OGH 2Ob134/21a

OGH2Ob134/21a14.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2017 verstorbenen H* B*, im Verfahren über die Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. C* M*, 2. Mag. G* B*, beide vertreten durch Gärner Perl‑Böck Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 3. I* B*, vertreten durch Dr. Carina Romanek, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch PRIME LAW El‑Juaneh Romanek Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Genehmigung eines Antrags des Verlassenschaftskurators auf Feststellung der Nichtabstammung, über den Revisionsrekurs des Drittantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juni 2021, GZ 45 R 214/21k‑119, womit infolge Rekurses des Drittantragstellers der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. März 2021, GZ 80 A 198/17w‑113, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00134.21A.1214.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass er folgendermaßen zu lauten hat:

„Der Antrag des Verlassenschaftskurators auf verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung des Antrags auf Feststellung der Nichtabstammung des Drittantragstellers vom Erblasser wird abgewiesen.“

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

 

Begründung:

[1] Die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller sind die Kinder aus der ersten Ehe des am 24. 10. 2017 verstorbenen Erblassers, der österreichischer Staatsbürger war. In seinem Testament vom 22. 7. 1989 setzte sie der Erblasser zu gleichen Teilen zu Erben seines Vermögens ein.

[2] Am 9. 1. 1995 schloss der Erblasser mit der Mutter des Drittantragstellers, einer damals kubanischen Staatsangehörigen, in Kuba die Ehe. Am 26. 5. 1997 erfolgte eine einvernehmliche Scheidung dieser Ehe in Kuba durch notarielle Urkunde. Der Drittantragsteller wurde am 9. 12. 1998 in Wien geboren. Der Erblasser wusste bereits bei der Geburt des Drittantragstellers, dass dieser nicht sein leiblicher Sohn war, was die Mutter später auch schriftlich bestätigte. Weder der Erblasser noch die Mutter des Drittantragstellers betrieben in Österreich die Anerkennung der in Kuba erfolgten Scheidung. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. 5. 2002 wurde die in Kuba geschlossene Ehe des Erblassers mit der Mutter des Drittantragstellers im Einvernehmen geschieden (§ 55a EheG).

[3] Die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller gaben aufgrund des Testaments vom 22. 7. 1989 jeweils bedingte Erbantrittserklärungen zur Hälfte des Nachlasses ab. Der Drittantragsteller gab aufgrund des Gesetzes die bedingte Erbantrittserklärung zu einem Drittel des Nachlasses ab.

[4] Im Verfahren über das Erbrecht hob der erkennende Senat mit Beschluss vom 26. 5. 2020, 2 Ob 87/19m, die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Senat führte zusammengefasst aus, der Drittantragsteller sei als eheliches Kind des Erblassers anzusehen, weil für den österreichischen Rechtsbereich die Ehe zwischen dem Erblasser und der Mutter des Drittantragstellers bei dessen Geburt aufrecht gewesen sei. § 775 Abs 2 ABGB idF des ErbRÄG 2015 umfasse auch den hier beim Drittantragsteller vorliegenden Agnationsfall. Ob diesem ein Erbrecht zustehe, könne noch nicht abschließend beurteilt werden, weil die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller als Testamentserben die gesetzliche Vermutung des § 775 Abs 2 Satz 2 ABGB widerlegen könnten. Dazu gebe es widerstreitendes Vorbringen der Erstantragstellerin und des Zweitantragstellers einerseits und des Drittantragstellers andererseits, Feststellungen seien nicht getroffen worden. Die für den Fall der Erbenstellung des Drittantragstellers (zu einem Drittel) beantragte Entscheidung über eine Bestreitung der Ehelichkeit könnte nicht (inzidenter) im Verlassenschaftsverfahren erfolgen, sondern nur in einem Abstammungsverfahren nach den §§ 82 ff AußStrG.

[5] In der Folge brachte der im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser bestellte Verlassenschaftskurator bei dem für den Drittantragsteller zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung des Drittantragstellers vom Erblasser ein. Dieses Gericht trug der Verlassenschaft die Vorlage der verlassenschaftsgerichtlichen Genehmigung dieses Antrags auf (§ 167 Abs 3 ABGB).

[6] Daraufhin beantragte der Verlassenschaftskurator beim Erstgericht die verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung des Antrags auf Feststellung der Nichtabstammung des Drittantragstellers vom Erblasser.

[7] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag. Es sei im Interesse des ruhenden Nachlasses gelegen, dass die entsprechenden erbrechtlichen Verhältnisse geklärt würden.

[8] Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss dem Rekurs des Drittantragstellers nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Auf Vertretungshandlungen des Verlassenschaftskurators sei § 167 Abs 3 ABGB sinngemäß anzuwenden. Im Genehmigungsverfahren nach dieser Norm sei eine grobe Vorprüfung der Erfolgsaussichten vorzunehmen. Hier sei erst durch die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs im erwähnten Beschluss vom 26. 5. 2020 klargestellt worden, dass der Drittantragsteller als eheliches Kind des Erblassers gelte. Die Argumentation des Verlassenschaftskurators, die Frist zur Antragstellung im Sinn des § 153 Abs 1 ABGB könnte – möglicherweise in Folge deren Hemmung – noch nicht abgelaufen sein, sei daher nicht von der Hand zu weisen. In der Lehre werde beispielsweise darauf hingewiesen, es sei nicht ausdrücklich geregelt, ob der Lauf der Antragsfrist in Gang gesetzt werde, wenn zwar außer Streit stehe, dass der nach § 144 Abs 1 Z 1 ABGB als Vater vermutete Mann das Kind nicht gezeugt haben konnte, dieser Mann den Antrag nach § 151 ABGB aber nur deshalb nicht stelle, weil er meine, die Tatsache, dass er nicht der Erzeuger des Kindes sei, könne von jedermann in jedem Verfahren behauptet und bewiesen werden. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werde.

[9] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Drittantragstellers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinn der Abweisung auf Genehmigung des Antrags auf Feststellung der Nichtabstammung des Drittantragstellers vom Erblasser abzuändern und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens aufzutragen.

[10] Die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller beantragen in ihrer ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[11] Der Verlassenschaftskurator beteiligte sich am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

[12] Der Revisionsrekurs ist wegen einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zulässig; er ist auch berechtigt.

[13] Der Revisionsrekurswerber macht geltend, die Ausschlussfrist gemäß § 153 ABGB knüpfe nur an die Kenntnis jener Umstände an, die für die Nichtabstammung des Kindes vom Ehemann der Mutter sprächen. Der Wortlaut der Bestimmung lasse die Auslegung, fristauslösend wäre erst eine höchstgerichtliche Klarstellung über das Bestehen der Vaterschaft, nicht zu. Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung habe die Rechtsunkenntnis des Ehemanns betreffend die gesetzliche Befristung der Bestreitungsklage nach § 156 ABGB aF keinen Einfluss auf den Beginn des Laufs dieser Frist. Einer Genehmigung der Antragstellung auf Feststellung der Nichtabstammung stehe daher das Interesse des ruhenden Nachlasses auf Nichtschmälerung der Vermögensmasse durch die Verfahrenskosten eines aussichtslosen Verfahrens entgegen.

Hierzu wurde erwogen:

1. Ergänzende Tatsachenfeststellungen

[14] Aus dem Akteninhalt, aus dem unstrittigen Parteienvorbringen und aus Urkunden, die in ihrer Echtheit vom Gegner des Vorlegers nicht bestritten wurden (vgl RS0121557 [T2, T3]), wird Folgendes festgehalten:

[15] Die Scheidung des Erblassers von der Mutter des Drittantragstellers am 26. 5. 1997 in Kuba wurde in Österreich nicht anerkannt (ON 41, 2).

[16] Im Zeitpunkt der Geburt des Drittantragstellers war seine Mutter kubanische Staatsbürgerin (übereinstimmende Behauptung der Streitteile: ON 28, 2; ON 57, 7). Sie war damals nicht auch österreichische Staatsbürgerin (übereinstimmende Behauptung der Streitteile: ON 30, 6; ON 108, 4: „Damit erreichte [Mutter des Drittantragstellers] ihr Ziel, dass … sie … in weiterer Folge selbst die österreichische Staatsbürgerschaft in Österreich bekam.“).

