OGH 2Ob105/08t

OGH2Ob105/08t14.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Wilhelm W*****, vertreten durch Aschmann & Pfandl Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Dr. Norbert K*****, vertreten durch Mag. Andreas Berthold, Rechtsanwalt in Graz, 2. K***** GmbH, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Übertragung eines Geschäftsanteils (Streitwert: 26.950 EUR) und Unterlassung (Streitwert: 10.000 EUR) über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erstbeklagten und Erstgegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 14. Jänner 2008, GZ 5 R 232/07p-49, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. August 2007, GZ 12 Cg 27/07g-32, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich ihrer in Rechtskraft erwachsenen Teile lauten:

„Dem Widerspruch des Erstbeklagten und Erstgegners der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. März 2007 wird Folge gegeben. Die einstweilige Verfügung wird aufgehoben.

Der Widerspruch der Zweitbeklagten und Zweitgegnerin der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 3. April 2007 wird abgewiesen. Der Eventualantrag der Zweitbeklagten und Zweitgegnerin der gefährdeten Partei, der klagenden und gefährdeten Partei für den Fall der Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung vom 3. April 2007 eine Sicherheitsleistung in Höhe von 3,850.000 EUR aufzuerlegen, wird abgewiesen.

Die klagende und gefährdete Partei hat ihre Kosten des Widerspruchsverfahrens, soweit sie die Zweitbeklagte und Zweitgegnerin der gefährdeten Partei betreffen, vorläufig selbst zu tragen. Die Zweitbeklagte und Zweitgegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens endgültig selbst zu tragen."

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, dem Erstbeklagten und Erstgegner der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit 17.492,42 EUR (darin enthalten 2.915,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Widerspruchsverfahrens sämtlicher Instanzen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Zweitbeklagten, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, informierte den Kläger über die Möglichkeit, das Unternehmen einer in Konkurs verfallenen GmbH & Co KG (Autohaus) zu erwerben. Der Kläger, der bisherige Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und der Geschäftsführer der Zweitbeklagten einigten sich am 27. 9. 2004, die Konkursmasse zu erwerben und gemeinsam eine Auffanggesellschaft zu gründen. Die Familie des Klägers sollte persönlich oder über eine in ihrem unmittelbaren rechtlichen bzw wirtschaftlichen Einflussbereich stehende Rechtsfigur als Gesellschafter zu 77 % beteiligt sein, die restlichen Anteile von 23 % sollte der bisherige Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin halten, der auch als Geschäftsführer der Auffanggesellschaft fungieren sollte.

In der Folge besprach der Kläger mit dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten, Dr. B*****, dass er sich persönlich mit 77 % über einen Treuhänder an der Auffanggesellschaft beteiligen wollte. Er schlug zunächst Dr. B***** als Treuhänder vor. Dieser lehnte ab und schlug seinerseits den Erstbeklagten als Treuhänder vor, womit der Kläger einverstanden war. Der Kläger kümmerte sich nicht weiter um die Gründung der Auffanggesellschaft und die Umsetzung seiner Beteiligung; er vereinbarte mit Dr. B*****, dem er vertraute, dass dieser für ihn die Gründung der Auffanggesellschaft durchführe. Die Auffanggesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 3. 11. 2004, abgeschlossen zwischen dem Erstbeklagten und dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, gegründet. Der Erstbeklagte sollte den Geschäftsanteil von 77 % (Stammeinlage von 26.950 EUR) treuhändig halten. Die finanziellen Mittel für die Volleinzahlung dieser Stammeinlage durch den Erstbeklagten stammten vom Kläger, der dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten, Dr. B*****, einen Verrechnungsscheck über diesen Betrag zur Übergabe an den Treuhänder, den Erstbeklagten, ausgestellt hatte.

Im Verhältnis zum Erstbeklagten ist nur die Zweitbeklagte als Treugeberin aufgetreten. Dr. B***** erwähnte gegenüber dem Erstbeklagten weder den Kläger noch dessen „Familien-GmbH". Er schloss den Treuhandvertrag vom 15. 11. 2004 in Form eines Notariatsakts namens der Zweitbeklagten als Treugeberin mit dem Erstbeklagten als Treunehmer und Treuhänder. In dieser Treuhandvereinbarung verpflichtete sich der Erstbeklagte als Treuhänder der Zweitbeklagten und Treugeberin, die ihm nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zukommenden Mitgliedschaftsrechte nur nach den von der Treugeberin erteilten Weisungen auszuüben und den Geschäftsanteil ganz oder teilweise jederzeit unentgeltlich an die Treugeberin oder an eine von ihr namhaft gemachte Person abzutreten. Mit Notariatsakt vom 19. 3. 2007 nahm die Zweitbeklagte dieses Anbot auf Übertragung des Geschäftsanteils an.

