OGH 5Ob593/87

OGH5Ob593/8722.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Q*** A***, Industriezeile 47, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Walter Haslinger, Dr. Norbert Nagele und Dr. Klaus Haslinger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei J*** & J*** Gesellschaft mbH., Schloßhoferstraße 3-5, 1210 Wien, vertreten durch Dr. Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung eines Bestandverhältnisses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Juli 1987, GZ 41 R 324/87-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 27.Feber 1987, GZ 6 C 2594/86-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Reviisonsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Kaufhaus-Aktiengesellschaft vermietete im September 1982 der beklagten Handelsgesellschaft zu einem Zins von S 320,-- je Werktag in ihrer Kaufhauspassage in 1210 Wien einen vom Vermieter festzulegenden Platz. Sie wollte diese Passage, die zur Schloßhoferstraße hin offen und die ab dem ersten Obergeschoß mit dem Gebäude, das straßenseitig auf die Passage begrenzenden Stützpfeilern ruht, überbaut ist, finanziell verwerten. Der Magistrat der Stadt Wien erteilte der beklagten Partei mit Bescheid die Erlaubnis, die im Eigentum der klagenden Partei stehende öffentliche Verkehrsfläche zur Aufstellung eines transportablen Verkaufsstandes aus Holz auf einer Grundfläche von 300 x 120 cm für den Kleinhandel mit Modeschmuck und Textilien zu benützen. Die Streitteile hatten vereinbart, daß die beklagte Partei dort Modeschmuck und vorwiegend indische Textilwaren in dem Stand innerhalb der Kaufhausarkaden anbieten darf. Die beklagte Partei richtete den Stand auf einer Fläche von 300 x 150 cm innerhalb der Passage ein und bot neben Modeschmuck und indischen Textilien auch Sonnenbrillen, Ledergürtel, Uhren und Spiegel zum Verkauf an, obwohl der Kaufhausgeschäftsführer sie zur Einstellung dieses Verkaufes aufgefordert hatte.

Die klagende Partei kündigte der beklagten Partei den Bestandvertrag zum 31.Dezember 1986 gerichtlich auf. Sie brachte vor, daß die Miete nicht den Kündigungsbeschränkungen nach dem Mietrechtsgesetz unterliege, weil es sich nicht um Raummiete handle, daß aber auch Vertragsverletzungen durch die beklagte Partei erfolgten, die mit ihrem Stand einen größeren Verkaufsplatz in Anspruch nehme als vereinbart und die dort vertragswidrig beharrlich auch Uhren, Bilder, Ledergürtel und Sonnenbrillen verkaufe. Die beklagte Partei erhob rechtzeitig Einwendungen. Es handle sich um die Miete eines Raumes innerhalb der abgedeckten Passage, ein Kündigungsgrund liege nicht vor.

Das Erstgericht sprach mit Urteil aus, daß die Aufkündigung nicht als wirksam erkannt wird, und wies das Begehren ab, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Bestandgegenstand zu übergeben. Es ging davon aus, daß die Vermietung der Fläche in der Passage zur Aufstellung des Verkaufsstandes Raummiete sei und kein wichtiger Grund zur Kündigung des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrages verwirklicht sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil ab, erklärte die Aufkündigung vom 28.Juli 1986 für rechtswirksam und verpflichtete die beklagte Partei zur Übergabe des in der Passage des Kaufhauses gelegenen Verkaufsplatzes an die klagende Partei. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO wegen Fehlens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Vermietung einer Fläche in einer Kaufhauspassage zur Aufstellung eines Verkaufsstandes in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes falle, zulässig sei. Das Berufungsgericht verneinte diese Frage, weil der beklagten Partei kein Geschäftsraum sondern eine Grundfläche vermietet wurde, auf der die Mieterin mit behördlicher Bewilligung einen transportablen Verkaufsstand (Holzstand) auf die Dauer des Bestandverhältnisses zum Zwecke des Kleinhandels mit Modeschmuck und Textilwaren aufstellen durfte. Ein Platz auf der öffentlichen für jedermann frei zugänglichen Verkehrsfläche in der vor den Kaufhauseingängen gelegenen zur Straße hin offenen Passage sei kein Geschäftsraum. Die Rechtsprechung billige allerdings den Kündigungsschutz auch zu, wenn ein Grundstück zum Zwecke der Errichtung eines zu geschäftlichen Zwecken zu benützenden Superädifikats vermietet werde. Der nach der Vereinbarung von der beklagten Partei aufgestellte transportable Holzstand bilde aber kein "Bauwerk", das als Superädifikat angesehen werden könnte. Es fehle an jeder festen Verbindung mit dem Boden, der Holzstand sei nur gleich einer Kiste auf dem Boden abgestellt. Es fehle an den Voraussetzungen für die analoge Anwendung der Vorschriften des Mietrechtsgesetzes über den Kündigungsschutz, die nicht auch auf Fälle echter Grundstücksmiete ausgedehnt werden dürften. Da das Bestandverhältnis nach dem Vertrag jederzeit kündbar war und es mangels Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes keines wichtigen Kündigungsgrundes bedürfe, um das Bestandverhältnis aufzulösen, sei die Aufkündigung wirksam.