[17] Für den Drittantragsteller wurde am 21. 12. 1998 ein österreichischer Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt (Beilage ./6 bei ON 30).

2. Anwendbares Recht

[18] 2.1. Im Zeitpunkt der Geburt des Drittantragstellers (* 1998)

[19] 2.1.1. Im Zeitpunkt der Geburt des Drittantragstellers lautete der hier maßgebliche § 21 IPRG folgendermaßen:

„Die Voraussetzungen der Ehelichkeit eines Kindes und deren Bestreitung sind nach dem Personalstatut zu beurteilen, das die Ehegatten im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder, wenn die Ehe vorher aufgelöst worden ist, im Zeitpunkt der Auflösung gehabt haben. Bei verschiedenem Personalstatut der Ehegatten ist dasjenige Personalstatut maßgebend, das für die Ehelichkeit des Kindes günstiger ist.“

[20] Nach § 9 Abs 1 IPRG ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staats, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend.

[21] Da nach der Vorentscheidung 2 Ob 87/19m die Scheidung in Kuba in Österreich nicht rechtswirksam ist und der Erblasser und die Mutter des Drittbeklagten im Zeitpunkt von dessen Geburt Angehörige verschiedener Staaten waren, kommt § 21 Satz 2 IPRG zur Anwendung. Es kommt also für die Frage, nach welchem Recht die Ehelichkeitsbestreitung zu beurteilen ist, darauf an, welches Personalstatut für die Ehelichkeit günstiger ist.

2.1.2. Beurteilung nach österreichischem Recht

[22] In der Vorentscheidung 2 Ob 87/19m wurde dargelegt, dass der Drittantragsteller (in Österreich nach österreichischem Recht) als eheliches Kind des Erblassers und seiner Mutter anzusehen ist.

2.1.3. Beurteilung nach kubanischem Recht

[23] 2.1.3.1. Für die Beurteilung nach kubanischem Recht ist zunächst zu fragen, ob die Scheidung in Kuba nach kubanischem Recht gültig ist. Die Erstantragstellerin und der Zweitantragsteller haben die Gültigkeit dieser Scheidung behauptet. Der Drittantragsteller hingegen hat behauptet, diese Scheidung sei (auch für den kubanischen Rechtsbestand) nie rechtsgültig geworden. Zu dieser Rechtsbehauptung hat er aber als Tatsache lediglich vorgebracht, es habe an der kubanischen Scheidung kein Gericht, sondern lediglich eine Notarin mitgewirkt.

[24] 2.1.3.2. Nach Art 43 Z 4 des kubanischen Familiengesetzbuchs vom 14. 2. 1975 in der seit 1994 gültigen Fassung erlischt das Eheband ua auch durch eine vor dem Notar errichtete Scheidungsurkunde.

[25] Nähere Bestimmungen dazu sieht das Gesetzesdekret über die notarielle Ehescheidung vom 6. 9. 1994 vor. Nach Art 1 leg cit erfolgt die Scheidung durch notarielle Urkunde, wenn zwischen den Eheleuten gegenseitiges Einvernehmen über die Auflösung des ehelichen Bandes und ihre sofortige Rechtswirksamkeit besteht und die Staatsanwaltschaft keine gegenteilige Stellungnahme abgibt. Aus den folgenden Bestimmungen dieses Dekrets ergibt sich zusammengefasst, dass die Staatsanwaltschaft nur die Interessen des Wohls der gemeinsamen minderjährigen Kinder zu wahren hat. Nach Art 9 leg cit hat die notarielle Scheidungsurkunde unmittelbar und sofort Rechtskraft und alle rechtlichen Wirkungen ab dem Datum ihrer Ausstellung.

