European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0220OS00002.14F.1111.000
Spruch:
Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Dr. Thaddäus S***** wird von dem Vorwurf, er habe DI Wilhelm F***** mit Schreiben vom 22. April 2010 unter gleichzeitiger Übermittlung des in dem von ihm persönlich gegen die T***** GmbH bzw die I***** AG angestrebten Verfahren wegen 2.223,55 Euro an zu viel verrechneten Gasgebühren ergangenen Urteils des Bezirksgerichts Innsbruck vom 12. März 2010, AZ 18 C 322/06s, zur Bezahlung eines Betrags von 400 Euro zuzüglich Kosten mit der Begründung aufgefordert, dass dieser Mittäter der vorgenannten Unternehmen an schwerem gewerbsmäßigen Betrug bei der Abrechnung der Gasgebühren gewesen sei, welche Vorgangsweise geeignet war, auf DI Wilhelm F***** sachlich nicht gerechtfertigten Druck auszuüben, freigesprochen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt Dr. Thaddäus S***** schuldig erkannt, DI Wilhelm F***** mit Schreiben vom 22. April 2010 unter gleichzeitiger Übermittlung des in dem von ihm persönlich gegen die T***** GmbH bzw die I***** AG angestrebten Verfahren wegen 2.223,55 Euro an zu viel verrechneten Gasgebühren ergangenen Urteils des Bezirksgerichts Innsbruck vom 12. März 2010, AZ 18 C 344/06s, zur Bezahlung eines Betrags von 400 Euro zuzüglich Kosten mit der Begründung aufgefordert zu haben, dass dieser Mittäter der vorgenannten Unternehmen an schwerem gewerbsmäßigen Betrug bei der Abrechnung der Gasgebühren gewesen sei, welche Vorgangsweise geeignet war, auf DI Wilhelm F***** sachlich nicht gerechtfertigten Druck auszuüben.
Über den Disziplinarbeschuldigten wurde, die Disziplinarstrafe einer Geldstrafe (richtig: Geldbuße) in Höhe von 1.000 Euro verhängt.
Der Disziplinarrat stellte zusammengefasst Folgendes fest:
Rechtsanwalt Dr. S***** führte in eigener Sache als Kläger gegen die aus dem Spruch ersichtlichen Unternehmen zu AZ 18 C 344/06s des Bezirksgerichts Innsbruck einen Rechtsstreit um seiner Ansicht nach wegen einer falschen Berechnungsmethode von ihm zu viel bezahlte Gasgebühren.
Mit Urteil vom 12. März 2010 wurde ihm diesbezüglich ein Teilbetrag von 1.100 Euro sA zugesprochen und das Mehrbegehren abgewiesen.
DI Wilhelm F***** war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Gasabrechnungen Mitarbeiter der genannten Unternehmen und wurde in diesem Verfahren auch als Zeuge vernommen.
Im zitierten Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck wurden unter anderem Feststellungen dahingehend getroffen, dass die beklagten Parteien den Verrechnungsbrennwert für die Gasverrechnung fälschlicher Weise mit 10,7 khw/m3 angesetzt hatten, was objektiv falsch sei, weil Innsbruck auf einer Meereshöhe von 575 Metern liege. Der Zeuge DI F***** habe auf die Problematik des unrichtig angewendeten Verrechnungsbrennwerts bei seinem Arbeitgeber hingewiesen und dem Vorstand der beklagten Parteien hinsichtlich der falschen Höhenlage und der Temperatur in der zugrunde liegenden Empfehlung des Fachverbands berichtet. Obwohl sohin den beklagten Parteien bekannt und bewusst war, dass falsche physikalische Größen als Parameter zur Berechnung des Verrechnungsbrennwerts herangezogen wurden, stellten sie diesen den Kunden gegenüber weiterhin als physikalische Größe dar.
Das Aussageverhalten DI F*****s nahm der Disziplinarbeschuldigte zum Anlass, an diesen am 22. April 2010 also noch vor Rechtskraft des ihm am 12. April 2010 zugestellten Urteils, nachfolgendes Schreiben zu richten:
In Sachen: Dr. Thaddäus S***** ‑ Ing. Wilhelm F*****
Sehr geehrter Herr Ing. F*****!
In obiger Angelegenheit ist Ihnen bekannt, dass ich gegen die T***** AG einerseits sowie gegen die I***** AG andererseits zu 18 C 344/06s des Bezirksgerichts Innsbruck noch ein Prozessverfahren führe, welches nunmehr erstinstanzlich zu meinen Gunsten entschieden wurde. Das Urteil vom 12. 03. 2010, 18 C 344/06s‑75, schließe ich diesem Schreiben bei. Wie Sie daraus entnehmen wollen, konstatiert das Gericht im Verhalten sowohl des Vorstands als auch der Mitarbeiter, sohin auch Ihrer Person, sehr geehrter Herr Ing. F*****, ein malversives Verhalten insofern, als Kunden arglistig getäuscht worden seien. Als Vorsatzform hat das erkennende Gericht sogar dolus eventualis angenommen, was bedeutet, dass die wesentlichen Voraussetzungen für einen gewerbsmäßigen schweren Betrug gemäß §§ 146 ff StGB vorliegen. Aufgrund dieses Verhaltens haften sämtliche Proponenten solidarisch mit den I***** einerseits bzw der T***** AG andererseits.