Die beklagte Partei bekämpft das abändernde Urteil des Berufungsgerichtes mit den Anträgen auf Wiederherstellung des Urteils erster Instanz oder auf Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an eine der Vorinstanzen zu neuer Entscheidung, weil das angefochtene Urteil auf der unrichtigen Lösung der Rechtsfrage beruht, der erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukomme (§ 503 Abs 2 ZPO).

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht zutreffend angeführten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Die beklagte Partei will mit ihrer Revision im wesentlichen die Unterstellung der Flächenmiete unter die Kündigungsschutzbestimmungen des Mietrechtsgesetzes erreichen, wenn der Mieter nach dem Vertrag die Fläche durch Aufstellung von Einrichtungen zu Geschäftszwecken "auffüllt". Da die Passage durch das Gebäude überdacht sei, handle es sich schon an sich um Geschäftsraummiete, wenn eine (Teil-)Fläche in der Passage dem Mieter in Bestand gegeben wird, um den über der Fläche liegenden Raum, der nach oben durch die Decke der Passage begrenzt sei, zur Aufstellung des Verkaufsstandes zu nutzen. Ob der Verkaufsstand als Superädifikat anzusehen sei, habe nichts damit zu tun, weil das Gesetz dauernde Betriebsvorrichtungen den Räumen gleichstellen wollte und "bloß leere Flächen" nicht mehr in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fallen.

Dieser Ansicht ist nicht zu folgen.

Die Miete von Grundstücken zu Geschäftszwecken wird vom auf die Raummiete beschränkten Mietrechtsgesetz nicht mehr erfaßt (RV 425 BlgNR 15.GP in Würth - Zingher MRG2, 9 ff; Würth in Rummel, Rz 3 zu § 1 MRG; Bernat in Korinek - Krejci, HBzMRG, 106; SZ 57/194 mwH; EvBl 1986/127). Soweit die beklagte Partei geltend macht, sie habe nicht eine Grundfläche sondern einen Teil des "Raumes" innerhalb der Passage gemietet, ist für sie nichts zu gewinnen, weil an der vom erkennenden Senat schon in der zu 5 Ob 67/87 am 1.September 1987 ausgesprochenen Rechtsansicht festgehalten wird, daß räumliche Teile eines Geschäftsraumes ohne bauliche Abgrenzung überhaupt nicht als Geschäftsräumlichkeit im Sinne des § 1 Abs 1 MRG anzusehen sind und ihre entgeltliche Zurverfügungstellung nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fällt. Ob ein "Raum" eine allseitige bauliche Abgrenzung erfordert, oder eine fünfflächige Begrenzung genügt (vgl. zur "Loggia" MietSlg 38.374/12), ist daher nicht entscheidend.

