European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0200OS00012.15P.1211.000
Spruch:
Der Berufung wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass es sich bei der gegenständlichen Strafe um eine Zusatzstrafe zu denen der Erkenntnisse des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 17. Oktober 2011, D 56/10, und vom 24. Juni 2013, D 25/11, handelt.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltenden Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte Dr. ***** zu 1./ und 2./ der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße in der Höhe von 12.000 Euro verurteilt.
Danach hat er
1./ als Rechtsvertreter des Friedrich R***** sen im Zeitraum von Jänner 2002 bis Juli 2007 aus dem Titel des Schadenersatzes von der gegnerischen Haftpflichtversicherung Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls vom 24. Dezember 2001 inkassiert, nämlich insgesamt 147.772,86 Euro, und zwar am 28. März 2002 4.000 Euro, am 17. April 2002 10.000 Euro, am 1. Juli 2002 6.500 Euro, am 3. Oktober 2002 14.500 Euro, am 9. April 2003 45.133,37 Euro, am 9. Juli 2003 60.000 Euro, am 14. Juli 2005 10.000 Euro und am 25. Juli 2007 27.718,20 Euro, darin enthalten an gewidmeten Rechtsvertretungskosten 29.178,71 Euro zuzüglich 900 Euro an Ersatz für außergerichtliche Gutachtenskosten, vom verbleibenden Fremdgeld jedoch nur den Betrag von 75.584 Euro an die Berechtigten weitergeleitet und daher einen Betrag von 72.188,86 Euro an gewidmeten Fremdgeldern einbehalten, ohne diese an die Berechtigten weiterzuleiten und ohne diese mit den Berechtigten zu verrechnen;
2./ nachdem seine Honorarverrechnung in dieser Rechtssache der Höhe nach mit Ersuchen der Berechtigten vom 5. November 2009 an die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer um Kostenprüfung bestritten wurde, den strittigen Betrag nicht bei Gericht hinterlegt.
Der Disziplinarbeschuldigte erhebt gegen das Erkenntnis eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe, wobei er im Rahmen der Schuldberufung die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO geltend macht (RIS‑Justiz RS0128656 [T1]).
Dem sowohl eingangs der Mängelrüge (Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 9 lit a) als auch am Beginn der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobenen Einwand eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite entgegen lässt eine Analyse des vom Disziplinarrat festgestellten Verhaltens des Disziplinarbeschuldigten zweifelsfrei den Willen des Spruchkörpers erkennen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19; RIS‑Justiz RS0117228), einen (zumindest bedingten) Vorsatz, jedenfalls aber fahrlässiges Handeln des Disziplinarbeschuldigten zu konstatieren (ES 11; vgl RIS‑Justiz RS0055146; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 DSt § 1, 855).
Die weiters von der Mängelrüge (Z 5 zweiter, vierter und fünfter Fall) ins Treffen geführten Begründungsmängel der Unvollständigkeit, der fehlenden bzw offenbar unzureichenden Begründung und der Aktenwidrigkeit werden bloß behauptet, aber nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
Wenn die Berufung weiters ausführt, dass die Kostenaufstellung vom 13. Mai 2009 nie Grundlage für eine Honorarabrechnung gewesen wäre, widerspricht sie lediglich dem gegenteiligen Ergebnis der Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses (ES 8). Der Disziplinarbeschuldigte selbst nennt seine Abrechnung vom 13. Mai 2009 „Schlussrechnung“, die er aufgrund der von ihm gekündigten Vollmacht legte.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), der Disziplinarbeschuldigte habe ohnehin die gesamten Beträge abgerechnet, orientiert sich in prozessordnungswidriger Weise nicht an der Erkenntnistatsache des unabgerechneten Einbehaltens von Geldbeträgen (ES 6).