Aufgrund ihrer zeugenschaftlichen Einvernahmen aus den Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung vom 28. 09. 2006 sowie 08. 01. 2010 lässt sich entnehmen, dass auch sie über die Malversationen und das betrügerische Vorgehen Ihrer Vorgesetzten bescheid gewusst und dieses gebilligt haben, womit Sie als Beitragstäter zu betrachten sind.
Da Sie lediglich für einen Teilzeitraum des ungesetzlichen Verhaltens Ihrer Dienstgeberinnen zu haften haben, habe ich Sie aufzufordern,
den Betrag von Euro 400
zuzüglich der Kosten dieses
Schreibens im Betrag von Euro 11
zuzüglich 20 % USt Euro 2,20
zuzüglich Barauslagen Euro 0,55
sohin Euro 13,75
insgesamt sohin Euro 413,75
derart auf mein Konto bei der Raiffeisenbank *****, Konto Nr *****, BLZ *****, zu überweisen, dass ich binnen 8 Tagen im Besitz des Geldes bin,
Ich weise darauf hin, dass Ihnen allenfalls Regressansprüche gegen Mittäter zustehen, diesbezüglich wollen Sie sich wohl, so wie überhaupt, mit Ihrem Anwalt besprechen.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme und Veranlassung zeichne ich
mit freundlichen Grüßen
Dr. S*****
Dieses Erkenntnis bekämpft der Disziplinarbeschuldigte mit einer Berufung wegen Schuld (und gemäß § 49 letzter Satz DSt implizit wegen des Ausspruchs über die Strafe), aus deren Anlass sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugte, dass alle Voraussetzungen des § 3 DSt vorliegen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO).
Entgegen dem Einwand des Berufungswerbers wird in seinem Verhalten kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 9 RAO, sondern gegen § 2 RL‑BA und § 10 Abs 2 RAO erblickt (ES 4 f). Demnach darf der Rechtsanwalt weder Ansprüche mit unangemessener Härte verfolgen noch sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel ankündigen oder anwenden (§ 2 dritter Satz RL‑BA) und ist er überhaupt verpflichtet, durch Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit in seinem Benehmen die Ehre und Würde des Standes zu wahren (§ 10 Abs 2 RAO).
Die Verpflichtung, das Ansehen des Anwaltstandes zu wahren, trifft den Rechtsanwalt auch außerhalb des Berufs (RIS‑Justiz RS0055904, RS0056396 uva). Dabei ist ihm die aktive Geltendmachung einer Forderung keineswegs verwehrt, soweit sie sich auf eine sorgfältig erwogene Rechtsüberzeugung gründet. Ungerechtfertigte Forderungen sowie solche, die auf Mutwillen oder auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhen, ziehen jedoch ebenso disziplinäre Verantwortlichkeit des Rechtsanwalts nach sich (RIS‑Justiz RS0120583 [T1]), wie leichtfertig erhobene (strafrechtliche) Vorwürfe gegen Dritte, die negative Rückschlüsse auf den Anwaltsstand zulassen könnten (vgl RIS‑Justiz RS0112717). Überhaupt hat ein Rechtsanwalt mit besonderer Vorsicht auf die Richtigkeit seiner Erklärungen zu achten; bereits fahrlässige unrichtige Formulierungen sind geeignet, Ehre und Ansehen des Standes zu beeinträchtigen (RIS‑Justiz RS0120395).
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab sowie unter Berücksichtigung der im Disziplinarerkenntnis zur Begründung wiedergegebenen Urteilsannahmen des Bezirksgerichts Innsbruck, wonach DI F***** den Vorstand der T***** GmbH bzw der I***** AG ‑ in deren Geschäftsführung er nicht eingebunden gewesen ist (ES 4) ‑ auf die Problematik des falschen Verrechnungsbrennwerts hingewiesen hat, ist die rechtliche Schlussfolgerung des Disziplinarrats, der Disziplinarbeschuldigte habe auf den Briefadressaten durch den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Mittäterschaft an schwerem gewerbsmäßigem Betrug der Prozessgegner einen sachlich nicht gerechtfertigten Druck (mit unangemessener Härte) ausgeübt, zwar nicht zu bestanden.
Das Verschulden des Disziplinarbeschuldigten ist allerdings nur geringfügig. Unter Berücksichtigung der Konstatierungen im vorliegenden Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck im von ihm in eigener Sache geführten Verfahren, dass „sowohl den Mitarbeitern [also DI F*****] als auch dem Vorstand klar war, dass die Berechnungen falsch sind (US 16) und den Beklagten Arglist vorzuwerfen ist (US 17), ist das inkriminierte, an die Privatadresse DI F*****s gerichtete Schreiben „in milderem Licht zu sehen“. Enthält auch die angefochtene Entscheidung keinerlei Feststellungen zur Publizität, die für die Annahme einer Verletzung von Ehre oder Ansehen des Standes erforderlich ist (vgl Feil/Wennig Anwaltsrecht8 § 1 DSt S 859), so zeigt schon die beschriebene Adressierung, dass es der Disziplinarbeschuldigte nicht auf eine solche anlegte.
Da letztlich auch nur (höchstens) unbedeutende Folgen eingetreten sind, kann gemäß § 3 DSt vorgegangen werden und erübrigt sich ein Eingehen auf das Berufungsvorbringen.
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