OGH 3Ob501/90

OGH3Ob501/9014.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Feinkost B*** Gesellschaft m. b.H., Kärntner Straße 315-319, 8700 Leoben, vertreten durch Dr.Maximilian Eiselsberg ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei prot.Firma Lorenz G*** & S***, Alleininhaber Leopold Wilhelm G***, Kerpelystraße 163-167,

8704 Leoben-Donawitz, vertreten durch Dr.Anton Eichinger und Dr.Michael Augustin, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Aufkündigung des Untermietvertrages, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 26. September 1989, GZ R 738/89-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 3.Juli 1989, GZ 5 C 747/89w-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.172,20 (darin S 1.028,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat vom Eigentümer das Tiefgeschoß des C***-Kaufhauses Leoben in Bestand genommen und am 15.Oktober 1973 der beklagten Partei einen Teilraum mit einer rund 8,5 lfm langen Bedienungstheke, einen 9 m2 großen versperrbaren Kühlraum und zur gemeinsamen Benützung einen Vorbereitungsraum zur Feilhaltung von Fleischwaren und Wurst untervermietet.

Die klagende Partei kündigte der beklagten Partei das Untermietverhältnis ohne Angabe von Kündigungsgründen zum 30. September 1988 gerichtlich auf und vertrat den Standpunkt, die Bestandgabe der räumlich nicht abgegrenzten Geschäftsraumteile unterliege nicht den Kündigungsbeschränkungen des MRG. Die beklagte Partei hat in den rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen diese Aufkündigung den Kündigungsschutz nach dem MRG beansprucht und vorgebracht, die klagende Partei habe keinen wichtigen Kündigungsgrund (§ 30 Abs 1 MRG).

Das Erstgericht hob auf der Grundlage der folgenden Feststellungen die Aufkündigung auf und wies das Begehren auf Übergabe der Bestandsache ab:

Die klagende Partei hatte das Tiefgeschoß im C***-Kaufhaus Leoben für einen Lebensmittelmarkt gemietet und sich das Recht zur Untervermietung von Teilen der Geschäftsräumlichkeit vorbehalten. Sie schloß mit der beklagten Partei am 15.Oktober 1973 den Untermietvertrag auf unbestimmte Zeit zum Fleisch- und Wurstverkauf. Das Untermietobjekt liegt in einer Mauernische gegenüber dem Supermarkteingang. Die Nische ist rund 12 Meter breit und rund 2,5 Meter tief. Die Abgrenzung zum Lebensmittelmarkt wird durch das Verkaufspult gebildet, das etwa in der Verlängerung der Rückwand des Tiefgeschosses angebracht ist. An drei Seiten ist der an die beklagte Partei in Unterbestand gegebene Verkaufsraum von Mauern umschlossen, die Begrenzung der vierten Seite bildet das 1,2 Meter tiefe und etwa 1,2 Meter hohe Verkaufspult mit Verglasung zur Ausstellung der Ware. Von der Geschoßdecke herab reicht eine gitterförmige, mit Plakaten und Bildern von Fleischwaren versehene Holzverkleidung, so daß zwischen Pult und Gitterabgrenzung eine Öffnung für die Bedienung der Kunden besteht. Durch eine in der Rückwand vorhandene Türe sind der Vorbereitungsraum mit rund 12 m2 Nutzfläche und von diesem der an die beklagte Partei vermietete Kühlraum mit rund 9 m2 Nutzfläche zu erreichen. Der Vorbereitungsraum wird von den Parteien gemeinsam benützt. Die mit der A*** Ö*** Handels-Aktiengesellschaft

verflochtene klagende Partei wollte seit 1983 die Fleisch- und Wurstwarenabteilung selbst betreiben. Als sie im Jahr 1988 umfangreiche Adaptierungsarbeiten im Tiefgeschoß vornehmen wollte und eine grundsätzliche Einigung erzielt worden war, teilte sie zuletzt der beklagten Partei mit, für die Miete von Geschäftsraumteilen gelte kein Kündigungsschutz.

Das Erstgericht meinte, die Untervermietung der baulich abgegrenzten Teile des Bestandobjektes sei voll dem MRG zu unterstellen. Eine Aufkündigung sei nur aus wichtigem Grund möglich. Das Berufungsgericht bestätigte mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es legte seiner Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde und teilte auch dessen Rechtsmeinung. Beim Bestandobjekt handle es sich um eine Geschäftsräumlichkeit, die nach § 1 Abs 1 MRG den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG unterliege. Nicht nur die Nebenräume (Kühlraum, Vorbereitungsraum) stellten baulich und nach ihrer Zweckwidmung und Einrichtung Geschäftsräume dar, sondern auch der Hauptteil des Mietgegenstandes, nämlich die an fünf Seiten von Boden, Wänden und Decke eingeschlossene Nische im Supermarktraum, deren sechste Seite durch das stabile und nur einen schmalen Zugang freilassende, wenn auch nicht fest im Boden verankerte Verkaufspult deutlich abgegrenzt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die Revisionswerberin erblickt die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht in der Unterstellung der Vermietung bloßer Geschäftsraumteile unter den Geltungsbereich des Kündigungsschutzes und meint, das Mietverhältnis über die baulich nicht umschlossene Mauernische könne ohne die Beschränkungen nach § 30 MRG und daher ohne Angabe eines wichtigen Kündigungsgrundes nach allgemeinen Regeln aufgekündigt werden.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:

