OGH 1Ob72/20z

OGH1Ob72/20z25.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der J*, geboren am * 1943, *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Einschreiterin Dr. R*, vertreten durch Mag. Hans Peter Puchleitner, Rechtsanwalt in Fehring, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 20. Jänner 2020, GZ 2 R 7/20v‑96, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom 1. April 2019, GZ 12 P 2/20h‑49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128575

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 127 Abs 3 AußStrG steht einem in Abs 1 leg cit genannten Angehörigen gegen den Beschluss über die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters „im Hinblick auf die Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters“ der Rekurs (und aufgrund einer analogen Anwendung dieser Bestimmung gegen die Entscheidung des Rekursgerichts der Revisionsrekurs; vgl 6 Ob 70/19s) zu. Dass überhaupt ein Erwachsenenvertreter bestellt oder mit welchem Wirkungsbereich dieser betraut wurde, kann von einer solchen Person hingegen nicht angefochten werden. Ihre Rechtsmittellegitimation beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vorbringen, die Auswahl des gerichtlichen Erwachsenenvertreters sei nicht im Einklang mit § 274 ABGB erfolgt, weil sich das Gericht über die dort vorgesehene hierarchische Ordnung der auszuwählenden Personen hinweggesetzt und nicht die am besten geeignete Person bestellt habe (vgl 6 Ob 70/19s; 7 Ob 136/19d). Damit ist auf die Ausführungen der Rechtsmittelwerberin (die zumindest im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis [„ÖZV“] als gewählte Erwachsenenvertreterin der Betroffenen eingetragen war) zur Frage, ob überhaupt ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen war, nicht einzugehen.

2. Dass zum Umfang der in § 127 Abs 3 AußStrG normierten (beschränkten) Rechtsmittellegitimation der in Abs 1 dieser Bestimmung genannten Personen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe, ist unrichtig (vgl die bereits zitierten Entscheidungen; siehe auch 3 Ob 148/19i), würde angesichts des klaren Gesetzeswortlauts aber auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründen (vgl RS0042656 [T54]).

3. Soweit die Revisionsrekurswerberin davon ausgeht, dass sie selbst anstelle der vom Erstgericht ausgewählten Person zum Erwachsenenvertreter für die Betroffene bestellt werden hätte müssen, legt sie nicht dar, warum dies deren Wohl eher entsprochen hätte. Dabei – also beim Wohl der Betroffenen – handelt es sich aber um das entscheidende Kriterium für die Auswahl der Person des gerichtlichen Erwachsenenvertreters (vgl RS0132245; Stefula in KBB6 § 273 ABGB Rz 1). Mit ihrem Hinweis darauf, dass sie im ÖZV als gewählte Erwachsenenvertreterin eingetragen wurde, vermag die Rechtsmittelwerberin bereits deshalb keine Korrekturbedürftigkeit der Bestellung einer familienfremden Person zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter aufzuzeigen, weil sie sich mit der dahinterstehenden Erwägung des Rekursgerichts, dass im Hinblick auf bestehende familiäre Konflikte keine der Betroffenen nahestehende Person (und daher auch nicht die Einschreiterin als Nichte der Betroffenen) als Erwachsenenvertreter zu bestellen war, nicht auseinandersetzt. Warum die Eintragung der Einschreiterin als gewählte Erwachsenenvertreterin im ÖZV bereits nach rund 14 Tagen – mit dem Hinweis „Nachträgliches Hervorkommen von Umständen im Sinn des § 243 Abs 1 Ziffer 2 ABGB, wonach als Erwachsenenvertreter nicht eingesetzt werden darf, wer eine dem Wohl der volljährigen Person förderliche Ausübung der Vertretung nicht erwarten lässt, etwa wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung“ – wieder gelöscht wurde, muss mangels Darlegung konkreter Bedenken an der (besseren) Eignung des vom Erstgericht bestellten Erwachsenenvertreters nicht geprüft werden.

4. Der mit dem behaupteten Verfahrensmangel (der Revisionsrekurs spricht von einem „Nichtigkeitsgrund“) der vom Erstgericht verweigerten Akteneinsicht (insbesondere in den „zweiten Clearingbericht“) angesprochene Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Einschreiterin (die sich mangels Aktenkenntnis nicht ausreichend zu den Verfahrensergebnissen äußern habe können) wirkt nicht absolut; vielmehr muss der Rechtsmittelwerber dessen Relevanz für die bekämpfte Entscheidung einigermaßen konkret aufzeigen (vgl RS0120213 [T14, T15, T21]). Bloß abstrakte Erwägungen reichen nicht aus (RS0120213 [T23]). Der Einschreiterin wurde am 19. 2. 2020 (sohin vor Einbringung des Revisionsrekurses) Akteneinsicht gewährt, wovon sie auch in ihrem Rechtsmittel ausgeht. Was sich aus dem von ihr eingesehenen „Clearingbericht“ – hinsichtlich ihres Standpunkts betreffend die Person des Erwachsenenvertreters – konkret ergeben hätte sollen, lässt der Revisionsrekurs aber nicht erkennen. Die bloße Behauptung, es hätten sich bei einer (früheren) Einsichtnahme in diesen Bericht „sehr wohl Einwendungen auch in der Person des vom Gericht bestellten Erwachsenenvertretes“ ergeben, vermag die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht darzulegen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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