Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.175,36 S (darin 362,56 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte betreibt in seinem Haus in Graz S*****-Gasse Nr 11 eine Tischlerei mit einer Gesamtfläche von etwa 231 m2; sie besteht von Süden nach Norden gesehen aus einem Büro (18,28 m2), einem "ersten" Werkstättenraum mit einer Nutzfläche von 93 m2, einem weiteren Büro (4,80 m2), einem "zweiten" Werkstättenraum (34,88 m2), einem Maschinenraum (49 m2) und einem Lagerraum (31,20 m2). Der "erste" Werkstättenraum ragt mit einer Teilfäche von etwa 42,50 m2 Richtung Westen in die dem Kläger - seit 1985 - gehörige Nachbarliegenschaft mit dem Haus S*****-Gasse Nr 9 hinein. In Ansehung des auf die Liegenschaft des Klägers hinüberreichenden "ersten" Werkstättenraumes besteht zwischen den Streitteilen ein Hauptmietvertrag. In diesem Teil der Werkstätte befindet sich eine (den gemieteten Teil des "ersten" Werkstättenraumes in zwei Räume trennende, im rechten Winkel zur Grundgrenze errichtete) Mauer, die bis knapp an die Liegenschaftsgrenze heranreicht. Zugänglich ist die Werkstätte nur von der Liegenschaft des Beklagten aus. Eine Abgrenzung des gemieteten Teils des "ersten" Werkstättenraumes vom übrigen Teil desselben ist seit 1925 nicht erweislich. Der gemietete Teil des "ersten" Werkstättenraumes ist durch Mauern nach Süden, Westen und Norden, nicht jedoch nach Osten zur Liegenschaft des Beklagten hin abgegrenzt. Im Inneren des Gebäudes ist der Verlauf der Liegenschaftsgrenze nicht ersichtlich. Der Rechtsvorgänger und Vater des Beklagten hatte bereits 1938, als die Häuser S*****-Gasse Nr 9, 11 und 13 noch im Eigentum einer Person standen, die Geschäfträumlichkeiten, in denen die Tischlerei betrieben wird, gemietet und 1946 oder 1947 die Liegenschaft mit dem Haus S*****-Gasse Nr 11 erworben.
Der Kläger kündigte dem Beklagten das Mietverhältnis ohne Angabe von Kündigungsgründen zum 31.März 1990 gerichtlich auf und vertrat den Standpunkt, die Bestandgabe der räumlich nicht abgegrenzten Geschäftsraumteile unterliege nicht den Kündigungsbeschränkungen des MRG.
Der Beklagte beanspruchte in seinen rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen diese Aufkündigung den Kündigungsschutz nach dem MRG und wendete ein, der Kläger habe keinen wichtigen Kündigungsgrund (§ 30 Abs 1 MRG) geltend gemacht.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Begehren auf Übergabe der Bestandsache ab. Räumliche Teile eines Geschäftsraumes ohne bauliche Abgrenzung seien zwar nicht als Geschäfträumlichkeiten iS des § 1 Abs 1 MRG anzusehen, hier sei jedoch schon infolge der Abgrenzung der vermieteten Räumlichkeiten nach drei Außenseiten in die Anwendbarkeit des MRG gegeben. Da der "erste" Werkstättenraum eine Gesamtnutzfläche von 93 m2 und der auf der Liegenschaft des Klägers gelegene Teil eine solche von rund 42,5 m2 aufweise, könne nicht von einem kleinen Teil des Gesamtraumes gesprochen werden. Im übrigen wäre es widersinnig, vom Beklagten die Errichtung einer Mauer zu verlangen, um in den Genuß der Anwendbarkeit des MRG zu kommen, bzw die (von seinem Vater vorgenommene) Entfernung der allenfalls vorhandenen Mauer zu pönalisieren.
Das Berufungsgericht bestätigte nach Beweisergänzung das Ersturteil. Die ordentliche Revision ließ es zu.
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rechtsvorgänger des Beklagten war Mieter aller Räumlichkeiten der Tischlerei. Nach dem Erwerb der Liegenschaft mit dem Haus S*****-Gasse Nr 11 erlosch der Mietvertrag über die zu diesem Haus gehörigen Räumlichkeiten nach der grundbücherlichen Einverleibung seines Eigentumsrechtes zufolge Vereinigung nach § 1445 ABGB (MietSlg 19.174).
