerichts nicht bekämpft. Dass die Erstbeklagte die Höhe des Schmerzengelds bekämpft habe, wirke sich gemäß § 13 ZPO nicht zugunsten der Zweitbeklagten aus. Überdies wäre ein höheres als das vom Berufungsgericht ausgemessene Schmerzengeld angemessen.
Hiezu wurde erwogen:
Die Beklagten sind materielle Streitgenossen gemäß § 11 Z 1 ZPO, weil sie solidarisch verpflichtet sind. Sie bilden hingegen keine einheitliche Streitpartei gemäß § 14 ZPO, weil sich die Wirkung des zu fällenden Urteils weder kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses noch kraft gesetzlicher Vorschrift (Das PHG enthält keine derartige Norm, § 10 PHG ordnet lediglich Solidarhaftung mehrerer Haftpflichtiger an.) auf beide Beklagten erstreckt. Gemäß § 13 ZPO ist jeder der Streitgenossen dem Gegner gegenüber im Prozess derart selbständig, dass die Handlungen oder Unterlassungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen. Dies gilt auch für die Selbständigkeit der Rechtsmittel (vgl Schubert in Fasching/Konecny 2 § 13 ZPO Rz 8). Die Bekämpfung der Schmerzengeldhöhe durch die Erstbeklagte in deren Berufung wirkt sich daher nicht zum Vorteil der Zweitbeklagten aus.
Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, dass nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung das Berufungsgericht bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge zwar grundsätzlich die rechtliche Beurteilung allseitig zu überprüfen hat, jedoch bei Vorliegen mehrerer selbständig zu beurteilender Rechtsfragen an eine Beschränkung der Berufungsgründe gebunden ist (RIS-Justiz RS0043352 [T26, vgl T31, T34]).
Im vorliegenden Fall hat die Zweitbeklagte in ihrer Berufung in der Rechtsrüge zwar nicht ausdrücklich die Höhe des Schmerzengelds bekämpft. Mit ihren oben dargestellten Ausführungen in der Verfahrensmängelrüge lässt sie aber noch hinreichend deutlich erkennen (vgl RIS-Justiz RS0041851), dass sie auch mit der erstgerichtlichen Schmerzengeldbemessung nicht einverstanden ist. Unter diesen Umständen kann dem Berufungsgericht eine krasse, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung im Verfahrensrecht nicht vorgeworfen werden, wenn es die Schmerzengeldbemessung noch als von dem von der Berufung der Zweitbeklagten gezogenen Prüfungsrahmen umfasst angesehen hat.
Hinsichtlich der Schmerzengeldbemessung zeigt der Revisionswerber keine eklatante Fehlbemessung durch das Berufungsgericht auf, weshalb auch insofern keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RIS-Justiz RS0021095 [T1] ua).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Streitgenossenzuschlag gemäß § 15 RATG steht nicht zu, weil der Zweitbeklagtenvertreter nur eine Partei vertritt und die Zweitbeklagte nur dem Kläger als Revisionswerber (die Nebenintervenientin auf Klagsseite hat keine Revision erhoben) gegenübersteht.
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