European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0280OS00003.15Y.0416.000
Spruch:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. September 2014, AZ D 59/11, wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 12.000 Euro verurteilt sowie zum Ersatz des Verfahrens verpflichtet.
Diesem Schuldspruch liegt zugrunde, dass er am 13. März 2007 mit seiner Klientin Jasminka R*****
1./ ein unzulässiges Erfolgshonorar in Form einer rechtswidrigen quota litis Vereinbarung getroffen hat und
2./ auf diese Weise ein unangemessenes Honorar aus dem an ihn zur Auszahlung gebrachten Schadenersatzbetrag vereinnahmt hat.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit und jener des Kammeranwalts wegen Strafe, denen jeweils keine Berechtigung zukommt.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) des Disziplinarbeschuldigten, wonach in Ansehung der ihm vorgeworfenen Vereinbarung vom 13. März 2007 bereits Verjährung eingetreten sei, zumal der Einleitungsbeschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich erst am 7. Mai 2012 gefasst worden war, verfehlt den Vergleich des gesamten im Erkenntnis festgestellten Sachverhalts mit dem darauf anzuwendenden Gesetz (Ratz, WK‑StPO § 280 Rz 581; RIS‑Justiz RS0099810):
Vorliegend wird dem Disziplinarbeschuldigten nämlich nicht nur die auf den 13. März 2007 datierte (unzulässige) quota litis Vereinbarung mit seiner Mandantin Jasminka R*****, sondern darüber hinaus auch noch vorgeworfen, auf der Basis dieser Vereinbarung ein unangemessenes Honorar aus einem an ihn ausbezahlten Schadenersatzbetrag vereinnahmt zu haben. Da diese Zurückbehaltung des Geldes durch mangelnde Aufklärung seiner unerfahrenen Klientin über das konkrete Globalentschädigungsanbot der U***** (110.000 Euro; vgl § 9 Abs 1 RAO) sowie unter Verschweigung der Höhe des von ihm einbehaltenen Honorars geschah (ES 8, 9, 11, 12 f, 17 und 18), endete dieses ‑ insgesamt eine Handlungseinheit darstellende - strafbare Verhalten erst mit Beendigung des verpönten Zustands (RIS‑Justiz RS0124122), daher frühestens mit der nach dem 17. Dezember 2009 erfolgten Offenlegung der Abfindungserklärung vom 21. März 2007 und Bekanntgabe der Höhe der von ihm bezogenen und einbehaltenen Honorarbeträge (ES 9 und 13).
Auf Basis dieser Tatsachengrundlage ging der Disziplinarrat ‑ rechtsfehlerfrei ‑ vom Nichtvorliegen der Verjährungsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 Z 2 DSt aus (Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 2 DSt, 882), weshalb die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit ins Leere geht.
Sowohl die Berufung des Kammeranwalts als auch jene (implizit erhobene; § 49 letzter Satz DSt) des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe sind nicht berechtigt.
Das angefochtene Erkenntnis wertete als mildernd die bisherige Unbescholtenheit, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen einer Berufspflichtenverletzung mit einer Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes, das fehlende Unrechtsbewusstsein sowie die Uneinsichtigkeit des Disziplinarbeschuldigten, die als besonders verwerflich zu wertende, eklatante Ausnutzung von mangelnden Sprachkenntnissen und des Analphabetismus der Mandantin des Disziplinarbeschuldigten sowie die bis zuletzt fehlende Depotabrechnung und Rechnungslegung.
Nach Ansicht des Kammeranwalts liegt zwar eine durchaus fühlbare Geldstrafe vor, die aber in Relation zum rechtswidrigen Handeln des Disziplinarbeschuldigten und zum solcherart hervorgerufenen Schaden deutlich zu gering ausgefallen sei; in diesem Sinne hätte es daher einer befristeten, zumindest bedingten Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bedurft, um spezialpräventiv wirksam zu sein.
Vorweg ist festzuhalten, dass weder das Fehlen eines Unrechtsbewusstseins noch die mangelnde Einsicht einen Erschwerungsgrund bilden, weil der Disziplinarbeschuldigte zu einer wahrheitsgemäßen Verantwortung nicht verpflichtet ist (§ 7 Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt; Kirchbacher, WK‑StPO § 245 Rz 49 mwN; Danek, WK-StPO § 240 Rz 6; Achammer, WK-StPO § 7 Rz 14; Fabrizy StPO12 § 164 Rz 2) und sich durch Leugnen bloß eines Milderungsgrundes begibt (RIS‑Justiz RS0108409, RS0090897, RS0090912 [T1, T6]).
Ungeachtet dieses vom Disziplinarrat zu Unrecht angenommenen Erschwerungsumstands manifestiert sich in einer Geldbuße von 12.000 Euro trotz der vom Kammeranwalt zutreffend hervorgehobenen Schwere des angelasteten Disziplinarvergehens, insbesondere der Ausnutzung der eingeschränkten Dispositionsfähigkeit der Mandantin, bei einem unbescholtenen Rechtsbrecher ein deutliches Signal zur Rechtsbewährung, die sowohl spezial‑ als auch generalpräventiv ausreichend wirkt. Einer zusätzlichen bedingten Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bedurfte es daher nicht.
Andererseits ist kein Grund ersichtlich, zugunsten des (dazu keine Ausführungen tätigenden) Disziplinarbeschuldigten die Höhe der verhängten Geldbuße in Frage zu stellen oder eine mildere Sanktion in Erwägung zu ziehen.
Sowohl der Berufung des Kammeranwalts als auch jener des Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)