[26] 2.1.3.3. Da im Zeitpunkt der kubanischen Scheidung die Ehe kinderlos war (Gegenteiliges hat niemand behauptet; dieses Faktum ist auch der Scheidungsurkunde zu entnehmen), kam der Staatsanwaltschaft im Zuge der Scheidung keine Funktion zu; dass diese überhaupt involviert gewesen oder der Scheidung widersprochen hätte, hat auch der Drittantragsteller nicht behauptet.

[27] Die kubanische Scheidung ist daher entsprechend den dargestellten Normen als nach kubanischem Recht gültig anzusehen.

[28] 2.1.3.4. Nach Art 74 des kubanischen Familiengesetzbuchs wird vermutet, dass Kinder von verheirateten Personen die während der Ehe geborenen und die bis zu 300 Tage nach der Auflösung des ehelichen Bandes geborenen sind, wenn die Mutter nicht in der Zwischenzeit geheiratet hat.

[29] 2.1.3.5. Da der Drittantragsteller später als 300 Tage nach der Scheidung in Kuba geboren wurde, war er nach kubanischem Recht unehelich.

[30] 2.1.4. Aus dem Vergleich beider Rechtsordnungen folgt somit, dass im Zeitpunkt der Geburt des Drittantragstellers das österreichische Personalstatut des Vaters und somit das österreichische Recht als das für die Ehelichkeit günstigere maßgeblich ist.

2.2. Im Zeitpunkt der Scheidung in Österreich (6. 5. 2002)

[31] Im Zeitpunkt der Scheidung in Österreich war nach § 21 Satz 2 IPRG in der damals geltenden Fassung (BGBl I 2000/135) für die Ehelichkeit und deren Bestreitung bei verschiedenem Personalstatut der Ehegatten das Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt der Geburt maßgebend.

[32] Nun steht zwar die Staatsbürgerschaft des Drittantragstellers im Zeitpunkt seiner Geburt nicht ausdrücklich fest, wohl aber aus dem erwähnten Staatsbürgerschaftsnachweis für den * 1998, also zwölf Tage nach seiner Geburt. Da nach den damaligen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes (StbG) als Erwerbstatbestand nur die Abstammung (§ 6 Z 1 StbG; vgl die weiteren Erwerbstatbestände nach § 6 Z 2 bis 5 StbG: Verleihung, Dienstantritt als Universitätsprofessor, Erklärung, Anzeige) in Frage kommt, muss der Drittantragsteller die österreichische Staatsbürgerschaft kraft (ehelicher) Abstammung vom Erblasser im Zeitpunkt seiner Geburt erworben haben (§ 7 Abs 1 lit a StbG in der damals geltenden Fassung). Der Drittantragsteller war somit im Zeitpunkt seiner Geburt österreichischer Staatsbürger, sodass auch im Zeitpunkt der Scheidung in Österreich für die Ehelichkeit und die Bestreitung österreichisches Recht anzuwenden ist.

[33] 2.3. Die Ehelichkeitsbestreitung ist daher zu beiden in Frage kommenden Zeitpunkten nach österreichischem Recht zu beurteilen.

3. Erfolgsaussichten eines Antrags auf Feststellung der Nichtabstammung des Drittantragstellers vom Erblasser

[34] 3.1. Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, dass für die gerichtliche Genehmigung von Vertretungshandlungen des Verlassenschaftskurators sinngemäß § 167 Abs 3 ABGB anzuwenden ist (RS0129074). Bei der Frage, wann nach § 167 Abs 3 ABGB die Erhebung der Klage (hier: die Antragstellung) zu genehmigen oder die Genehmigung zu versagen ist, ist eine grobe Vorprüfung der Erfolgsaussichten anzustellen (RS0048142; RS0108029).

[35] 3.2. Hier kommt es für diese Beurteilung maßgeblich darauf an, wie sicher beurteilt werden kann, ob die Frist für die Bestreitung der Ehelichkeit abgelaufen ist.

[36] In den dafür in Frage kommenden Zeitpunkten (nämlich – wie noch auszuführen sein wird – Geburt des Drittantragstellers am * 1998 und Scheidung in Österreich am 6. 5. 2002) lautete § 156 ABGB folgendermaßen:

„(1) Der Ehemann der Mutter kann die Ehelichkeit des Kindes binnen Jahresfrist bestreiten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen. Sie beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes.

