Normen
ABGB §269
ABGB §271
GmbHG §89
HGB §125 Abs2
HGB §150 Abs2
ZPO §8
ZPO §102
ZPO §103 Abs3
ZPO §105
ZPO §106
ZPO §158
ABGB §269
ABGB §271
GmbHG §89
HGB §125 Abs2
HGB §150 Abs2
ZPO §8
ZPO §102
ZPO §103 Abs3
ZPO §105
ZPO §106
ZPO §158
Spruch:
Die Bestimmung des § 125 Abs. 2 dritter Satz HGB, auf die § 150 Abs. 2 zweiter Satz verweist, ist auch für mehrere gemeinsam vertretungsbefugte Liquidatoren einer GesmbH anzuwenden; jeder Liquidator ist daher passiv allein vertretungsbefugt
Bringt der Liquidator einer GesmbH gegen die in Liquidation befindliche Gesellschaft eine Klage ein, kann die Zustellung der Klage zu seinen Handen nicht wirksam erfolgen.
Ist einer von zwei kollektivvertretungsbefugten Liquidatoren einer GesmbH durch Interessenkollision nicht mehr befugt, rechtswirksame Erklärungen für die Gesellschaft abzugeben, tritt nicht eine Alleinvertretungsbefugnis des verbliebenen Liquidators ein; solange für die gesetzliche Vertretung der Gesellschaft nicht gesorgt ist, ist ein Verfahren mit der Zustellung der Klage an den verbliebenen Liquidator unterbrochen
OGH 16. September 1981, 1 Ob 715/81 (OLG Graz 6 R 98/81; LG Klagenfurt 21 Cg 253/79)
Text
Die beklagte GesmbH befindet sich in Liquidation. Zu ihren Liquidatoren sind der Kläger und Walter H gemeinsam bestellt.
Der Kläger begehrt die Fällung des Urteils, daß ein zwischen ihm und der beklagten Partei am 19. Juni 1979 beurkundeter Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 233 KG P aufgehoben sei. In der Klage wird nicht angegeben, wer für die beklagte Partei vertretungsbefugt sei und wem die Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung zuzustellen wäre. Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung wurden für die beklagte Partei übernommen. Zur ersten Tagsatzung erschien für die beklagte Partei niemand. Über Antrag des Klägers erging ein stattgebendes Versäumungsurteil, das am 24. November 1979 an die beklagte Partei zugestellt wurde. Diese erhob bloß durch den Liquidator Walter H am 21. Mai 1981 Berufung aus den Nichtigkeitsgrunden des § 477 Abs. 1 Z. 4 und 5 ZPO. In der Berufung brachte die beklagte Partei vor, die Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung sowie das Versäumungsurteil seien vom Kläger selbst übernommen worden, eine Zustellung an den Liquidator Walter H sei nicht erfolgt. Dieser habe erst am 7. Mai 1981 vom Versäumungsurteil Kenntnis erhalten. Mit diesem Tage habe daher die Berufungsfrist zu laufen begonnen.
Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Die Liquidatoren seien nach ihrem Vorbringen nur gemeinsam vertretungsbefugt. Es sei daher keiner allein berechtigt, namens der beklagten Partei im Prozeß vor Gericht einzuschreiten. Die nur von Walter H unterfertigte Vollmacht des Beklagtenvertreters sei mangels Unterschrift der nur gemeinsam zeichnungsberechtigten Liquidatoren für die beklagte Partei nicht wirksam. Der Versuch einer Sanierung dieses Mangels der gesetzlichen Vertretung der beklagten Partei sei nicht zielführend, da der Kläger bereits erklärt habe, der Einbringung der Berufung seine Zustimmung zu versagen. Die Berufung sei daher gemäß § 472 Abs. 1 ZPO unzulässig. Es bestehe eine Interessenkollision, der nur durch Bestellung eines Prozeßkurators für die beklagte Partei nach § 8 ZPO Rechnung getragen werden könne. Klage ein Geschäftsführer oder ein Liquidator einer GesmbH die Gesellschaft und sei kein Aufsichtsrat bestellt, so sei der Kläger in sinngemäßer Anwendung des § 42 GmbHG von der Vertretung der beklagten Gesellschaft im Prozeß ausgeschlossen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem von der durch den Liquidator Walter H einschreitenden beklagten Partei erhobenen Rekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 150 Abs. 1 HGB, der gemäß § 90 GmbHG in Verbindung mit Art. 3 EVHGB auch für die Liquidatoren einer GesmbH gilt, wird die Gesellschaft, wenn nichts anderes bestimmt ist, von mehreren Liquidatoren gemeinschaftlich vertreten. Schon unter der Geltung des Allgemeinen Handelsgesetzbuches, auf dessen Art. 136 § 90 GmbHG ursprünglich verwies, war es aber anerkannt, daß für die passive Vertretung einer in Liquidation befindlichen offenen Handelsgesellschaft die Vorschrift des Art. 117 Abs. 2 AHGB sinngemäß anzuwenden sei (Bettelheim in Staub - Pisko[3] I, 582). Zur Empfangnahme von Vorladungen oder Zustellungen war also jeder auch nur kollektiv zeichnungsberechtigte Liquidator allein befugt (Bettelheim a.a.O., 502). Die Vorschrift des § 125 Abs. 2 dritter Satz HGB, auf die § 150 Abs. 2 zweiter Satz HGB verweist, ist auch für mehrere gemeinsam vertretungsbefugte Liquidatoren einer GesmbH anzuwenden. Jeder Liquidator ist daher passiv allein vertretungsbefugt (Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts[3], 78 106; Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbHG[6], § 68 RZ 7; Hueck, Das Recht der OHG[4], 287, 334; Eder, Handbuch der GmbH[9] I, RZ 730. 1; Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH[5], 542). Der Kläger, der seine eigene mit der in Liquidation befindlichen beklagten Partei in Kollision stehende Rechtssphäre ihr gegenüber bindend festgestellt wissen will, befand sich aber zwangsläufig in Kollision seiner eigenen Interessen mit denen der Gesellschaft. Eine Zustellung der Klage an die beklagte Gesellschaft zu seinen Handen konnte daher wirksam nicht erfolgen (Fasching II, 594; Bettelheim a.a.O., 588; Schneider in Scholz a. a.O., § 35 RZ 78).
Der zweite gesamtvertretungsbefugte Liquidator Walter H brachte in der namens der Gesellschaft eingebrachten Berufung vor, dieser Zustellmangel sei gemäß § 108 ZPO am 7. Mai 1981 saniert worden, als ihm das angefochtene Versäumungsurteil zur Kenntnis gelangte. Es ist daher die Frage zu prüfen, ob durch die für den Kläger bestehende Interessenkollision, die es kraft der analog anzuwendenden Vorschriften der §§ 269, 271 ABGB ausschloß, auch für die beklagte Gesellschaft tätig zu werden (Fasching, Prozeßrechtliche Probleme der Kollision bei kollektivvertretungsbefugten Gesellschaftern einer OHG, GesRZ 1977, 37 f.; vgl. Wentzel - Piegler in Klang[2] I/2, 496 FN 1; Doralt in Kastner - Stoll, Die GmbH & Co KG[2], 295 FN 229), das Alleinvertretungsrecht auf den zweiten Liquidator Walter H überging. Diese Ansicht wird zwar von Schilling in GroßkommHGB[3] II/2, 57, RZ 47 und für den Fall mehrerer Geschäftsführer einer GesmbH von Schneider in Scholz a.a.O., § 35 RZ 77 vertreten, von der deutschen Lehre überwiegend, von der österreichischen Lehre und Rechtsprechung sowie der deutschen Rechtsprechung (BGHZ 41, 367, 368, 369; RGZ 116, 116) aber allgemein abgelehnt. Fasching, Prozeßrechtliche Probleme a.a.O., führt für den Fall gemeinschaftlich vertretungsbefugter Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft aus, daß jener Vertreter, der in Wahrung seiner eigenen, ihm persönlich zustehenden Rechte in unmittelbare und zwangsläufige Kollision mit den Rechten des Vertretenen geraten müßte, kraft Gesetzes und kraft allgemeiner Rechtsgrundsätze nicht mehr befugt sei, rechtswirksame Erklärungen für den Vertretenen abzugeben oder rechtswirksam an einer Willensbildung für den Vertretenen mitzuwirken. Falle aber der eine der beiden kollektiv Vertretungsbefugten für die Willensbildung namens der Gesellschaft aus, dann könne eine gesetzes- und vertragsmäßige Vertretung nach außen nicht stattfinden. Es fehle überhaupt an einem rechtswirksamen Vertreter (vgl. Doralt a.a.O., 295; Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts[3], 79). Hueck a.a.O., 289 und Fischer in GroßkommHGB[3] II/1, 254 lehren, daß bei Fortfall eines Gesamtvertreters einer offenen Handelsgesellschaft nicht etwa der andere Gesellschafter, der mit ihm zusammen vertretungsbefugt gewesen sei, alleinige Vertretungsmacht erhalte. Handelt es sich um einen Rechtsstreit, so sei zu dessen Führung für eine besondere Vertretung der Gesellschaft zu sorgen. Der von Hueck a.a.O. für den Fall kollektiv vertretungsbefugter Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft vorgeschlagene Weg, daß dann die Vertretung auf alle restlichen, bisher auch nicht zur Vertretung befugten Gesellschafter kollektiv übergehe (vgl. BGHZ 33, 105, 108) kann für die Liquidation einer GesmbH nicht angewendet werden (Eder a.a.O., I RZ 583.1; Mertens in Hachenburg[7] II, § 35 RZ 249). Das Gesetz bietet auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß bei Wegfall eines kollektiv vertretungsbefugten Liquidators der zweite verbliebene Liquidator allein vertretungsbefugt würde (Schilling in Hachenburg, Kommentar[6] II, 11). Eine Verhinderung eines Liquidators einer GesmbH führt bei Gesamtvertretung nicht zur aktiven Einzelvertretung des oder der weiteren Liquidatoren. Der Kläger könnte nur etwa den zweiten Liquidator im Sinne des § 150 Abs. 2 HGB zur Führung des Prozesses ermächtigen (RGZ 116, 116, 118); was er aber in seiner Berufungsmitteilung ausdrücklich ablehnte. Einen weiteren Weg weisen die Bestimmungen des § 89 Abs. 2 und 3 GmbHG. Dem Handelsgericht steht die Befugnis zu, Liquidatoren abzuberufen und andere oder weitere Liquidatoren zu bestellen (vgl. Schlegelberger - Gessler[4] II, 1292; Sudhoff a.a.O., 544). Vor allem bleibt die Möglichkeit, wegen der bestehenden Interessenkollision im Sinne der Vorschriften der §§ 269, 271 ABGB oder des § 8 ZPO einen Kurator zu bestellen (Doralt a.a.O., 295; Kastner a.a.O., 79; Fasching, Prozeßrechtliche Probleme, 39). Gerade diesem Weg folgte auch wiederholt die Rechtsprechung (GesRZ 1978, 78; HS 1296/109).
Im vorliegenden Fall ist aber zu beachten, daß die passive gesetzliche Vertretungsmacht des Liquidators Walter H ausreichte, das Versäumungsurteil wirksam entgegenzunehmen; insoweit mangelte es der beklagten Partei nicht an ihrer gesetzlichen Vertretung. Aktiv im Prozeß aufzutreten vermochte die beklagte Partei aber auf Grund der bestehenden Interessenkollision des Klägers mit seiner gleichzeitigen Stellung als Liquidator der beklagten Partei nicht. In diesem Umfang fehlte es ihr an einer entsprechenden gesetzlichen Vertretung im Prozeß, sodaß das Verfahren mit der Zustellung des Versäumungsurteiles an den zweiten Liquidator gemäß § 158 Abs. 1 ZPO unterbrochen worden ist (HS 1296/109). Diese Unterbrechungswirkung ist noch nicht beendet. Nach der Unterbrechung des Verfahrens sind sämtliche Parteihandlungen mit Ausnahme der der Wahrung der Unterbrechung dienenden und der Aufnahmehandlung gemäß § 164 ZPO gegenüber dem Gericht und dem Prozeßgegner ohne rechtliche Wirkung (SZ 45/19; Fasching II, 793 f.). Die während der Unterbrechung eingebrachte Berufung war daher schon aus diesem Gründe vom Berufungsgerichte zurückzuweisen (SZ 48/46; SZ 45/19; SZ 44/43; SZ 43/158 u. a.; Fasching II, 793 f.). Durch die gleichzeitig mit der Zustellung des Versäumungsurteiles eingetretene Unterbrechung des Verfahrens hat auch der Lauf der Berufungsfrist noch nicht begonnen (§ 163 Abs. 1 ZPO). Es wird Sache der Parteien sein, die Unterbrechung zu beenden, die erforderlichen Anträge im Sinne des § 164 ZPO zu stellen und damit die Berufungsfrist in Gang zu setzen.
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