Zur Sicherung seines auf Abtretung des Geschäftsanteils und Unterlassung gerichteten Klagebegehrens begehrte der Kläger die Erlassung einstweiliger Verfügungen, die den Beklagten verbieten sollten, Gesellschafterrechte in der Auffanggesellschaft auszuüben, insbesondere im Zusammenhang mit der Abberufung des bisherigen Geschäftsführers und Neubestellung von Geschäftsführern sowie über den 77 %-igen Geschäftsanteil des Klägers und Treugebers zu verfügen. In seinem Vorbringen verwies er ua auf den dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten erteilten Auftrag, als Vertreter des Klägers den treuhändigen Erwerb des Geschäftsanteils im Zusammenhang mit der Gründung der Auffanggesellschaft zu besorgen. Diesen Auftrag habe die Zweitbeklagte (deren Geschäftsführer) massiv verletzt, indem sie versuche, dem Kläger die Verfügungsberechtigung über den Geschäftsanteil zu entziehen.

Beide Beklagte erhoben gegen die ohne ihre Anhörung antragsgemäß erlassenen einstweiligen Verfügungen Widerspruch. Der Erstbeklagte bestreitet - soweit noch relevant - eine Treuhandbeziehung zum Kläger, weil er den Geschäftsanteil ausschließlich für die Zweitbeklagte und Treugeberin halte. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die Entscheidung über den Widerspruch des Erstbeklagten.

Das Erstgericht hat die Widersprüche beider Parteien gegen die einstweiligen Verfügungen sowie ihre Eventualanträge auf Erlag einer Sicherheitsleistung ausgehend von dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen bescheinigten Sachverhalt abgewiesen. Das nur vom Erstbeklagten angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Wesentliche Begründung war, dass im Rechtsstreit um das Treugut ausschließlich der Treuhänder (der Erstbeklagte) passivlegitimiert sei.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Erstbeklagte die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen durch Abweisung des gegen ihn gerichteten Sicherungsantrags; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs des Erstbeklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil die Vorinstanzen zu Unrecht Verpflichtungen des Erstbeklagten als Treuhänder im Verhältnis zum Kläger angenommen haben. Der Begriff der Treuhand ist im österreichischen Recht nicht besonders geregelt (Strasser in Rummel³ § 1002 Rz 42 mwN; 7 Ob 13/08z ua). Treuhand ist gegeben, wenn jemand (der Treuhänder) Rechte übertragen erhält, die er im eigenen Namen, aber aufgrund einer besonderen obligatorischen Bindung zu einer anderen Person (dem Treugeber) nur in einer bestimmten Weise ausüben soll (vgl Strasser aaO Rz 42a; P. Bydlinski in KBB² § 1002 Rz 7; 8 Ob 104/07p mwN = RIS-Justiz RS0010488 [T4]). Der Inhalt eines Treuhandvertrags richtet sich nach der Parteienvereinbarung (8 Ob 104/07p; 7 Ob 13/08z; RIS-Justiz RS0010444). Nach dem den Obersten Gerichtshof auch im Provisorialverfahren bindenden (RIS-Justiz RS0002192) Sachverhalt sollte der Erstbeklagte aufgrund der Besprechungen zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten den Geschäftsanteil von 77 % zwar treuhändig für den Kläger halten, der auch die finanziellen Mittel für den Erwerb des Geschäftsanteils zur Verfügung stellte. Diesen - im Sicherungsantrag selbst behaupteten - Auftrag des Klägers, den Erstbeklagten zu seinem Treuhänder zu bestellen, hat der Geschäftsführer der Zweitbeklagten und Ansprechpartner des Klägers aber nicht erfüllt. Beim Abschluss der Treuhandvereinbarung ist er nicht als Vertreter des Klägers, sondern nur in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und Vertreter der Zweitbeklagten aufgetreten. Mangels Offenlegung des Auftrags- und Bevollmächtigungsverhältnisses zum Kläger ist zwischen diesem und dem Erstbeklagten keine Treuhandvereinbarung zustande gekommen (vgl Strasser aaO Rz 50; P. Bydlinski aaO Rz 14). Nach dem maßgeblichen Erkenntnishorizont des Erstbeklagten (Strasser aaO Rz 50; P. Bydlinski aaO Rz 15; 4 Ob 6/02i; RIS-Justiz RS0019516) ist - nach dem bescheinigten Sachverhalt - nur von einer Treuhandbindung des Erstbeklagten zur zweitbeklagten Kapitalgesellschaft auszugehen. Im Notariatsakt scheint ausdrücklich als Vertragspartner die durch den Geschäftsführer vertretene zweitbeklagte Gesellschaft auf. Irgendein Kontakt zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten steht hingegen nicht fest; ebenso wenig, dass der Erstbeklagte nachträglich von der Eigenschaft des Klägers als „wahrer" Treugeber erfahren hat und dem zustimmte, was für ein wirksames Zustandekommen der Treuhandvereinbarung mit dem Kläger ausreichend wäre (P. Bydlinski aaO § 1002 Rz 15).

