OGH 27Ds1/20h

OGH27Ds1/20h25.4.2022

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 25. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Kretschmer und Dr. Schlager als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwältin in *, gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 27. Mai 2020, GZ D 195/13‑70, D 82/15, über die Beschwerde des Kammeranwalts nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0270DS00001.20H.0425.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang (zum ersten vgl 27 Ds 5/17t) ergangenen Beschluss hat der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien das Disziplinarverfahren gegen *„analog § 197 StPO“ (iVm § 77 Abs 3 DSt) „abgebrochen“, weil sie (im Tatzeitraum) keine Rechtsdienstleistungen im Sinn der §§ 40 f EIRAG erbracht habe und daher nicht der inländischen Disziplinargewalt unterliege.

[2] Zur Begründung wurde, gestützt auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 14. November 2016, AZ D 224/14, DV 49/16, ausgeführt, dass sich die Tätigkeiten der Disziplinarbeschuldigten auf unterstützende, organisatorische Tätigkeiten, Übersetzung von Schriftstücken, Dolmetschen aus der russischen Sprache und kanzleiinterne Beantwortung von Fragen zu russischem Recht beschränkten und sie zu keinem Zeitpunkt Mandate selbständig betreut habe, sondern immer nur gemeinsam mit einem weiteren Rechtsanwalt oder Rechtsanwaltsanwärter.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen gerichteten, die Fassung eines Einleitungsbeschlusses anstrebenden Beschwerde des Kammeranwalts kommt keine Berechtigung zu.

[4] Vorauszuschicken ist, dass der Disziplinarrat mit dem angefochtenen Beschluss seine Zuständigkeit aufgrund angenommener fehlender anwaltlicher Tätigkeit der Disziplinarbeschuldigten im Inland endgültig verneint und damit das Disziplinarverfahren meritorisch beendet hat. Nach dem Wesen der Entscheidung (Ratz, WK‑StPO Vor §§ 280–296a Rz 5 mwN; RIS‑Justiz RS0106264) liegt daher keine der Rechtsmittelbeschränkung des § 58 DSt unterliegende bloß prozessleitende Verfügung vor (vgl RIS‑Justiz RS0130014). Die Beschwerde ist demnach zulässig.

[5] Im ersten Rechtsgang hatte der Oberste Gerichtshof den vom Vorsitzenden des Disziplinarrats gefassten Beschluss über den Abbruch des Disziplinarverfahrens aufgehoben und die Rechtssache an den Disziplinarrat zur neuerlichen Entscheidung durch einen Senat zurückverwiesen. Soweit der Kammeranwalt die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang (27 Ds 5/17t) zur Entscheidungskompetenz der Senate gemäß den §§ 28, 29 und 30 DSt referiert, macht er nicht klar, weshalb es an der Zuständigkeit des nunmehr befassten Senats mangeln sollte.

[6] Entgegen dem Einwand, der Disziplinarrat habe das Einschreiten der Disziplinarbeschuldigten als Opfervertreterin unberücksichtigt gelassen, geht aus der – nur mit „S 12, S 13, S 11“ bezeichneten – offenbar angesprochenen Stellungnahme (unter anderem) der Genannten an die Staatsanwaltschaft Wien vom 3. Februar 2015 (Blg ./8 zur nicht journalisierten Stellungnahme des Dr. L* vom 7. April 2015 im einbezogenen Akt D 82/15) eine selbständige Vertretungstätigkeit nicht hervor.

[7] Die (ohne Nennung einer Fundstelle) ins Treffen geführten E‑Mails vom 15. Dezember 2010, 30. November 2011 und 24. Jänner 2012 „u.a.“ sind im Akt nicht auffindbar. Anhand der in einer Anregung des Dr. * S* an die Staatsanwaltschaft Wien vom 20. November 2014 (siehe Beilage zu „/.2“ in D 82/15) enthaltenen „inoffiziellen“ Übersetzung einzelner dieser Nachrichten der Disziplinarbeschuldigten ist eine rechtsanwaltliche Tätigkeit nicht fassbar.

[8] Belege für die Behauptung, die Beschuldigte habe sich auf Homepage und Kanzleipapier von L* GmbH als Rechtsanwältin bezeichnet, im Internet ihre Tätigkeit im russischen Recht und weiteren Bereichen beworben, als Gesellschafter-Geschäftsführerin die kasachische Tochtergesellschaft der betreffenden Rechtsanwälte GmbH geleitet und sei als deren Partnerin und Substitutin tätig geworden, werden nicht genannt (vgl im Übrigen zu ähnlich gelagerten Vorwürfen das freisprechende Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 14. November 2016, GZ D 224/14‑35, DV 49/16 [Beilage zu ON 75]).

[9] Der Beschwerde war daher nicht Folge zu geben.

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