Soweit überblickbar erstmals in der Entscheidung MietSlg 39.208 = WoBl 1988/2 hat der Oberste Gerichtshof in wörtlicher Auslegung des den Anwendungsbereich des Gesetzes umschreibenden § 1 Abs 1 MRG die Gebrauchsüberlassung bloßer Teile eines Geschäftsraumes ohne bauliche Abgrenzung gegen Entgelt als nicht in den Geltungsbereich des MRG fallend angesehen. Dort handelte es sich darum, daß dem anderen Vertragsteil in einem rund 50 m2 großen (ehemaligen Gasthaus-) Raum auf einem durch keine feste Umgrenzung abgetrennten Teilbereich der Verkauf von Waren durch ein Außenfenster gegen Entgelt eingeräumt worden war. Würth hat in der Anm zu WoBl 1988/2 Zweifel angemeldet, ob die teleologische Auslegung zum gleichen Ergebnis käme, und auf die Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des MRG bei selbständiger Miete von Kraftfahrzeugeinstellplätzen in Garagenräumen aufmerksam gemacht. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs 1 MRG gilt dieses Gesetz zwar auch für die Miete von Wohnungsteilen, sonst aber von Geschäftsräumlichkeiten aller Art, wie im besonderen von Geschäftsräumen, Magazinen, Werkstätten, Arbeitsräumen, Amts- oder Kanzleiräumen. Die Ansicht, räumliche Teile eines Geschäftsraumes ohne bauliche Abgrenzung seien davon nicht erfaßt, wurde dann noch in der Entscheidung MietSlg 39.207/57 = WoBl 1988/32 wiederholt, wobei offen gelassen wurde, ob ein "Raum" eine allseitige bauliche Umgrenzung erfordere oder eine fünfflächige Begrenzung ("Loggia": MietSlg 38.374/12) ausreiche. Eine Stellungnahme zu der Rechtsmeinung, die Miete von baulich nicht abgegrenzten Geschäftsraumteilen werde vom Anwendungsbereich des MRG nicht erfaßt, kann hier unterbleiben. Der zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich erheblich von der Gebrauchsüberlassung von Teilbereichen innerhalb eines Geschäftsraumes, die baulich - also durch vertikale Abgrenzung; Boden und Decke selbst sind ja schon im Raum vorgegeben - nicht umschlossen sind. Gegenstand der Untervermietung sind hier eine, vom der klagenden Hauptmieterin verbleibenden und nicht in Unterbestand gegebenen Mietgegenstand räumlich abgegrenzte Mauernische mit rund 30 m2 Nutzfläche, ein etwa 9 m2 großer Kühlraum und die Mitbenützung eines etwa 12 m2 großen weiteren Raumes, also insgesamt bei Beachtung der Zielsetzung des Gesetzgebers, die Raummiete weitgehend zu erfassen und nur - anders als bis zum Inkrafttreten des MRG - die selbständige Miete von Grundstücken zu geschäftlichen Zwecken auszuscheiden, eine Geschäftsräumlichkeit. Als bauliche Abgrenzung kann jede den Raum abtrennende, wenn auch zum bedungenen Gebrauch des Feilbietens und Vertriebes von Waren offene Teilumwandlung angesehen werden. Die massive Verkaufspultzusammenfügung genügt, auch wenn darüber die freie Verkaufsfläche und daneben der erforderliche Zugang nicht abgetrennt ist.

Dies kann mit einer Abtrennung bloß durch einen Vorhang (MietSlg 39.208 = WoBl 1988, 109) nicht gleichgesetzt werden. Ob die angemeldeten Bedenken gegen die Rechtsprechung, daß die Vermietung nicht abgetrennter Teile von Geschäftsräumen der Vermietung von "Geschäftsräumen aller Art" nicht gleichzusetzen ist (Würth in der Anm zu WoBl 1988/2; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht 20, Rz 27 zu § 1 MRG; vgl auch Bernat in Korinek-Krejci, HBzMRG 104 f), berechtigt sind, kann auf sich beruhen. Der Ansicht der Vorinstanzen wird beigetreten, daß Mietgegenstand eine dem Untermieter zum Gebrauch überlassene ausreichend räumlich abgegrenzte Geschäftsräumlichkeit, bestehend aus Verkaufsraum und Kühlraum samt Mitbenützung des Vorbereitungsraumes ist und daher, weil als Miete iSd § 1 Abs 1 MRG sowohl die Hauptmiete (§ 2 Abs 1 MRG) wie auch die Untermiete (§ 2 Abs 2 MRG) gelten, die Untermiete vom Untervermieter nur aus wichtigen, insbesondere den im § 30 Abs 2 MRG umschriebenen Gründen, soweit sie bei Untermiete in Betracht kommen, gekündigt werden kann (§ 30 Abs 1 MRG). Die Aufhebung der Aufkündigung hatte daher schon deshalb zu erfolgen, weil sich die klagende Partei nicht auf einen wichtigen Grund berufen hatte, sondern ausdrücklich darauf bestand, es bedürfe mangels Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen nicht der Angabe eines Kündigungsgrundes. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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