Das Vorbringen, dass zu Folge wesentlich verspäteter Bestreitung der Vertretungsleistungen das Unterlassen des Gerichtserlags nicht disziplinär wäre, vernachlässigt, dass die Bestimmungen des § 19 Abs 1, Abs 3 RAO keinen Spielraum eröffnen, vielmehr im Fall des Eingangs von Klientengeldern eine unverzügliche Abrechnung in ziffernmäßig überprüfbarer Weise gefordert ist (SZ 25/176; AnwBl 1959, 16, 1990, 45 ua). Jedenfalls ist der Rechtsanwalt zu einer längeren Hinausschiebung nicht befugt, ohne sich disziplinär verantwortlich zu machen, wenn nicht gar der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung auszusetzen (RIS‑Justiz RS0033851 [T6]).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) releviert den Strafaufhebungsgrund der Verjährung gemäß § 2 Abs 1 Z 2 DSt, weil das Einbehalten und Nichtverrechnen von Fremdgeldern den Zeitraum von Jänner 2002 bis Juli 2007 umfassen und innerhalb des Zeitraums von 5 Jahren nach Beendigung des disziplinären Verhaltens kein Einleitungsbeschluss gefasst wurde.
Inhaltlich des angefochtenen Erkenntnisses (ES 8) hat der Disziplinarbeschuldigte bis 25. Juli 2007 von der gegnerischen Versicherung einen Betrag von insgesamt 177.851,57 Euro für Friedrich R***** sen erhalten, von dem er in Teilzahlungen insgesamt einen Betrag von 75.584 Euro an seinen Mandanten ausbezahlte. Einen Betrag von 29.178,71 Euro behielt er als von der gegnerischen Haftpflichtversicherung anerkannte Kosten ein; im Übrigen hat er für die Einholung eines Gutachtens 900 Euro aufgewendet. Damit ergibt sich ein Betrag von 72.188,86 Euro, der gegenüber dem Mandanten des Disziplinarbeschuldigten erst mit Honorarnote vom 13. Mai 2009 abgerechnet wurde.
Der Verstoß gegen § 19 RAO begründet ein Dauerdelikt, da das Nichtverrechnen für seine Partei eingegangener Barschaften einen rechtswidrigen Zustand schafft, der vom Disziplinarbeschuldigten in der Folge aufrecht erhalten und durch dessen Fortdauer ununterbrochen weiter verwirklicht wird (RIS‑Justiz RS0076137 und RS0124122). Eine Verjährung nach § 2 Abs 1 Z 2 DSt ist nicht eingetreten, weil das inkriminierte Verhalten im Gegenstand erst mit der Rechnungslegung am 13. Mai 2009 endete (ES 8) und der Einleitungsbeschluss (TZ 29) innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist am 28. April 2014 erging.
Die rechtliche Bedeutung des Einleitungsbeschlusses liegt allein darin, dass ein Disziplinarverfahren aufgrund einer konkreten Anschuldigung seinen Fortgang nehmen kann. Anders als im gerichtlichen Strafverfahren, wo die Anklage bei sonstiger Nichtigkeit nicht überschritten werden darf, gibt es im Disziplinarverfahren keine Bindung an den Einleitungsbeschluss (VfSlg 4557, 5697; vgl jüngst 25 Os 6/15t). Der Einleitungsbeschluss vom 28. April 2014 (TZ 29) nennt als Tatvorwurf ausdrücklich, dass der Disziplinarbeschuldigte die ihm im Zeitraum Mai 2002 bis Oktober 2007 seitens der Haftpflichtversicherung zugegangenen Beträge „nicht in jener Höhe an den Berechtigten weitergeleitet habe, die diesem zustehen“. Damit wird klar zum Ausdruck gebracht, dass dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfen wird, ihm zugegangene Beträge mit seiner Mandantschaft nicht verrechnet zu haben. Die Weiterleitung eines Betrags nicht in zustehender Höhe setzt begrifflich eine Abrechnung (hier die vom 13. Mai 2009) voraus. Der diesbezügliche Einwand des Berufungswerbers in seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur ist damit unbegründet.
Die Ausführungen der Berufung wegen Schuld vermögen keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des erkennenden Senats zu begründen. Dieser hat die Verfahrensergebnisse einer gründlichen Beurteilung und lebensnahen Würdigung unterzogen und logisch‑empirisch unbedenklich dargetan, wie er zu den Feststellungen gelangte, wobei er sich auch auf die Darstellungen des Disziplinarbeschuldigten selbst stützen konnte (ES 9).
Der Feststellung des erkennenden Senats, dass erstmals mit Honorarnote vom 13. Mai 2009 Leistungen gegenüber den Berechtigten verrechnet wurden, kann der Disziplinarbeschuldigte nichts Substanzielles entgegen halten, wenn er vorbringt, dass die Beilagen ./1 bis ./7 auf zwischenzeitige Abrechnungen schließen lassen. Keines dieser Schriftstücke erfüllt die Anforderung an eine ordnungsgemäße Verrechnung gemäß § 19 Abs 1 RAO auch nur annähernd. Wenn der Disziplinarbeschuldigte vorbringt, dass er von der gegnerischen Haftpflichtversicherung für seinen Mandanten inkassierte Beträge als Kostenvorschuss für künftige Leistungen einbehalten wollte, widerspricht dies der Verpflichtung der sofortigen Verrechnung gemäß § 19 Abs 1 RAO sowie dem Erfordernis, dass der Einbehalt von Kostenakontobeträgen einer Vereinbarung bedarf, die durch einseitiges Handeln (siehe Beilage ./10) nicht ersetzt werden kann.
Der Verweis des Berufungswerbers auf seinen Delegierungsantrag vom 5. August 2014 scheitert schon an dessen Abweisung durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 15. Oktober 2014, GZ 20 Ns 3/14d‑7.
Die Einstellung des gegen dem Disziplinarbeschuldigten geführten Verfahrens 6 St 135/12w der Staatsanwaltschaft Wels entfaltet für das gegenständliche Disziplinarverfahren keine Konsequenz, da verschiedene Beurteilungsgrundlagen verschiedene Ergebnisse haben können (und dürfen) und eine Bindung selbst an ein allenfalls freisprechendes Urteil des Strafgerichts für das anwaltliche Disziplinarverfahren nicht besteht (AnwBl 1998, 52; zur Problematik des Art 4 7. ZPMRK vgl Schwab in WK2 MilStG § 1 Rz 9 ff).
Der Berufungswerber bekämpft die Feststellung, wonach seine Honorarverrechnung mit Eingabe der Berechtigten vom 5. November 2009 an die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer um Kostenprüfung bestritten wurde. Er gesteht aber ausdrücklich zu, dass dieses Ersuchen eine Bestreitung dem Grunde nach darstellt und erst subsidiär die Dauer der Konferenzen angezweifelt werden und lässt sein Vorbringen sohin unschlüssig werden.
Im Rahmen einer Schuldberufung ist nach § 49 DSt 1990 das Vorbringen neuer Tatsachen und die Benützung neuer Beweismittel zulässig, es sei denn, dass diese dem Berufungswerber bereits spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Beweisverfahrens im Verfahren vor dem Disziplinarrat bekannt waren oder bekannt sein mussten und es ihm nicht als Versehen minderen Grades anzulasten ist, dass er von diesem nicht Gebrauch gemacht hat. Diese Begrenzung der Zulässigkeit des Vorbringens von Neuerungen oder neuen Beweismitteln erfordert nach dem Sinn dieser Bestimmung, welche auf Ausnahmesituationen abstellt, die in der Regel nur dem Rechtsmittelwerber bekannt sein können, eine entsprechende Darlegung dazu.
Die im Rechtsmittel beantragte „Beweisergänzung“ durch Vernehmung des Zeugen Dr. Gerhard H***** lässt nicht erkennen, weshalb dem Berufungswerber Unterlassung der Antragstellung im Verfahren erster Instanz nicht als Versehen minderen Grades anzulasten sei. Dazu kommt, dass der vorliegende Beweisantrag jegliches Beweisthema (welches sich auf erhebliche Tatsachen beziehen müsste) vermissen lässt, und führt er auch nicht an, inwiefern das Beweismittel geeignet gewesen wäre, das vom Disziplinarbeschuldigten angestrebte Ergebnis zu erreichen.
Aufgrund des § 19 Abs 3 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, eingegangene Barschaften gerichtlich zu erlegen, sofern die Richtigkeit und Höhe seiner Honorarforderung bestritten wird. Dazu bedarf es keiner Weisung des Ausschusses einer Rechtsanwaltskammer, da diese Verpflichtung ex lege besteht. Was den Zeitpunkt der Vornahme des gerichtlichen Erlags anbelangt, liegt keine angesuchte gütliche Beilegung im Wege der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vor, sodass die Erlagsverpflichtung unverzüglich zu erfüllen war (13 Bkd 2/00).
Der Disziplinarrat hat bei Ausmittlung der Geldbuße in Höhe von 12.000 Euro nicht nur die jeweils zweifache Qualifikation der vom Disziplinarbeschuldigten zu vertretenden beiden Verstöße als Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes als erschwerend gewertet, sondern auch drei Vorstrafen (davon zwei ‑ DV 20/05 und DV 8/12 ‑ einschlägige), den langen Zeitraum, in dem der Disziplinarbeschuldigte die den Berechtigten zustehenden Gelder nicht abrechnete und trotz Bestreitung der Abrechnung nicht gerichtlich hinterlegte oder ausbezahlte, sowie die Höhe des nicht abgerechneten bzw nicht hinterlegten Betrags.
Der Disziplinarbeschuldigte ist im Recht, wenn er die über ihn im Zeitraum 4. März bis 5. August 2013 verhängte einstweilige Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung sowie des Entzugs des Vertretungsrechts in Strafsachen vor einigen Gerichten und Behörden in Oberösterreich gemäß § 19 Abs 7 erster Satz DSt als mildernd berücksichtigt wissen will.
Wenn er sich dadurch beschwert erachtet, bei Ausmessung der Geldbuße sei nicht auf seine Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse Bezug genommen worden, ist er daran zu erinnern, dass er im gesamten Verfahren diesbezügliche Ausführungen unterließ. Deshalb ist von jedenfalls durchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Disziplinarbeschuldigten auszugehen.
Die Geldbuße war als Zusatzstrafe gemäß § 16 Abs 5 DSt, § 31 StGB zu verhängen, da auf folgende Verurteilungen Bedacht zu nehmen war:
Erkenntnis vom 17. Oktober 2011, D 56/10, DV 35/11, mit welchem der Disziplinarbeschuldigte schuldig erkannt wurde, im Oktober 2010 entgegen §§ 8, 14, 15 RAO und 7 RL‑BA Winkelschreiberei begünstigt und damit die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen zu haben und dafür eine Geldbuße von 2.000 Euro erhielt; dieses Erkenntnis wurde von der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission am 3. September 2012, 10 Bkd 2/12, mit der Maßgabe bestätigt, dass die Qualifikation des Verstoßes nach den §§ 14, 15 RAO zu entfallen habe;
Erkenntnis vom 24. Juni 2013, D 25/11, DV 8/12, mit welchem der Disziplinarbeschuldigte schuldig erkannt wurde, in der Zeit von Jänner 2007 bis einschließlich 16. März 2011 31.750 Euro vom Konto seiner Mandantin behoben und sich nicht sogleich im Sinn des § 19 RAO mit ihr verrechnet zu haben. Für die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes wurde unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis zu D 56/10, DV 35/11 vom 17. Oktober 2011 eine Zusatzgeldbuße von 1.000 Euro verhängt.
Die vom Disziplinarbeschuldigten zu vertretenden Disziplinarverstöße sind als gravierend zu bezeichnen, da korrekter Umgang und peinliche Genauigkeit mit Klientengeldern zu den vornehmsten Pflichten eines Rechtsanwalts zählt.
Hält man sich die Mehrzahl dem Disziplinarvergehen nach Art und Umfang vor Augen, erweist sich die vom Disziplinarrat geschöpfte Unrechtsfolge auch als Zusatzstrafe nicht überhöht.
Der Berufung war somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 41 DSt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)