Soweit überblickbar hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 67/87 (JBl 1988, 109 = MietSlg 39.208 = WoBl 1988/2) in wörtlicher Auslegung des den Anwendungsbereich des Gesetzes umschreibenden § 1 Abs 1 MRG die Gebrauchsüberlassung bloßer Teile eines Geschäftsraumes ohne bauliche Abgrenzung gegen Entgelt als nicht in den Geltungsbereich des MRG fallend angesehen. Dort handelte es sich darum, daß dem anderen Vertragsteil in einem rund 50 m2 großen (ehemaligen Gasthaus-)Raum auf einer 4 m2 großen, nur durch einen Vorhang abgegrenzten Teilfläche der Verkauf von Waren durch ein Außenfenster gegen Entgelt eingeräumt worden war. Würth hat in der Anm zu WoBl 1988/2 Zweifel angemeldet, ob die teleologische Auslegung zum gleichen Ergebnis käme, und auf die Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des MRG bei selbständiger Miete von Kfz-Einstellplätzen in Garagenräumen aufmerksam gemacht. Die Ansicht, räumliche Teile eines Geschäftsraumes ohne bauliche Abgrenzung seien von § 1 Abs 1 MRG nicht erfaßt, wurde dann in der Entscheidung 5 Ob 593/87 (MietSlg 39.207/57 = WoBl 1988/32 = RdW 1988, 386) wiederholt, wobei offen blieb, ob ein "Raum" eine allseitige bauliche Umgrenzung erfordere oder eine fünfflächige Begrenzung ausreiche. Die Entscheidung betraf die Miete des Platzes in einer offenen Kaufhauspassage zum Abstellen eines transportablen Verkaufsstandes aus Holz. Neumayer hat sich in RdW 1988, 387 kritisch zu dieser Entscheidung geäußert. Schließlich wurde in der Entscheidung 3 Ob 501/90, die die Untermiete einer an fünf Seiten von Boden, Wänden und Decke eingeschlossenen Nische in einem Supermarktraum betraf, deren sechste Seite durch das stabile und nur einen schmalen Zugang freilassende, wenn auch nicht fest im Boden verankerte Verkaufspult deutlich abgegrenzt war, eine Stellungnahme zur Rechtsmeinung, ob die Miete von baulich nichtabgegrenzten Geschäftsraumteilen vom Anwendungsbereich des MRG nicht erfaßt werde, unterlassen, weil jedenfalls das massive Verkaufspult als bauliche Abgrenzung ausreiche und mit der Abtrennung bloß durch einen Vorhang nicht gleichgesetzt werden könne.
Gemäß § 43 Abs 1 MRG gilt dieses Gesetz auch für vor dem 1.Jänner 1982 abgeschlossene Mietverträge (MietSlg 40.210). Nach dem Wortlaut des § 1 Abs 1 MRG hat der Gesetzgeber neben der Miete von Wohnungen auch die einzelner Wohnungsteile - idR einzelner Zimmer (vgl Bernat in Korinek-Krejci, HBzMRG 104) - in den Anwendungsbereich einbezogen, hingegen dann bei Anführung der "Geschäftsräumlichkeiten aller Art (wie im besonderen ... Werkstätten ...)" keine Ergänzung in Ansehung von Teilen von Geschäftsräumlichkeiten vorgenommen. Der Begriff "Geschäftsräumlichkeit" des MRG unterscheidet sich von dem in § 1 Abs 1 MG gebrauchten gleichen Begriff nicht durch den Verwendungszweck, sondern nur durch die Beschränkung auf Raummiete im Gegensatz zur Flächenmiete (EvBl 1986/127; SZ 58/25; JBl 1985, 107 uva). Auch im vorliegenden Fall kann nun eine Stellungnahme zur Rechtsmeinung, die Miete von baulich nicht abgegrenzten Geschäftsraumteilen werde vom Anwendungsbereich des MRG nicht erfaßt, unterbleiben. Denn der zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich erheblich von der Gebrauchsüberlassung von Teilbereichen innerhalb eines Geschäftsraumes, die baulich nicht umschlossen sind. Gegenstand der Vermietung sind hier zwei nebeneinander liegende, jeweils an fünf Seiten räumlich abgegrenzte Räumlichkeiten, die nur zum übrigen "ersten" Werkstättenraum keine räumliche Begrenzung aufweisen. Als Raum wird aber ein "dreidimensional abgegrenztes Gebilde" (Bydlinski in JBl 1984, 241 und 251) verstanden und auch in der Rechtsprechung wurde eine fünfflächige Begrenzung (mit Begrenzung nach oben) als ausreichend angesehen ("Loggia"-Entscheidung MietSlg 38.374/12). Eine allseitige, das heißt sechsflächige Begrenzung ist nicht erforderlich. Die fehlende räumliche Abgrenzung auf einer Seite steht daher hier nach Auffassung des erkennenden Senats einer Beurteilung des Mietobjektes als "Geschäftsräumichkeit" nicht entgegen. Von einer reinen Flächenmiete kann keine Rede sein.
Dem beweispflichtigen (SZ 59/213 ua) Vermieter ist der Nachweis des Vorliegens der Mieterschutzfreiheit nicht gelungen. Die Aufhebung der Aufkündigung hatte daher schon deshalb zu erfolgen, weil sich der Kläger nicht auf einen wichtigen Grund berufen, sondern ausdrücklich darauf bestanden hatte, es bedürfe mangels Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen nicht der Angabe eines Kündigungsgrundes. Der Revision ist nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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