European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0260OS00002.14K.0429.000
Spruch:
1. Der Berufung wegen Schuld wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis im Schuldspruch 1 und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Mag. ***** wird vom Vorwurf freigesprochen, er habe bei seiner Einvernahme als Kläger vor dem Bezirksgericht Graz-Ost am 19. Dezember 2011 behauptet, Rechtsanwalt Dr. ***** hätte ihm in seinem Schreiben vom 8. August 2011 unterstellt, er habe gewerbsmäßigen Betrug begangen.
Im Übrigen wird der Berufung wegen Schuld nicht Folge gegeben.
2. Über den Beschuldigten wird für das ihm weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt.
3. Mit seiner Berufung wegen Strafe wird er auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.
4. Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt Mag. ***** (zweier) Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.
Demnach hat er
1. bei seiner Einvernahme als Kläger vor dem Bezirksgericht Graz-Ost am 19. Dezember 2011 behauptet, Rechtsanwalt Dr. ***** hätte in seinem Schreiben vom 8. August 2011 unterstellt, der Beschuldigte hätte gewerbsmäßigen Betrug begangen;
2. in einem mit 10. Februar 2012 datierten, an den Verein „T*****“ adressierten Schreiben Kostenersatz für seine Äußerung vom 24. November 2011, welche er über Ersuchen des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer vom 17. November 2011 im ‑ aufgrund einer Anfrage des Vereins eingeleiteten ‑ Verfahren GZ ***** erstattet hatte, begehrt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (vgl RIS‑Justiz RS0128656).
Zum Schuldspruch 1:
Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich aus Anlass der Berufung vom Vorliegen einer nicht geltend gemachten, von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit (§§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO; § 77 Abs 3 DSt).
Die Äußerung des Beschuldigten in seiner Einvernahme als Kläger vor dem Bezirksgericht Graz-Ost am 19. Dezember 2011 wurde vom Disziplinarrat zu Unrecht § 18 RL-BA subsumiert. Sie erfolgte den Konstatierungen zufolge im Zug der Erklärung einer vom Beschuldigten erhobenen Schadenersatzforderung. Diese als Beweismittel in eigener Sache erstattete Äußerung war im gegebenen Zusammenhang nicht geeignet, den Gegenvertreter in den Streit zu ziehen.
Daher war mit Aufhebung des Erkenntnisses im Schuldspruch 1 sowie demzufolge im Strafausspruch und Freispruch vom betreffenden Vorwurf vorzugehen.
Zum Schuldspruch 2:
Die Berufung macht in Ansehung dieses Schuldspruchs Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 iVm § 260 Abs 1 Z 1 und 2 StPO geltend. Inwiefern es im Spruch des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses an einem Referat entscheidender Tatsachen fehlen soll (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 282 ff), lässt sie jedoch offen.
Die insoweit nicht ausgeführte Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld iSd § 464 Z 2 erster Fall StPO weckt keine Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den im angefochtenen Erkenntnis vom Disziplinarrat festgestellten Sachverhalt.
Auch die der Sache nach vorgetragene Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) verfehlt ihr Ziel. Die vom Berufungswerber vermisste Feststellung (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zum näheren Inhalt der Anfrage des Vereins „T*****“ bei der Rechtsanwaltskammer Wien findet sich auf S 6 im ersten Absatz des angefochtenen Erkenntnisses, tut aber ohnedies nichts zur Sache:
Nach § 23 Abs 2 RAO obliegt den Rechtsanwaltskammern insbesondere die Wahrung der Ehre, des Ansehens und der Rechte wie auch die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltsstandes ( Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 RAO § 23 Rz 2). Der Kammerausschuss ist zur Ausübung seines Aufsichtsrechts und zur Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes berechtigt, die erforderlichen Erhebungen zu pflegen und über einen Sachverhalt von einem Rechtsanwalt eine Äußerung abzuverlangen (RIS‑Justiz RS0054910). Die im Rahmen des Wirkungsbereichs des § 23 RAO von der Kammer oder vom Ausschuss getätigten Anfragen oder Aufforderungen erfordern die für die Aufgabenerfüllung notwendige Mitwirkung des angesprochenen Kammermitglieds. Wenn ein Rechtsanwalt im Rahmen der Aufgabenerfüllung der Selbstverwaltung seiner Kammerorganisation tätig wird, kann es dafür keine Honorierung geben, weil der Rechtsanwalt durch seine Zugehörigkeit zur Kammer eine Selbstbeschränkung im Sinn einer für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Mitwirkung auf sich zu nehmen hat (RIS‑Justiz RS0055017 [T1]; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 RAO § 23 Rz 3 aE mN, 9, 11).
Da es jedermann freisteht, Anfragen über das Verhalten eines Rechtsanwalts an die Kammer zu richten, handelt ein Anfragesteller nicht rechtswidrig und schuldhaft, sodass es dem Beschuldigten bei verständiger Rechtsbetrachtung, die man bei einem Rechtsanwalt voraussetzen darf, klar sein musste, dass sein auf Schadenersatz gegründeter Anspruch mangels Vorliegens elementarster Voraussetzungen nicht zu Recht bestand. Mit seinem an den Verein gerichteten Anspruchsschreiben vom 10. Februar 2012 hat der Beschuldigte auch jene Öffentlichkeit erreicht, durch die Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigt sind.
Zur Strafneubemessung:
Im Hinblick auf den Freispruch war die Strafe für das verbliebene Disziplinarvergehen neu zu bemessen. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Eindruck, den der Beschuldigte beim Anfragesteller hinterlassen hat, für das Ansehen der Rechtsanwaltschaft gravierend nachteilig war. Im Einzelnen war eine einschlägige Vorstrafe erschwerend, als mildernd hingegen kein Umstand zu werten. Davon, dass der Beschuldigte wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), kann angesichts der Eingaben des Vereins „T*****“ keine Rede sein. Die Berufung lässt zwar offen, anhand welcher Umstände das Einkommen des Beschuldigten mit dem für einen Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitsbereich des Disziplinarbeschuldigten eher unterdurchschnittlichen Betrag von 2.000 Euro monatlich netto zu schätzen gewesen wäre. Selbst wenn man nicht von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen, sondern von dem in der Berufung ins Treffen geführten Betrag von 2.000 Euro ausgeht, erweist sich die nunmehr verhängte Disziplinarstrafe unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafe mit einem halben Monatsverdienst als tatschuldangemessen.
Mit seiner Strafberufung war der Beschuldigte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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