OGH 1Ob2019/96k

OGH1Ob2019/96k26.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F*****, vertreten durch Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Josef O*****, vertreten durch Dr.Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 2. Richard O*****, vertreten durch Dr.Josef Thaler und Mag.Wilfried Huber, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, wegen Unterlassung (Streitwert S 60.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichts vom 24.Jänner 1996, GZ 2 R 596/95-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 16.Mai 1995, GZ 3 C 219/93-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Auf dem Grundstück 555 der EZ 3 KG F***** entspringt die sogenannte "G*****-Quelle". 1915 wurde die Nutzung dieser Quelle durch einen Vertrag zwischen mehreren Bauern geregelt. 1959 legten die damaligen Wasserinteressenten in einem Protokoll das Ausmaß der Quellanteile fest, unter anderem wurden Regina F*****, der Rechtsvorgängerin des Klägers, 1/8-Anteil und Jakob O***** 1/4-Anteil zugestanden. 1966 wurde das Wasser der Quelle in einer Brunnenstube gesammelt und von dort in Ableitungen für die Anwesen mehrerer Interessenten entnommen, wobei sowohl für Regina F***** wie auch für Jakob O***** eine 6/4-Zoll-Leitung installiert wurde. 1967 beantragten mehrere Wasserinteressenten bei der Wasserrechtsbehörde die Bildung einer Wassergenossenschaft. Ein daraufhin erlassener Bescheid wurde von der Oberbehörde behoben, ein neuerlicher Bescheid wurde nicht erlassen.

Der Kläger ist Eigentümer von 37/40-Anteilen an der Liegenschaft EZ 4 KG F*****, der Erstbeklagte ist Eigentümer der EZ 90042 KG M***** und der Zweitbeklagte Eigentümer der EZ 949 KG M*****. Die beiden Beklagten sind Söhne des Jakob O*****.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der beiden Beklagten dazu, die Teilnahme an der Nutzung der auf dem Grundstück 555 KG F***** "entspringenden Quelle und den Wasserbezug, soweit dieser Wasserbezug" den "gemäß Servitutseinräumungsvertrag vom 28.4.1915 eingeräumten Anteil von 1/8 übersteigt, ab sofort zu unterlassen und ihren Anschluß an dem auf" Grundstück 555 "bestehenden Wasserbehälter derart zu ändern, daß sichergestellt ist, daß nicht eine den 1/8-Anteil übersteigende Wassernutzung" (Wasserbezug) erfolgen könne. Er sei aufgrund des genannten Vertrags aus dem Jahre 1915 zu 1/4, die Beklagten seien nur zu 1/8 an der Quelle nutzungsberechtigt. Ein zwischen seiner Rechtsvorgängerin (Regina F*****) und dem Rechtsvorgänger der Beklagten (Jakob O*****) geschlossener Kaufvertrag aus dem Jahre 1963 sei mangels pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung nicht rechtswirksam geworden. Die Beklagten bezögen mehr Wasser, als ihnen vertragsgemäß zustünde. Der Erstbeklagte versorge mit dem Quellwasser nicht nur seinen .landwirtschaftlichen Betrieb, sondern auch eine Fremdenpension und Ferienwohnungen. Der Zweitbeklagte bezöge ebenfalls für eine Fremdenpension Quellwasser. Hiedurch werde der Umfang des Wasserbezugsrechts des Klägers trotz ständig vorhandenen Überwassers geschmälert. Er sei als Mehrheitseigentümer der Liegenschaft, die zu 1/4 an der gesamten Anlage berechtigt sei, aktiv legitimiert, von den Beklagten zu fordern, die Nutzung des Quellwassers auf den gemäß Vertrag vom 28.4.1915 eingeräumten 1/8-Anteil zu beschränken, sofern ihnen nicht Anteile an dieser Wasserbezugsgemeinschaft von anderen Bezugsberechtigten zu Lasten deren Anteile eingeräumt worden seien. Jeder Teilnehmer sei selbständig berechtigt, Quellwasser zu beziehen, es bestehe weder eine Miteigentumsgemeinschaft noch eine bürgerlich-rechtliche Erwerbsgesellschaft.

Die Beklagten wendeten ein, nur den ihnen zustehenden Anteil am Quellwasser zu beziehen. Es sei ihrem Rechtsvorgänger über den mit Vertrag aus dem Jahre 1915 zugestandenen Anteil hinaus ein weiterer Nutzungsanteil eingeräumt worden. Der Kläger sei zur Klagsführung nicht legitimiert; die anderen Mitglieder der Wasserinteressentschaft müßten in das Verfahren eingebunden werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Nutzungsberechtigten der Quelle bildeten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Kläger verfolge nicht einen schuldrechtlichen Einzelanspruch, sondern begehre die Feststellung eines allen Gesellschaftern gemeinsam zustehenden Rechts. Die Nutzungsberechtigten bildeten eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 14 ZPO, sodaß dem Kläger die Aktivlegitimation fehle.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 50.000 übersteige, die Revision jedoch nicht zulässig sei. Der Wasserbezug der einzelnen Berechtigten sei nicht unabhängig voneinander, sondern determiniere sich gegenseitig. Wenn auch die Klage als Unterlassungs- und Leistungsklage formuliert sei, bedinge sie die Feststellung des Umfangs der Nutzungsberechtigungen des Klägers und der Beklagten. Eine solche Feststellung könne aber nur mit Wirkung für und gegen alle Nutzungsberechtigten erfolgen, weil deren Anteilsrechte hievon abhängig seien. Es bestehe für die Nutzung der Quelle eine Rechtsgemeinschaft im Sinne der § 825 ff ABGB, die Bezugsberechtigten bildeten eine notwendige Streitgenossenschaft.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Im Prozeß um das Ausmaß einer gesellschaftlichen Beteiligung bilden die Gesellschafter auf Kläger- oder Beklagtenseite eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 14 ZPO (Strasser in Rummel, ABGB2, Rz 29 zu § 1175 mwN). Eine einheitliche Streitpartei ist immer dann anzunehmen, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils auf sämtliche Streitgenossen erstreckt bzw wenn wegen der Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen bestünde (EvBl 1996/3; SZ 53/2 uva). Der einzelne Teilhaber einer Gemeinschaft - aber auch einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft - ist jedoch befugt, ohne Zustimmung der übrigen Teilhaber gegen Dritte die Negatorienklage zu erheben oder possesorische Rechtsmittel zu ergreifen; die Klage darf nur nicht auf Veränderung oder Feststellung des gemeinsamen Rechts gerichtet sein (SZ 53/2). Dieses Recht zum Schutz seines Anteilsrechts steht ihm aber auch bei Eingriffen anderer Gemeinschafter in sein Anteilsrecht bzw bei Störungen seines Rechts durch einen solchen zu (SZ 51/56 mwN).

Das hier vorliegende Urteilsbegehren ist ein reines Unterlassungsbegehren, das mit einem aus der angestrebten Unterlassung resultierenden Leistungsbegehren verbunden ist: Der Kläger begehrt die Unterlassung eines über ein bestimmtes Ausmaß hinausgehenden Wasserbezugs durch die Beklagten. Über den Umfang der Rechte der übrigen Wasserbezugsberechtigten soll nach dem Urteilsbegehren nicht abgesprochen werden; ein Feststellungsbegehren ist nicht erhoben. Entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz soll nach dem angestrebten Urteilstenor das Anteilsrecht der Beklagten nicht festgestellt und in die Rechte der übrigen Bezugsberechtigten nicht eingegriffen werden. Für die Beurteilung der Berechtigung des Unterlassungsbegehrens ist lediglich die Vorfrage zu lösen, ob den Beklagten das von ihnen behauptete, aus einer Vereinbarung mit den Rechtsvorgängern des Klägers abgeleitete Wasserentnahmerecht zusteht. Die Beteiligung der übrigen Nutzungsberechtigten am Verfahren ist demnach nicht erforderlich; sie müssen deshalb in dieses Verfahren nicht eingebunden werden.

Selbst wenn derzeit genügend Wasser vorhanden sein sollte, um trotz einer allenfalls übermäßigen Wasserentnahme durch die Beklagten das Wasserbezugsrecht des Klägers zu decken, muß dem Kläger die Berechtigung zur Klagsführung zuerkannt werden, weil durch eine jederzeit mögliche Änderung der Verhältnisse (geringeres Wasseraufkommen) durchaus eine Verkürzung des Klägers eintreten könnte.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Wasserbezugsberechtigten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder bloß eine schlichte Rechtsgemeinschaft bilden (vgl dazu Strasser aaO Rz 23 zu § 1175). Wie schon dargestellt, wäre der Kläger auch bei Vorliegen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts allein zur Klagsführung berechtigt, ohne daß er hiezu der Zustimmung durch die übrigen Gesellschafter bedurfte. Es kann daher auch ungeprüft bleiben, ob die Beklagten mangels Übertragbarkeit der Gesellschaftsrechte Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der ihr Vater angehört habe, nicht hätten werden können. Daß den Beklagten Rechte aus einer schlichten Rechtsgemeinschaft zustehen, nämlich 1/8-Anteil am Wasserbezug, hat der Kläger bereits in der Klage zugestanden.

Die aktive Klagslegitimation des Klägers ist somit zu bejahen; das Verfahren ist aber noch nicht spruchreif:

Von den Vorinstanzen wurde die Aufteilung der Quellanteile im Jahre 1959 festgestellt (Seite 3 des Ersturteils, Seite 9 des Urteils des Gerichts zweiter Instanz). Die Feststellungen des Erstgerichts wurden vom Kläger unter anderem mit dem Hinweis auf den Kaufvertrag vom 20.3.1963 (Beilage B) bekämpft (Seite 5 der Berufung). Dem hielt das Berufungsgericht aktenwidrigerweise entgegen, der Kläger habe keine Umstände aufzuzeigen bzw Beweismittel zu benennen vermocht, die gegen die diesbezügliche Feststellung des Gerichts erster Instanz sprächen (Seite 9 des Berufungsurteils). Das Gericht zweiter Instanz wird infolge Bejahung der Aktivlegitimation des Klägers aufgrund dessen Vorbringens in der Klage (Seite 3 f der Klage) und in der Berufung (Seite 5 dieses Schriftsatzes) die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des Gerichts erster Instanz entsprechend zu überprüfen haben.

Der Revision ist Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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