European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00117.22B.0906.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Beurteilung der Höhe des angemessenen Schmerzengeldes ist eine Frage des Einzelfalls, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründet. Anderes gilt nur im Fall einer eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt (RS0042887 [T10], RS0031075 [T7]).
[2] 2. Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für alles Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu dulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen und ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls grundsätzlich global festzusetzen (RS0031307 [T28]). Tendenziell erscheint es geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen, wobei allein aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung die Zuerkennung von im Vergleich zu früheren Schmerzengeldzusprüchen höheren Beträgen gerechtfertigt ist (RS0031075 [T4 und T10], 1 Ob 31/20w).
[3] 3. Das Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung sind bei der Bemessung des Schmerzengeldes in Betracht zu ziehen (RS0031307 [T18]). Im Rahmen der Globalbemessung des Schmerzengeldes sind auch Sorgen des Verletzten um die Wiederherstellung der Gesundheit, um die Möglichkeit der späteren Berufsausübung, um die Versorgung und Pflege in der Familie sowie alle Beeinträchtigungen, die nach Art der Dauerfolgen den Geschädigten an der Teilnahme an jenen Lebensfreuden hindern, die er vor dem Unfall genießen konnte und genossen hat, zu berücksichtigten (RS0031054).
[4] 4. Die Bemessung des der Klägerin zuerkannten Schmerzengeldes durch die Vorinstanzen hat berücksichtigt, dass die zum Unfallzeitpunkt 25‑jährige Klägerin unter anderem neben einem schweren Schädel‑Hirn‑Trauma zahlreiche massive Kopf‑ und Rückenverletzungen und einen 75%igen Gesichtsfeldverlust beider Augen mit schweren Schäden an den Sehnerven sowie ein schwergradiges organisches Psychosyndrom mit posttraumatischer Epilepsie erlitten hat. Sie leidet aufgrund der Verarbeitung des Verlusts ihres Lebensgefährten beim Unfall an einer organisch affektiven Störung mit depressiver Auslenkung und einer organischen Angststörung. Vor diesem Hintergrund haben die Vorinstanzen den ihnen beim Einzelfall zukommenden weiteren Ermessensspielraum nicht überschritten. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung wird von der Revision nicht aufgezeigt.
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