OGH 2Ob128/05w

OGH2Ob128/05w21.11.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilfried E*****, vertreten durch Dr. Jürgen Amann und andere Rechtsanwälte in Rankweil, gegen die beklagten Parteien 1.) Karl K*****, und 2.) U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp und Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen EUR 10.720,62 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Februar 2005, GZ 2 R 17/05z-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. November 2004, GZ 9 Cg 222/03m-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 439,72 (darin EUR 73,29 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen wurde der 1958 geborene Kläger am 16. 4. 1979 bei einem Verkehrsunfall am rechten Bein schwer verletzt. Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. 6. 1981, 3 Cg 882/80, wurde dem Kläger ein Schmerzengeld von S 85.000,-- zuerkannt und die Haftung der beklagten Parteien - jene der zweitbeklagten Partei begrenzt mit der Höhe der Haftpflichtversicherungssumme - für alle zukünftigen Schadensfolgen aus dem Verkehrsunfall festgestellt. Seit dem Sommer 2002 leidet der Kläger unter unfallskausalen Beschwerden, die bei Beendigung des Vorprozesses noch nicht vorhersehbar waren. Er wird in Hinkunft (komprimiert) jährlich eine Woche leichte Schmerzen zu erdulden haben.

Der Kläger begehrte von den beklagten Parteien ergänzendes Schmerzengeld von EUR 10.500,-- sowie den Ersatz von Behandlungskosten und pauschalen Unkosten.

Die beklagten Parteien wendeten unter anderem ein, nach der nun möglichen Globalbemessung stehe dem Kläger lediglich ein weiteres Schmerzengeld von EUR 2.500,-- zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit EUR 7.000,-- sA statt und wies das Mehrbegehren von EUR 3.720,62 sA ab. Es bejahte die Voraussetzungen für den Zuspruch eines ergänzenden Schmerzengeldes, welches in Höhe von EUR 7.000,-- zu bemessen sei. Dadurch werde dem Kläger auch nicht mehr zuerkannt, als er bei einmaliger Bemessung des Schmerzengeldes erhalten hätte.

Das nur von den beklagten Parteien in Ansehung eines EUR 2.500,-- übersteigenden Zuspruches an den Kläger angerufene Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Zur Begründung seines - nachträglich abgeänderten - Ausspruches über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte es aus, die Bedeutung der Rechtsfrage, ob bei einer ergänzenden Schmerzengeldbemessung für die Ermittlung des insgesamt zustehenden Globalschmerzengeldes der Schluss der Verhandlung erster Instanz des Vorprozesses oder des Folgeprozesses maßgeblich sei, reiche über den Einzelfall hinaus.

Die von den beklagten Parteien gegen dieses Urteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Nach herrschender Rechtsprechung stellt das Schmerzengeld grundsätzlich eine Globalabfindung für alle eingetretenen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Unfallsfolgen dar. Für seine Bemessung ist das Gesamtbild der Verletzungsfolgen maßgebend. Nur ausnahmsweise ist eine mehrmalige (ergänzende) Schmerzengeldbemessung zulässig (SZ 74/135; ZVR 1999/48; RZ 2002, 64; ecolex 2005/229; 2 Ob 154/03s; 7 Ob 270/04p; RIS-Justiz RS0031082, RS0031235; Danzl/Gutiérrez- Lobos/Müller, Schmerzengeld8 170 f). Es ist unstrittig, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen für eine ergänzende Schmerzengeldbemessung gegeben sind. Eine Schmerzengeldergänzung darf aber insgesamt zu keinem höheren Zuspruch als bei einer einmaligen Globalbemessung führen (ZVR 1990/158; ZVR 1999/50; SZ 74/135; RIS-Justiz RS0031323, RS0031064; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 Rz 49). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bemessung des Schmerzengeldes ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, wobei die seit dem Unfall eingetretene Geldentwertung zu berücksichtigen ist (SZ 74/135; RZ 2002, 64; RIS-Justiz RS0031402 [T 2 und 4]). Frühere Teilzahlungen sind bei der endgültigen Bemessung des Schmerzengeldes entsprechend der inzwischen gesunkenen Kaufkraft des Geldwertes aufzuwerten und anzurechnen (ZVR 1989/203; ZVR 1999/50; RZ 2002/64; 2 Ob 8/05y; RIS-Justiz RS0031242; Reischauer aaO Rz 50; Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller aaO 200).

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit diesen Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang. Diesen ist bereits immanent, dass bei der zulässigen Ausmittlung ergänzenden Schmerzengeldes nicht auf eine fiktive, auf den Zeitpunkt der früheren Teilbemessung rückbezogene Globalbemessung, sondern auf jenen Zeitpunkt abzustellen ist, in welchem die Bemessung endgültig erfolgt.

Auch in der Revision werden keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

Nach Auffassung der beklagten Parteien hätte das Berufungsgericht zunächst klären müssen, welcher Schmerzengeldbetrag im Jahr 1981 im Falle der Vorhersehbarkeit der mittlerweile aufgetretenen Beschwerden des Klägers bei einer Globalbeurteilung - nach der damals aktuellen Rechtsprechung - ermittelt worden wäre. Von diesem Betrag wäre sodann das zugesprochene Teilschmerzengeld abzuziehen und der verbleibende Differenzbetrag unter Bedachtnahme auf die zwischenzeitig eingetretene Geldwertverdünnung aufzuwerten gewesen. Indem das Berufungsgericht diese Vorgangsweise, die der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widerspricht, ablehnte, ist ihm jedenfalls keine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen. Die in der Revision befürchtete Bereicherung des Klägers wird durch die Aufwertung der geleisteten Teilzahlung vermieden. In diesem Zusammenhang übersehen die beklagten Parteien auch, dass die Bedachtnahme auf die Geldwertverdünnung nach ständiger Rechtsprechung lediglich einen im Rahmen der Schmerzengeldbemessung zu berücksichtigenden Umstand darstellt, dem Schädiger aber keinen selbständigen Aufwertungsanspruch hinsichtlich seiner Teilzahlungen gewährt (ZVR 1980/233; ZVR 1989/203; RZ 2002/64).

Im Übrigen ist die Höhe des angemessenen Schmerzengeldes stets eine Frage des Einzelfalles, die - von Fällen eklatanter Fehlbemessung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0042887). Im vorliegenden Fall hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichtes im Rahmen des ihm bei der Bemessung des Schmerzengeldes zustehenden Ermessensspielraumes, sodass auch aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof nicht erforderlich ist. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision des Klägers daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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