Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Vereinbarung vom 1. 10. 1996 übertrug die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei (im Folgenden kurz: klagende Partei) der beklagten Partei gegen ein Jahresentgelt von S 600.000 zuzüglich USt, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen, die Betreibung einer Tiefgarage" als Geschäftsleistung auf unsere Rechnung und Risiko". Nach Vertragspunkt 3 sollten von der beklagten Partei folgende Leistungen erbracht werden:
"- personelle Besetzung der Hauptkassa 24 Stunden
- Abrechnung der Einnahmen
- Die Tageslosungen werden täglich auf unser Konto Nr. 000820237 bei der Volksbank ..... lautend auf Tiefgarage ..... GmbH überwiesen
- Auswertungen (Statistiken)
- Abrechnungen über das Kassensystem
- Verrechnung mit den Kreditkarteninstituten
- Abschluß der Verträge sowie Inkasso mit den Dauerparkern
- Gebührenerstellung obliegt dem Vermieter
- Betreuung und Abrechnung der Automaten, sowie die Bestückung mit Wechselgeld erfolgt nach Erfordernis. Die genaue Abrechnung wird einmal monatlich durchgeführt.
- Betreuung des Garagenleitsystems, zB.: Lampen wechseln, steckende Garagentickets entfernen etc".
Vereinbarungsgemäß entleerten die Mitarbeiter der beklagten Partei täglich die Kassen in der Tiefgarage; das entnommene Geld wurde täglich auf das Konto der klagenden Partei zur Einzahlung gebracht. Nachdem sich die Streitteile über den Abschluss eines neuen Vertrags nicht hatten einigen können, kündigte die klagende Partei den Vertrag zum 30. 4. 1999 auf; das vereinbarte Pauschalentgelt wurde bis zum Vertragsende gezahlt. Im April 1999 behielt die beklagte Partei insgesamt S 168.625 an vereinnahmten Geldbeträgen ein.
Die klagende Partei begehrte nun die Zahlung von S 168.625 samt Zinsen und brachte dazu im wesentlichen vor, dass die beklagte Partei das Geld widerrechtlich zurückbehalten habe. Eine Aufrechnung mit behaupteten Gegenforderungen sei gemäß § 1440 ABGB unzulässig. Die eingewendete Gegenforderung bestehe auch deshalb nicht zu Recht, weil durch das vereinbarte Entgelt alle Leistungen abgegolten sein sollten; allfällige Mehraufwendungen habe die beklagte Partei selbst schuldhaft verursacht.
Die beklagte Partei wendete gegen die Klageforderung bis zu deren Höhe eine Gegenforderung von S 1,224.600 ein, die daraus resultiere, dass sie im Zusammenhang mit dem Garagenbetrieb Leistungen erbracht habe, die weit über die vertraglich vereinbarten hinausgegangen seien. Diese Leistungen seien auch deshalb erforderlich geworden, weil es mit der Anlage von Beginn an technische Probleme gegeben habe. Die der eingewendeten Gegenforderung zu Grunde liegenden Leistungen wurden von der beklagten Partei im Einzelnen aufgeschlüsselt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, ohne über die Aufrechnungseinrede im Spruch abzusprechen, statt. Es vertrat die Rechtsansicht, dass eine Aufrechnung zufolge § 1440 Satz 2 ABGB nicht zulässig sei, weil sich die beklagte Partei vertraglich verpflichtet habe, die den Kassen entnommenen Gelder täglich auf das Konto der klagenden Partei einzuzahlen. Die beklagte Partei sei somit nur Verwahrerin der Geldbeträge gewesen. Auch das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nach § 369 Abs 3 HGB sei ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sei der beklagten Partei zwar zuzugeben, dass das Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB im Allgemeinen für das Mandat nicht gelte. Das Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsverbot bestehe aber immer dann, wenn die Sache vom Machthaber zu einem ganz bestimmten Zweck übernommen wurde, wovon nach dem Vertragsverhältnis aber wohl auszugehen sei. Da es großteils um die aus den Kassen gesammelten Gelder gehe, die vertragswidrig nicht auf das Konto der klagenden Partei eingezahlt wurden, sei die Zulässigkeit einer Aufrechnung auch aus der monatlichen Abrechnungsverpflichtung der beklagten Partei nicht abzuleiten. Das Berufungsgericht könne auch die Rechtsauffassung nicht teilen, dass insoweit eine Vollmacht zum Inkasso vorläge, da es doch nicht um die Geltendmachung von Forderungen der klagenden Partei gehe, sondern nur um das Entleeren der Kassen sowie das Einsammeln, Zählen und Überweisen des Geldes. Das Aufrechnungsverbot gelte für Verträge aller Art, soweit sie ein Verwahrungselement beinhalteten; hier sei die Verwahrung nicht nur Neben-, sondern unter anderem Hauptverpflichtung der beklagten Partei gewesen. Auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB könne sich die beklagte Partei schon deshalb nicht berufen, weil sie Forderungen für "außervertragliche Leistungen" geltend mache, die überhaupt erst nach Ende der Vertragsbeziehung fällig gestellt worden seien. Gegenstand des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts seien auch nur Wertpapiere und bewegliche Sachen, nicht aber Geld.
Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision für zulässig, weil zu einem vergleichbaren Fall Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht von den in der höchstgerichtlichen Judikatur zu § 1440 Satz 2 ABGB entwickelten Grundsätzen abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 1440 Satz 2 ABGB sind eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation. Nach der Judikatur (Nachweise etwa bei Honsell/Heidinger in Schwimann2 Rz 9 zu § 1440 ABGB) liegt eine Verwahrung nicht nur dann vor, wenn die Sache auf Grund eines Verwahrungsvertrags übergeben wird, sondern auch, wenn ein sonstiger Vertragstyp die Verwahrung als Nebenpflicht beinhaltet. Auch dort soll jedoch nach verbreiteter Auffassung das Aufrechnungsverbot nicht gelten, wenn wegen offenkundig zu erwartender Gegenansprüche keine berechtigte Rückgabeerwartung des Gläubigers besteht, insbesondere wenn mit derartigen Gegenansprüchen, wie etwa dem Entgelt für die Verwahrung, schon auf Grund der Vereinbarung der Vertragsteile zu rechnen ist (Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 338 ff; Rummel in Rummel I2, Rz 14 zu § 1440 ABGB; SZ 69/41 ua). In Ansehung von Sachen, die der Beauftragte im Rahmen eines Auftrags erlangt hat, war die Rechtsprechung nicht immer einheitlich; teilweise wurde davon ausgegangen, dass derartige Sachen im Hinblick auf die in § 1012 ABGB vorgesehene Rechnungslegungspflicht des Beauftragten grundsätzlich nicht unter § 1440 Satz 2 ABGB fallen, sofern sie nicht zu einem bestimmten Zweck übergeben wurden; teilweise wurde die Aufrechnung als generell ausgeschlossen angesehen (Nachweise bei Honsell/Heidinger, aaO).
Im vorliegenden Fall liegt ein Vertragsverhältnis vor, das zumindest auch Elemente des Auftragsvertrags enthält. Die beklagte Partei war - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht nur zu rein faktischen Handlungen (Entleeren der Kassen, Zählen des Geldes ...) verpflichtet, sondern zur Erfüllung der von ihr übernommenen vertraglichen Verpflichtungen auch zu Geschäftsbesorgungstätigkeiten gehalten. So nahm sie etwa in der (an der Rezeption ihres Hotels gelegenen) "Hauptkasse" Zahlungen namens der klagenden Partei entgegen, insbesondere auch von den "Dauerparkern", mit denen sie nach dem Wortlaut der Vereinbarung auch die Verträge abzuschließen hatte. Weiters hatte sie durch Erteilung von (täglichen) Überweisungsaufträgen dafür zu sorgen, dass die eingenommenen Gelder auf das Bankkonto der klagenden Partei gelangten. Der bloße Hinweis der Revisionswerberin auf die im Vertrag vorgesehenen "Abrechnungspflichten" könnte allerdings für die Annahme eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses schon deshalb nicht ausreichen, weil damit nicht die Abrechnung wechselseitiger Forderungen gemeint war, sondern vielmehr nur die rechnungsmäßige Zusammenstellung der im Namen der klagenden Partei erzielten Einnahmen.