Die Annahme einer Treuhand (auch) zugunsten des Klägers ist nach den nunmehr im Verfahren über den Widerspruch getroffenen Feststellungen ausgeschlossen - dies im Gegensatz zu den vorangegangenen Entscheidungen über die Erlassung der einstweiligen Verfügungen. Der Sicherungsantrag gegen den Erstbeklagten muss somit daran scheitern, dass der Erstbeklagte nicht Treuhänder des Klägers ist, damit dessen Weisungen nicht unterworfen ist und über den Geschäftsanteil entsprechend der Treuhandvereinbarung mit der Zweitbeklagten verfügen kann. Diesem Ergebnis steht die vom Rekursgericht und vom Kläger in dessen Revisionsrekursbeantwortung herangezogene Entscheidung 8 Ob 565/87 = SZ 61/153 nicht entgegen. Es geht hier nicht um die grundsätzliche Passivlegitimation eines Treuhänders in Auseinandersetzungen um das Treugut, sondern um die fehlende Treuhandvereinbarung zwischen den Streitteilen. Im Gegensatz dazu stand in der zitierten Entscheidung die Vertragsbeziehung zwischen dem beklagten Treuhänder und dem dortigen Erstkläger nach dem Sachverhalt fest, weshalb die Verpflichtung des Treuhänders, das Treugut auf Weisung des Treugebers herauszugeben, bejaht wurde. Die Ansprüche der Zweitklägerin, die nicht Partei eines Treuhandverhältnisses war, hielt der Oberste Gerichtshof hingegen nicht für gerechtfertigt, er verneinte ebenso wie das Berufungsgericht die Aktivlegitimation.

Ein anderes Verständnis kann auch den in der Revisionsrekursbeantwortung zitierten Kommentarmeinungen (ua Stanzl in Klang, Kommentar ABGB § 1002 , 791; Strasser aaO Rz 42m) zur Rechtsposition des Treuhänders, der im eigenen Namen Rechte erwerbe und daher klagen und geklagt werden könne, nicht beigemessen werden. Der Kläger übersieht in seinen Argumenten neuerlich, dass ihm der zu sichernde Anspruch gegen den Erstbeklagten aufgrund der mangelnden Treuhandvereinbarung nicht zusteht und der Kläger nicht aktivlegitmiert ist. Er ist weder nach außen Gesellschafter noch Treugeber, soweit es den Geschäftsanteil betrifft. Als Dritter, dem keinerlei Rechte an dem Geschäftsanteil zustehen, wäre er auf Ansprüche gegen den Geschäftsführer der Zweitbeklagten, der die Treuhandvereinbarung nicht im Namen des Klägers abgeschlossen hat, beschränkt.

Der Erstbeklagte, der den Sicherungsantrag im Verfahren über den Widerspruch erfolgreich abwehren konnte, hat nach den §§ 402 Abs 4 EO, 78 EO und §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz seiner Kosten (vgl Obermaier, Kostenhandbuch Rz 365; vgl RIS-Justiz RS0002397). Der verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht nach § 15 RATG nicht zu, weil der Rechtsanwalt des Erstbeklagten weder mehrere Parteien vertritt noch ihm auf der Klagsseite mehrere Personen gegenüberstehen.

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