Das Berufungsgericht hat aber auch ohne Rechtsirrtum erkannt, daß die Vermietung von Flächen zu geschäftlicher Betätigung nach dem betonten Willen des Gesetzgebers nicht mehr von den Regelungen mietrechtlichen Sonderrechts erfaßt werden sollte und daß eine analoge Anwendung nur in einem engen Rahmen zuzulassen ist, also eben nur dann, wenn der Mieter der Fläche darauf ein Bauwerk auf fremdem Grund errichten soll und errichtet. So lag der Entscheidung JBl 1985, 107 = EvBl 1984/161 ein Bestandvertrag über ein Grundstück zugrunde, auf dem bereits ein zweigeschossiger Rohbau als Superädifikat errichtet war, das die Mieter nach dem Bestandvertrag erwerben und auch zu geschäftlichen Zwecken nutzen sollten. In RZ 1985/49 = RdW 1984, 338 wurde die Frage offen gelassen, ob die Schutzbestimmungen des Mietrechtsgesetzes anzuwenden sind, wenn ein Grundstück gemietet wurde, damit der Mieter im Einverständnis mit dem Vermieter ein Bauwerk (Haus zu Wohnzwecken MietSlg 34.372 mwH; Fabrikshallen Würth - Zingher2 Anm.2 zu § 1 MRG) errichtet, weil es sich bei der als Provisorium erfolgten Zurverfügungstellung einer Grundfläche, auf der 1926 in fester Bauweise ein Verkaufspavillon (Tabak-Trafik) errichtet wurde, nicht um die Vermietung zu dauernder geschäftlicher Tätigkeit handelte. Sonst hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß die Miete eines Grundstückes, auf dem vereinbarungsgemäß vom Mieter ein zu geschäftlichen Zwecken verwendetes Superädifikat errichtet wurde, ungeachtet des Wegfalls des Kündigungsschutzes für bloße Lagerplätze weiterhin Kündigungsschutz nach dem Mietrechtsgesetz genießt

(MietSlg 36.236/48; 1 Ob 704/85 Servicestation; 6 Ob 517/85 Garage mit Wohnräumen; 5 Ob 607/84 = SZ 57/194 Raum für den Aufenthalt des Tankstellenpersonals und den Verkauf mit 50 m2 Nutzfläche; 8 Ob 550,551/86 Tankstelle mit Verkaufsräumlichkeiten "Shop"), und Billigung der Lehre gefunden (Schilcher in Korinek - Krejci HBzMRG 53 ff; Bernat ebendort 107; Glosse in RdW 1985, 75). Zu einer noch weitergehenden Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf Mietverträge, die der Gesetzgeber frei von den Regelungen des Mietrechtsgesetzes halten wollte, besteht schon deshalb kein Anlaß, weil die Analogie nur zur Ausfüllung einer ("echten") Gesetzeslücke zulässig ist (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 7), davon aber hier nicht die Rede sein kann, weil eben nur die Raummiete erfaßt werden sollte. Es fällt daher die Miete von Grundflächen, auf denen der Mieter nicht ein Superädifikat errichtet oder ein schon bestehendes Superädifikat erwirbt sondern darauf nur irgendwelche Einrichtungen zu geschäftlicher Betätigung aufstellt, nicht in den durch § 1 Abs 1 MRG abgegrenzten Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes.

Daß aber ein transportabler Holzstand, der nicht mit dem Grundstück in eine feste wenn auch lösbare Verbindung gebracht ist, nicht als Superädifkat = Bauwerk auf fremdem Grund (dazu Bydlinski,

Das Recht der Superädifikate, 17; Angst, Die rechtliche Behandlung von Überbauten in ÖJZ 1972, 119; vgl. auch SZ 9/51 und SZ 17/2) anzusehen ist, hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Dies wird von der beklagten Partei auch gar nicht in Zweifel gezogen, meint sie doch, es bedürfe nicht der Bauwerksqualifikation, weil jede Geschäftseinrichtung auf der Grundfläche schon zum Kündigungsschutz ausreiche.

Die Miete des Platzes in der offenen Kaufhauspassage zum Abstellen des transportablen Verkaufsstandes unterliegt nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes. Das Bestandverhältnis kann daher ohne die Beschränkungen des § 30 MRG frei gekündigt werden. Daß nach allgemeinem Vertragsrecht die Aufkündigung unzulässig wäre, hat die beklagte Partei nicht eingewendet.

Ihrem Rechtsmittel ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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