Entscheidende Bedeutung kommt nach Auffassung des erkennenden Senats aber nicht der eher formalen Einordnung des jeweils vorliegenden Vertragsverhältnisses bzw dem Bestehen einer Rechnungslegungspflicht zu (in diesem Sinn auch die Kritik von Iro in seiner Besprechung zu ZAS 1983, 223 [= SZ 55/147]), sondern vielmehr dem hinter dem Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB stehenden Gesetzeszweck. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (JBl 1999, 659 = RdW 1999, 347), kommt es vor allem darauf an, ob dem Gläubiger angesichts des jeweiligen Rechtsverhältnisses insoweit eine uneingeschränkte Rück- bzw Herausgabeerwartung zuzubilligen ist, als er mit (zur Aufrechnung geeigneten) Gegenansprüchen des anderen nicht rechnen muss. In der erwähnten Entscheidung wurde ausgesprochen, die Aufrechnung sei - auch bei Mandats- und Treuhandverträgen - auf Grund der maßgeblichen Wertungen des § 1440 ABGB dann zulässig, wenn der Rückforderungsgläubiger typischerweise mit Gegenansprüchen des Beauftragten rechnen muss, sie also für ihn nicht überraschend kommen. Eine derartige Interessenlage liege etwa vor, wenn ein Auftraggeber einem Spediteur, der zu ihm in laufender Geschäftsbeziehung steht, Beförderungsaufträge erteilt, die auch Inkassoaufträge (Nachnahme-Lieferung) umfassen. Bei dieser Vertragslage sei ein berücksichtigungswürdiges Vertrauen des Auftraggebers darauf zu verneinen, dass dessen Ansprüche auf Ausfolgung der inkassierten Nachnahmebeträge unmittelbar und ohne Schmälerung infolge Geltendmachung allfälliger Gegenforderungen (auch aus anderen Geschäftsfällen) getilgt würden. Es müsse durchaus damit gerechnet werden, dass die inkassierten Nachnahmebeträge in eine Abrechnung mittels laufender Rechnung einbezogen werden.
Auch Iro (ZAS 1983, 225 f) meint, in solchen Aufrechnungsfällen sei das Vertrauen des Gläubigers, dass sein Anspruch nicht durch eine Gegenforderung des Schuldners ganz oder teilweise getilgt, sondern ungeschmälert erfüllt werde, nicht zu begründen: Dies zeige sich schon darin, dass das ABGB die Aufrechnung im Gegensatz zum Zurückbehaltungsrecht, das nur in bestimmten Fällen gewährt werde, ganz allgemein zulasse. Daher müsse jeder Gläubiger einer auf Gattungssachen - und damit auch auf Geld - gerichteten Forderung immer damit rechnen, dass sein Anspruch durch Kompensation mit einer gleichartigen Forderung ganz oder teilweise zum Erlöschen gebracht wird. Der Sinn des Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsverbots des § 1440 ABGB für entliehene, in Bestand oder Verwahrung genommene Sachen könne nur darin gefunden werden, dass in diesen vom Gesetz genannten Fällen der Rückforderungsgläubiger typischerweise nicht mit Gegenansprüchen rechnen werde, sie also für ihn überraschend kämen. Deshalb müsse § 1440 ABGB jedenfalls überall dort außer Betracht bleiben, wo von vornherein Ansprüche des Schuldners aus diesem Rechtsverhältnis zu erwarten sind, etwa wenn dieser den laufenden Aufwand für die Erhaltung der Sache getragen hat oder die Verwahrung etwa entgeltlich erfolgte.
Die dargestellten Erwägungen sind auch auf das vorliegende Rechtsverhältnis zu übertragen, aus dem der beklagten Partei Geldansprüche verschiedener Art erwachsen konnten. Abgesehen von der vereinbarten (in monatlichen Teilbeträgen auszuzahlenden) Pauschalvergütung für die übernommenen Leistungen kam hier insbesondere der Ersatz des Aufwands für die Befüllung der Automatenkassen mit Wechselgeld in Betracht, das - angesichts der Verpflichtung, die (gesamten) Tageslosungen täglich auf ein Konto der klagenden Partei zu überweisen, - aus Mitteln der beklagten Partei (bei monatlicher Abrechnung) zu erfolgen hatte. Darüber hinaus musste bei einem derartigen Vertragsverhältnis von vornherein damit gerechnet werden, dass immer wieder dringende und unaufschiebbare (über die Vertragspflichten der beklagten Partei hinausgehende) Arbeiten zur Aufrechterhaltung eines reibungslosen Garagenbetriebs anfallen, die von Mitarbeitern der beklagten Partei besorgt oder - gegen Entgelt - veranlasst werden. