OGH 1Ob95/10t

OGH1Ob95/10t10.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Silvana R*****, vertreten durch Mag. Michael Alber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sheptim R*****, vertreten durch Pitzal & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 9.000 EUR sA (Revisionsinteresse 8.400 EUR sA), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2010, GZ 45 R 599/09k-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 10. Juni 2009, GZ 7 C 786/08k-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 742,27 EUR (darin enthalten 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten als ihren vormaligen Ehemann aufgrund einer im Rahmen der Scheidung nach § 55a EheG getroffenen Vereinbarung an rückständigen monatlichen "Ausgleichszahlungen“ 9.000 EUR. Sie brachte vor, im Scheidungsvergleich sei zwar "offiziell“ ein wechselseitiger Unterhaltsverzicht enthalten. Der Beklagte habe sich aber unmittelbar vor der Scheidungsverhandlung zu einer "inoffiziellen Unterhaltsleistung“ in Höhe von 600 EUR monatlich verpflichtet. Diese Vereinbarung sei nach dem Willen des Beklagten schriftlich in einer separaten Vereinbarung festgehalten worden.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, die schriftliche Vereinbarung enthalte eine abstrakte Verpflichtung, welche mangels Nennung eines Rechtsgrundes ohne Wirkung sei. Die bisher der Klägerin erbrachten Zahlungen seien freiwillige Unterstützungsleistungen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 8.400 EUR sA statt und wies das restliche Klagebegehren ab. Diese Abweisung erwuchs in Rechtskraft. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:

"Der Beklagte drängte auf Durchführung der Scheidung. Die Klägerin schenkte seinen Beteuerungen Glauben, er werde auch in Zukunft in finanzieller Hinsicht für sie und die gemeinsamen Kinder sorgen. Auf Wunsch des Beklagten unterfertigte sie unmittelbar vor der Scheidungsverhandlung im Gerichtsgebäude eine von diesem vorbereitete Vereinbarung (Beilage ./A), nach der er sich zu einer monatlichen Zahlung von 600 EUR an sie verpflichtete. Dieser Vereinbarung sollte Geltung bis zu jenem Zeitpunkt zukommen, an dem sie von beiden Teilen einvernehmlich aufgehoben wird. Nach dem Willen beider Streitteile diente die vom Beklagten laut Beilage ./A eingegangene Verpflichtung zur finanziellen Absicherung der Klägerin nach der Scheidung. In der unmittelbar nachfolgenden Scheidungsverhandlung unterfertigten die Streitteile den Scheidungsfolgenvergleich. Nach dessen Pkt II verzichten die Ehegatten wechselseitig auf Unterhalt, dies auch für den Fall geänderter Verhältnisse, geänderter Rechtslage und unverschuldeter Not. Sowohl der Klägerin als auch dem Beklagten war klar, dass mit diesem Verzicht die Vereinbarung Beilage ./A nicht außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden sollte. Zu keinem Zeitpunkt war davon die Rede, dass diese Vereinbarung befristet gelten sollte.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, der Beklagte habe sich gegenüber der Klägerin zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 600 EUR verpflichtet. Es liege weder eine abstrakte noch eine befristete Zahlungsverpflichtung vor.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im Umfang der Klagestattgebung sowie der Kostenentscheidung auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der im Rahmen der einvernehmlichen Scheidung abgegebene Unterhaltsverzicht sei als Scheingeschäft anzusehen, weil die Parteien unmittelbar davor eine anderslautende Vereinbarung getroffen haben, der ihrem Willen nach Geltung zukommen sollte. Dies führe zur Nichtigkeit des den Unterhaltsverzicht enthaltenden Teil des Scheidungsfolgenvergleichs. Selbst wenn die Vereinbarung Beil ./A keinen Rechtsgrund nenne, ergebe deren Auslegung, dass sie Unterhaltszahlungen zum Gegenstand habe. Jeder Unterhaltsvereinbarung wohne aber die Umstandsklausel inne, sodass im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen der Ehegatten und deren Sorgepflichten zu treffen sein werden.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (RIS-Justiz RS0042392) - ist das als Rekurs an den Obersten Gerichtshofs zu wertende, als "Revisionsrekurs“ bezeichnete, Rechtsmittel des Beklagten nicht zulässig.

1. Ein Vergleich über die Scheidungsfolgen nach § 55a Abs 2 EheG ist wie jeder gerichtliche Vergleich (auch) ein Rechtsgeschäft, dessen materielle Gültigkeit nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zu beurteilen ist (Aichhorn in Gitschthaler/Höllwerth, Ehegesetz, § 55 Rz 37). Dass der Unterhaltsverzicht im Rahmen des Scheidungsfolgenvergleichs erfolgte, erbringt nur den Beweis dafür, dass die Erklärungen vor dem Richter abgegeben wurden, nicht aber, dass sie dem Vertragswillen der Parteien entsprechen. Die Klägerin konnte sich demnach im vorliegenden Verfahren darauf berufen, dass der Unterhaltsverzicht lediglich zum Schein abgegeben wurde (10 ObS 207/03v). Ist ihr der Beweis des Vorliegens der Voraussetzungen eines Scheingeschäfts nach § 916 Abs 1 ABGB gelungen (RIS-Justiz RS0018084), ist der Oberste Gerichtshof an die Feststellung gebunden, die Vereinbarung habe nicht dem wahren Willen der Partner entsprochen, sondern sei im beiderseitigen Einverständnis nur zum Schein abgegeben worden (RIS-Justiz RS0043610). Der wechselseitige Unterhaltsverzicht erwies sich als nach § 916 Abs 1 Satz 1 ABGB unwirksam, weil er von beiden Seiten nicht gewollt war und auch keiner der Partner auf die Wirksamkeit der Erklärung vertraute (SZ 59/108 uva). Da aus dem Scheincharakter Nichtigkeit resultiert, bedarf es keiner Anfechtung mittels Rechtsgestaltungsklage.

2. Hinter dem zum Schein abgegebenen Unterhaltsverzicht steht die schriftliche Vereinbarung Beilage ./A als verdecktes Geschäft. Dieses ist nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen. Das von den Vorinstanzen erzielte Auslegungsergebnis, es sollte eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten zu Unterhaltsleistungen begründet werden, ist keinesfalls unvertretbar. Liegt der wirtschaftliche Grund der Verpflichtung in der Erbringung von Unterhaltszahlungen, erweist sich der Einwand des Beklagten unbeachtlich, die Vereinbarung stelle ein ungültiges abstraktes Verpflichtungsgechäft dar. Vertragliche Unterhaltsvereinbarungen zwischen Eheleuten sind nicht an die Form eines Notariatsakts gebunden (RIS-Justiz RS0014598). Zutreffend ist auch die dem Aufhebungsbeschluss zugrundeliegende Rechtsansicht, der Vereinbarung wohne als eine im redlichen Verkehr geltende Gewohnheit die Umstandsklausel inne, sodass jede wesentliche Veränderung der Verhältnisse zu einer Neufestsetzung des Unterhalts führt (RIS-Justiz RS0018984).

Da weder der vom Berufungsgericht bezeichneten Rechtsfrage erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt noch der Rekurswerber eine derartige Rechtsfrage aufzeigt, ist der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS-Justiz RS0123222). Vielmehr hat die Klägerin Anspruch auf Kostenersatz, da sie in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen hat.

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