OGH 2Ob123/11v

OGH2Ob123/11v28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heidi D*****, vertreten durch Dr. Johann Gelbmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, wegen Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 7. April 2011, GZ 2 R 66/11z-9, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 12. Jänner 2011, GZ 9 C 2034/10m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin und Romana T***** mieteten Ende 2002 bzw Anfang 2003 Räumlichkeiten im ersten Stock eines Hauses in Villach. Das gemeinsame Mietrecht ist nach wie vor aufrecht.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 16. 11. 2010 wurde der Klägerin als betreibender Partei die Pfändung der ihrer Mitmieterin zustehenden Mietrechte an diesem Objekt bewilligt und der Mitmieterin verboten über die genannten Mietrechte zu verfügen. In diesem Verfahren brachte die Klägerin auch einen Antrag ein, sie zu ermächtigen, im Namen und auf Rechnung der Mitmieterin als verpflichtete Partei ein Räumungsverfahren gegen die nunmehr beklagte Partei zur Freimachung des Geschäftslokals durchzuführen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 15. 10. 2007 wurde die Pfändung der der Mitmieterin gehörenden Miteigentumsanteile am Unternehmen „C*****“, einem in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in den gemieteten Räumlichkeiten betriebenen Bordell, bewilligt und der Mitmieterin jede Verfügung über ihren Miteigentumsanteil verboten. Mit Beschluss vom 21. 4. 2010 wurde die Verwertung des Miteigentumsanteils durch Zwangsverwaltung bewilligt und ein Zwangsverwalter bestellt.

Die Klägerin begehrt die Räumung des Bestandobjekts durch die Beklagte mit der Begründung, sie benütze das Mietobjekt ohne Titel.

Die Beklagte bestritt insbesondere die Klagslegitimation der Klägerin. Bei Mitmietern könnten nur beide Mieter gemeinsam über das Mietrecht disponieren. Die Klägerin habe nur das Verfügungsrecht der Mitmieterin über das Mietrecht gepfändet, nicht jedoch die Rechte selbst. Im Übrigen müsse auch der bestellte Zwangsverwalter als Kläger auftreten.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren mit der Begründung ab, Mitmieter seien auch in einem aktiv geführten Räumungsprozess eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO. Die Exekutionen könnten nichts daran ändern, dass die Klägerin als Mitmieterin alleine zur vorliegenden Klage nicht berechtigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Begründung, dass es sich beim Rechtsverhältnis zwischen den Mitmieterinnen um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handle. Forderungen einer solchen Gesellschaft seien in der Regel als Gesamthandforderungen anzusehen, die nur gemeinsam und nicht von einem einzelnen Gesellschafter geltend gemacht werden könnten. Die Klägerin könne daher im besten Fall gemeinsam mit dem Zwangsverwalter ein Räumungsverfahren anstreben, nicht aber alleine. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR. Die ordentliche Revision sei zulässig, insbesondere zur Frage, ob neben dem Zwangsverwalter auch die Mitmieterin das Räumungsverfahren mitanstrengen habe müssen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren Folge zu geben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Zur Durchsetzung des Gesellschaftszwecks sei hier, wie bei jeder Miteigentumsgemeinschaft, jeder Teilhaber berechtigt, rechtswidrige Eingriffe in das gemeinschaftliche Recht abzuwehren. Der Teilhaber sei daher insbesondere zur Einbringung einer Räumungsklage gegen den titellosen Benützer berechtigt.

Im Übrigen habe sich das Berufungsgericht nicht mit der Mängelrüge auseinander gesetzt. Der als Zeuge beantragte Zwangsverwalter hätte mit seiner Aussage bestätigt, dass er mit der gegenständlichen Räumungsklage einverstanden sei, was die formelle Mitwirkung an der Klagsführung ersetzt hätte.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind. Sie ist berechtigt im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags.

1. Zwar bilden nach der ständigen Judikatur mehrere Mitmieter eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach § 825 ABGB und daher im Kündigungsprozess eine notwendige Streitgenossenschaft iSd § 14 ZPO (RIS-Justiz RS0013160). Damit gemeint sind aber in erster Linie Kündigungsprozesse gegen die Mitmieter.

Zur Aktivlegitimation hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass für eine rechtsgestaltende Aufkündigung eines Bestandverhältnisses durch einen Mitmieter die Zustimmung des anderen genügt, sodass Einhelligkeit dargetan wird, oder dass ein Verzicht des anderen auf seine Mitmietrechte gegenüber dem Vermieter feststeht (RIS-Justiz RS0013160 [T7]).

2. Nach der ebenfalls ständigen Judikatur ist es jedem Teilhaber einer Gemeinschaft möglich, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechts bedarf. Der Gegner kann sich einer derartigen Klage gegenüber nicht darauf berufen, dass der Kläger alleine zur Geltendmachung dieser Ansprüche nicht befugt sei. So ist selbst ein Minderheitseigentümer zur Räumungsklage gegen einen Benützer, dessen Titel zur weiteren Benutzung erloschen ist, berechtigt, ohne dazu die Zustimmung der übrigen Miteigentümer zu benötigen (RIS-Justiz RS0013417 insbes [T1]). Das Klagerecht des einzelnen Teilhabers gegen Dritte kommt dort in Frage, wo die Klage keine Veränderung des gemeinsamen Vermögens anstrebt, sondern einen Zweck verfolgt, im Interesse der Gesamtheit den rechtswidrigen Eingriff eines Dritten in die gemeinsame Sache abzuwehren (aaO [T8]). Dies gilt auch für jeden Teilhaber einer bürgerlich rechtlichen Gesellschaft. Die Klage darf nur nicht auf Veränderung oder Feststellung des gemeinsamen Rechts gerichtet sein (aaO [T12]; 1 Ob 2019/96k).

3. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin keine rechtsgestaltende Aufkündigung eines Mitbestandrechts geltend, sondern behauptet die titellose Benützung des von ihrem Mitmietrecht betroffenen Bestandobjekts durch die Beklagte. Bei dieser Klage soll das Mietrecht der beiden Mitmieterinnen nicht verändert, sondern lediglich ein Eingriff in dieses Mietrecht durch Dritte abgewehrt werden. Dazu ist die Klägerin als Mitmieterin nach der oben dargelegten Judikatur aber alleine berechtigt, sodass es auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage der Beteiligung des Zwangsverwalters nicht ankommt.

4. Daraus folgt jedoch nicht, dass auch die Übergabe des geräumten Objekts an den Mitberechtigten zu erfolgen hat. Dazu bedürfte dieser eines eigenen Rechtstitels (RIS-Justiz RS0013226). Die Räumung iSd § 349 EO kann von der Übergabe der geräumten Liegenschaft an den betreibenden Gläubiger auch nicht getrennt werden. Zur Übernahme des geräumten Objekts sind daher nur alle Mitberechtigten gemeinsam berechtigt, weshalb im Übergabebegehren sämtliche Mitberechtigten zu nennen sind (8 Ob 2027/96p; 10 Ob 53/08d). Sollte sich daher im fortgesetzten Verfahren die titellose Benützung durch die beklagte Partei herausstellen, wird das von der Klägerin gestellte Begehren auf Übergabe des geräumten Objekts an sie alleine mit den Parteien zu erörtern sein.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte