European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00113.24T.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Lebensgefährte der Erstklägerin und Vater der 2016 geborenen Zweitklägerin wurde bei einem vom Erstbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall getötet. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer.
[2] Die Vorinstanzen erachteten – soweit Gegenstand des Revisionsverfahrens – das von der Erstklägerin auf § 1327 ABGB gestützte Rentenbegehren für nicht berechtigt, weil sie als Lebensgefährtin keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gehabt habe. Der Zweitklägerin gebühre allerdings gemäß § 1327 ABGB – nach Abzug der Waisenpension – ausgehend von den tatsächlich in natura erhaltenen Unterhaltsleistungen Ersatz in Höhe ihrer Konsumquote, vermehrt um die vom Getöteten getragenen Fixkosten in voller Höhe.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionen der Erstklägerin und der Beklagten sind mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
I. Revision der Erstklägerin
[4] 1. Grundvoraussetzung des Anspruchs nach § 1327 ABGB ist das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs (RS0031410 [T5]; RS0031391 [T7]). Diese Bestimmung enthält eine Sonderregelung zugunsten mittelbar Geschädigter und gewährt dem nach dem Gesetz Unterhaltsberechtigten originäre Ansprüche auf Ersatz einer entgangenen tatsächlichen Unterhaltsleistung (RS0031342 [T8]). Als Ausnahme vom Grundsatz, dass mittelbare Schäden nicht zu ersetzen sind, ist der Kreis der Anspruchsberechtigten überschaubar zu halten (5 Ob 41/17s Pkt 3.4.1.). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der bloße Lebensgefährte mangels gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nicht berechtigt ist, einen Ersatzanspruch nach § 1327 ABGB geltend zu machen (RS0022552).
[5] Stichhaltige Gründe, von dieser, von den Vorinstanzen beachteten Rechtsprechung abzugehen, zeigt die Erstklägerin nicht auf.
II. Revision der Beklagten
[6] 1. Eine den Hinterbliebenen nach § 1327 ABGB zuerkannte Rente ist keine Unterhaltsforderung, sondern eine Schadenersatzforderung. Auch Unterhaltsbeträge, die der Getötete zu seinen Lebzeiten geleistet hat, obwohl er mit Rücksicht auf seine Vermögenslage nur zur Leistung geringerer Beträge hätte verhalten werden können, sind den Hinterbliebenen zu ersetzen (RS0031342). Der gesetzliche Unterhaltsanspruch ist als Mindestanspruch nach § 1327 ABGB anzusehen (RS0031342 [T11]). Auch ein (aus persönlichen oder sittlichen Erwägungen) reichlich bemessener Unterhalt bleibt Unterhalt und bildet damit die Grundlage für eine Schadenersatzpflicht nach § 1327 ABGB. Wurde mehr als der gesetzliche Unterhalt geleistet, wird in der Rechtsprechung (lediglich) gefordert, dass die Unterhaltsleistung noch einigermaßen in ein Verhältnis zur gesetzlichen Unterhaltspflicht gesetzt werden kann (7 Ob 62/18w Pkt 2.2. mwN; RS0031410).
[7] 2. Wurde dem Kind – wie auch im vorliegenden Fall – der gesetzliche Unterhalt im Haushalt der Eltern als Naturalunterhalt gewährt, so besteht keine Veranlassung, für die Berechnung des Unterhaltsentgangs nach § 1327 ABGB die Prozentsatzmethode heranzuziehen (2 Ob 149/09i, 2 Ob 94/13g Pkt 2.). Die Argumentation der Revision, die eine Begrenzung des Ersatzanspruchs nach § 1327 ABGB unter Berücksichtigung des Regelbedarfs und der Luxusgrenze anstrebt, geht daher schon deshalb fehl, weil diese Überlegungen im Zusammenhang mit der Berechnung des Geldunterhaltsanspruchs nach der – hier gerade nicht einschlägigen – Prozentsatzmethode stehen.
[8] 3. Ausgangspunkt für die Bemessung ist das fiktive Nettoeinkommen des Getöteten, von dem die für den gemeinsamen Haushalt anfallenden Fixkosten abzuziehen sind. Für den verbleibenden Restbetrag sind die Konsumquoten des Getöteten und des bzw der Unterhaltsberechtigten festzustellen. Dem Geschädigten steht die Summe aus Fixkosten und seiner Konsumquote als Unterhaltsrente zu (8 Ob 98/20z Rz 66 mwN). Die vom getöteten Vater getragenen, mit der Wohnversorgung im Zusammenhang stehenden Fixkosten kann das uneheliche Kind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch dann zur Gänze ersetzt verlangen, wenn die mit dem Vater nicht verheiratete Mutter mit ihm wohnen bleibt und sie keinen Unterhaltsanspruch nach § 1327 ABGB erheben kann, weil sie nicht mit dem Vater verheiratet war (vgl 2 Ob 149/09i; 2 Ob 94/13g Pkt 3.).
[9] Ein Abweichen von den dargelegten Bemessungsgrundsätzen zeigt die Revision nicht auf. Die Beklagten ziehen weder die Höhe der Konsumquote in Zweifel, noch behaupten sie, dass die mit der Wohnversorgung aufgelaufenen Fixkosten nicht noch einigermaßen im Verhältnis zur gesetzlichen Unterhaltspflicht stünden.
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