OGH 24Ds8/23w

OGH24Ds8/23w10.1.2024

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 10. Jänner 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann als weitere Richterin und die Rechtsanwälte Dr. Wachter und Dr. Konzett als Anwaltsrichter in Gegenwart der Mag. De Rijk als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, über die Berufungen des Disziplinarbeschuldigten und des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 12. Juli 2022, AZ D 20‑44; 3 DV 21‑09, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, sowie des Beschuldigten und seiner Verteidigerin Dr. Stöger zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0240DS00008.23W.0110.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

 

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer verwiesen.

Der Kammeranwalt wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 20. Jänner 2020 als Vertreter von * H* im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrags mit dem Golfclub „O*“ in I* durch Vorlage einer entsprechenden Honorarnote ein wesentlich überhöhtes Honorar in Höhe von netto 14.858,50 Euro geltend gemacht, in dem er insbesondere neben dem Notariatstarif für die Erstellung des Dienstbarkeitsvertrags noch zusätzliche Einzelleistungen verrechnete.

[3] Über den Disziplinarbeschuldigten wurde eine Geldbuße in Höhe von 1.500 Euro verhängt, deren Vollzug unter Setzung einer Probezeit von zwölf Monaten bedingt nachgesehen wurde.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auch Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO relevierende Berufung gegen den Ausspruch über Schuld und Strafe des Disziplinarbeschuldigten sowie die Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 10 StPO geltend machende und gegen den Ausspruch über die Strafe gerichtete Berufung des Kammeranwalts.

 

Zur Berufung des Disziplinarbeschuldigten:

[5] Dem Berufungsvorbringen zuwider ist die Feststellung, wonach sich aus der Honorarnote vom 20. Jänner 2020 nicht ergebe, dass die Vertragserrichtung mit Leistungen in einem ungewöhnlichen Umfang, mit besonderen Schwierigkeiten, besonderer Verantwortlichkeit oder unüblichem Zeitaufwand verbunden gewesen wäre (ES 4 vorletzter Absatz), nicht undeutlich (Z 5 erster Fall), zumal sie sich allein auf den Wortlaut dieser Honorarnote, nicht aber auf die Frage des tatsächlichen Aufwands bzw Umfangs der Tätigkeit bezieht. Von einer unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) in diesem Zusammenhang kann schon im Hinblick auf den Verweis auf das zitierte Dokument keine Rede sein (ES 5 erster Absatz).

[6] Zu Recht zeigt der Disziplinarbeschuldigte in seiner Mängelrüge jedoch auf, dass das vorliegende Erkenntnis zu den (disloziert getroffenen) Feststellungen zur subjektiven Tatseite, wonach die Überschreitung des nach dem Standesrecht zulässigen Honorars dem Disziplinarbeschuldigten bei gehöriger Sorgfalt erkennbar gewesen wäre und er diese Sorgfalt auch hätte einhalten können (US 5 letzter Absatz), entgegen der sich aus § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt ergebenden Verpflichtung, in den Entscheidungsgründen darzustellen, welche Tatsachen aus welchen Gründen als erwiesen angenommen wurden, keinerlei Begründung anführt. Dieser iSd § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt Nichtigkeit begründende Mangel zwingt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Verweisung an den Disziplinarrat zur Neudurchführung des Verfahrens (RIS‑Justiz RS0099413).

[7] Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen des Disziplinarbeschuldigten zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) und zur Berufung wegen der Aussprüche über Schuld und Strafe kann daher unterbleiben.

[8] In Stattgebung der Berufung des Disziplinarbeschuldigten war das angefochtene Erkenntnis daher aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Tiroler Rechtsanwaltskammer zu verweisen.

[9] Für das weitere Verfahren ist Folgendes festzuhalten:

 

Zur Berufung des Kammeranwalts:

[10] In Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Kammeranwalts stellt die Geltendmachung eines deutlich überhöhten Honorars durch einen Rechtsanwalt selbst dann, wenn dies nicht gegenüber dem Gegner der Mandantschaft erfolgt, rechtlich gesehen (auch) eine Berufspflichtenverletzung dar, weil den Rechtsanwalt bei der Verzeichnung seines Honorars grundsätzlich – unabhängig vom Tätigwerden in eigener Sache – konkrete Handlungs- und Unterlassungspflichten treffen (vgl § 2 Abs 2 RL‑BA 2015; 26 Ds 4/21v [Rz 18]; RIS‑Justiz RS0133953; RS0055629; RS0118449 [T2]).

 

Zur Berufung des Disziplinarbeschuldigten:

[11] Im weiteren Verfahren wird insbesondere darauf Augenmerk zu legen sein, ob der Disziplinarbeschuldigte die Bestimmungen der AHK und des NTG subjektiv in vertretbarer Weise angewendet hat.

[12] In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, ob von einem besonderen Zeitaufwand – zogen sich die Vertragsverhandlungen sowie die Tätigkeiten zur Errichtung des gegenständlichen Vertrags doch mehr als ein Jahr hin – oder von einer besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit ausgegangen werden konnte (§ 3 Abs 1 NTG). Die diesbezüglichen Voraussetzungen werden sowohl in objektiver, als auch in subjektiver Hinsicht im weiteren Verfahren festzustellen sein.

[13] Darüber hinaus wird das Argument des Disziplinarbeschuldigten zu untersuchen sein, wonach aufgrund einer Klausel (Punkt X.) im Dienstbarkeitsvertrag nicht nur die „Vertragserrichtungskosten“, sondern auch „die rechtsfreundliche Beratung des Bestandgebers“ vom Gegner zu bezahlen war. Diesbezüglich bedarf es Feststellungen, welche Leistungen der Disziplinarbeschuldigte erbracht hat, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vertragserrichtung standen (und damit vom NTG pauschal erfasst sind) und daher zusätzlich zu den Vertragserrichtungskosten begehrt hätten werden dürfen.

[14] Bei der Gesamtbeurteilung des Falls wird schließlich auch zu berücksichtigen sein, ob das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten als geringfügig bewertet werden kann (zB aufgrund vorwerfbarer, aber rechtsirrtümlicher Falschanwendung des Tarifs oder Interpretation der Kostentragungsklausel) und ob die Folgen seines Verhaltens als unbedeutend (etwa in Folge Streitbereinigung durch einen gerichtlichen Vergleich) qualifiziert werden können (§ 3 DSt).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte