European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0210DS00002.19K.0305.000
Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach der Disziplinarrat der Salzburger Rechtsanwaltskammer aus, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung hinsichtlich des Verdachts vorliege, Rechtsanwalt ***** habe dadurch Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes begangen, dass er
(1) entgegen dem Verbot der Doppelvertretung nach § 10 Abs 1 RL‑BA 2015 die M. K***** KG, eine Kommanditgesellschaft nach österreichischem Recht, deren persönlich haftende Gesellschafter Matthias K*****, geboren am *****, und Ernst K*****, geboren am ***** (verstorben am *****), in der Folge dessen Nachlass, vertreten und die ihm erteilte Vollmacht der M. K***** KG erst mit Schreiben vom 6. April 2018 aufgekündigt hat, während er
a) im Frühjahr 2018 für Mag. Christine F***** und Mag. Hans‑Peter K***** die Finanzierung der Kosten eines beabsichtigten Pflichtteilsprozesses gegen den (richtig: Nachlass des) persönlich haftenden Gesellschafter[s] der M. K***** KG, Ernst K*****, organisiert hat,
b) im März 2018 Peter K***** bei der Verfassung und beim Abschluss eines Vertrags vom 29. März 2018 vertreten hat, mit dem der Genannte die Pflichtteilsansprüche gegen die Verlassenschaft nach Ernst K***** von Mag. Christine F***** erwarb,
c) am 11. April 2018 eine Klage gegen die Witwe des verstorbenen Ernst K***** auf Rechnungslegung gemäß § 786 ABGB zu „Vorschenkungen“ des Ernst K***** an die Erbin und hinsichtlich „noch nicht in die Verlassenschaft deklarierten Vermögens von Ernst K*****“ eingebracht hat, und
d) am 11. April 2018 im Namen des Peter K***** aufgrund seiner von Mag. Christine F***** um 60 Millionen Euro erworbenen Ansprüche eine weitere Klage gegen die Verlassenschaft nach Ernst K***** eingebracht hat, wobei ein Pflichtteilsanspruch unter Vorbehalt der Ausdehnung von zunächst 500 Millionen Euro geltend gemacht wurde, weiters
(2) dem Verbot des § 17 RL‑BA 2015 zuwider den Sekretärinnen der M. K***** KG Andrea C***** und Sabine Ka***** ein mit 3. Mai 2018 datiertes Begleitschreiben persönlich übergeben hat, mit dem auf die Möglichkeit strafgerichtlicher Verfolgung hingewiesen wurde, sofern „Unterlagen und Urkunden“ des Erblassers, die „von Herrn Peter K***** zur Verwendung für diese (oben erwähnten) Verfahren bestimmt werden“, unterdrückt werden, und es den Genannten untersagt hat, „Unterlagen und Dokumente“ herauszugeben.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Beschwerde des Kammeranwalts geht fehl.
Ein Beschluss des Inhalts, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt (Einstellungsbeschluss), darf vom Disziplinarrat nur dann gefasst werden, wenn kein Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründenden Verhaltens des angezeigten Rechtsanwalts im Sinn des § 28 Abs 2 DSt vorliegt (RIS‑Justiz RS0056969 und RS0057005; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] § 28 DSt Rz 9).
Vom – eine Verfahrenseinstellung rechtfertigenden – Fehlen eines solchen Verdachts ist (im Licht des § 212 Z 2 StPO [iVm § 77 Abs 3 DSt]) dann auszugehen, wenn das Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angezeigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist. Diese Beurteilung ist Sache der Beweiswürdigung des nach § 28 DSt zu bildenden Senats, wogegen dem erkennenden Senat (§ 30 DSt) die Prüfung vorbehalten bleibt, ob sich der Verdacht zum Schuldbeweis verdichtet hat (RIS‑Justiz RS0056973 [T5]).
Zur Verdachtslage der Doppelvertretung (1/a bis 1/d):
Nach dem angefochtenen Beschluss liegen keine Anhaltspunkte für die Widerlegung der Darstellung des angezeigten Rechtsanwalts vor, wonach er mit dem verstorbenen Ernst K***** selbst keinen Kontakt gehabt, sondern die M. K***** KG im „Tagesgeschäft“ und solcherart außerhalb gesellschaftsrechtlicher, wirtschaftsrechtlicher oder steuerlicher Belange betreut habe. Davon ausgehend verneinte der Disziplinarrat hinsichtlich der Beratung von Pflichtteilsberechtigten nach dem verstorbenen Ernst K*****, der Übernahme eines Mandats von Peter K***** und der Klagsführung gegen die Verlassenschaft nach Ernst K***** (bzw dessen Erben) sowohl die Gefahr der Verletzung einer Verschwiegenheitspflicht bezüglich einer von der früheren Klientin M. K***** KG anvertrauten oder im Zuge deren Vertretung sonst erlangten Information (§ 10 Abs 1 Z 1 RL‑BA 2015) als auch jene, dass Kenntnisse der Belange der früheren Klientin dem neuen Klienten zu einem unlauteren Vorteil gereichen würden (§ 10 Abs 1 Z 2 RL‑BA 2015), es zu einem Interessenkonflikt zwischen der M. K***** KG und Peter K***** kommen könnte (§ 10 Abs 1 Z 3 RL‑BA 2015) oder die Unabhängigkeit des Angezeigten bei der Mandatsausübung auch nur gegenüber einem Klienten nicht gesichert erscheine (§ 10 Abs 1 Z 4 RL‑BA 2015).
Indizien für die Annahme der Befassung des Angezeigten mit persönlichen Agenden des Verstorbenen Ernst K***** oder mit gesellschaftsrechtlichen, wirtschaftsrechtlichen oder steuerlichen Angelegenheiten der M. K***** KG werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt.
Demzufolge stand die bis zur Vollmachtsauflösung am 6. April 2018 andauernde Vertretung der M. K***** KG den zu 1/a bis 1/d dargestellten Vertretungshandlungen unter dem Aspekt allfälliger Interessenkollision (§ 10 RL‑BA 2015) nicht entgegen.
Die Argumentation, der angezeigte Rechtsanwalt könnte als „langjähriger Vertrauensanwalt“ der M. K***** KG Einblick in „alle gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Belange“ und solcherart auch „in Geschäfts‑ und Betriebsgeheimnisse“ erhalten haben, weshalb „nicht auszuschließen“ sei, dass er „diese Kenntnisse nunmehr zum Nachteil der Witwe des verstorbenen Komplementärs“ verwenden würde, entzieht sich als bloße Spekulation einer sachbezogenen Erwiderung.
Die Kritik, es sei der Anzeigerin die Möglichkeit verwehrt gewesen, zur Verantwortung des angezeigten Rechtsanwalts Stellung zu nehmen, übersieht, dass Anzeigern kein Recht auf Gehör im Disziplinarverfahren zukommt (vgl RIS‑Justiz RS0055570 sowie Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] § 47 DSt Rz 6), sondern sie nur über dessen Ergebnis (hier nach § 28 Abs 3 letzter Satz DSt) zu verständigen sind.
Zur Verdachtslage des Einsatzes unerlaubter Druckmittel (2):
Bezüglich des Absehens von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens betreffend den Vorwurf der Druckausübung auf Andrea C***** und Sabine Ka***** erstattete die Beschwerde (trotz des den gesamten Beschluss umfassenden Aufhebungsantrags) kein Vorbringen. Solcherart zeigte sie insofern auch keine Anhaltspunkte für eine (schuldhafte) Verletzung von Standesvorschriften durch den angezeigten Rechtsanwalt auf.
Der Beschwerde des Kammeranwalts war daher insgesamt nicht zu folgen.
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