(3) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange der Mann innerhalb der letzten sechs Monate der Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Bestreitung gehindert ist.“

[37] 3.3. Für seine Ansicht, der Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung sei nicht aussichtslos, führt das Rekursgericht eine bei Bernat (in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 153 Rz 6) wiedergegebene Lehrmeinung aus einem deutschen Lehrbuch zum Familienrecht aus dem Jahr 1994 an, die jedoch nicht der von diesem Autor als zutreffend bezeichneten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer dem § 156 Abs 2 ABGB aF vergleichbaren Regelung in § 1594 BGB aF entspricht (NJW-RR 1991, 386). Demnach könne sich der Ehemann nicht auf Rechtsunkenntnis berufen. Das Gesetz knüpfe den Beginn der Antragsfrist an keine andere Voraussetzung als an die Geburt sowie daran, dass der Antragsberechtigte von Umständen Kenntnis erlange, die dafür sprächen, dass er das Kind nicht gezeugt habe.

[38] 3.4. Nach der Entscheidung 3 Ob 553/76 = RS0008675 = EFSlg 26.696 kann sich der Kläger nicht auf eine Rechtsunkenntnis betreffend die gesetzliche Befristung der Bestreitungsklage nach § 156 ABGB aF berufen, wofür die Entscheidung auf § 2 ABGB verweist. Durch diesen Verweis ist klargestellt, dass nicht nur die Rechtsunkenntnis über die gesetzliche Befristung des § 156 ABGB aF, sondern jegliche Unkenntnis des Gesetzes (im materiellen Sinn als generell abstrakte Rechtsnormen) auf den Beginn der Frist keinen Einfluss hat.

[39] 3.5. Keinen Einfluss auf den Beginn des Fristenlaufs nach § 156 Abs 2 ABGB aF hätte hier demnach etwa auch eine allfällige Rechtsunkenntnis des Erblassers darüber gehabt, dass (jedenfalls von 1998 bis 2002) ein während aufrechter Ehe geborenes Kind auch dann als ehelich galt, wenn es (womöglich unstrittig) nicht vom Ehemann der Mutter abstammte (§ 138 Abs 1 Satz 1 ABGB in der damals geltenden Fassung), und dass die Ehelichkeitsvermutung nur durch gerichtliche Entscheidung widerlegt werden konnte (§ 138 Abs 1 Satz 1 ABGB in der 1998 geltenden Fassung).

[40] 3.6. Der Erblasser wusste seit der Geburt des Drittantragstellers, dass dieser nicht sein leiblicher Sohn war. Nach dem Gesagten genügt dieses Wissen für den Beginn des Fristenlaufs des § 156 Abs 2 ABGB aF.

[41] 3.7. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen, der Revisionsrekursgegner und des Verlassenschaftskurators ist aus der Aussage des Senats in der Vorentscheidung 2 Ob 87/19m, die Entscheidung über eine Bestreitung der Ehelichkeit könnte nicht (inzidenter) im Verlassenschaftsverfahren, sondern nur in einem Abstammungsverfahren nach den §§ 82 ff AußStrG erfolgen, weiter nichts abzuleiten. Der Senat hat damit nur die Rechtslage dargestellt, aber zu den Erfolgsaussichten eines Bestreitungsantrags nicht Stellung genommen.

[42] 3.8. Umstände, wonach die Bestreitungsfrist nach § 156 Abs 3 ABGB aF gehemmt worden wäre, wurden weder behauptet noch festgestellt.

[43] 3.9. Aus den dargestellten Erwägungen ist der Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung des Drittantragstellers vom Erblasser wegen längst erfolgten Ablaufs der Bestreitungsfrist nach § 156 Abs 2 ABGB aF aussichtslos. Der Antrag auf verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung dieses Antrags ist daher abzuweisen.

[44] 4. Ein Kostenersatz findet nach § 139 Abs 2 AußStrG nicht statt.

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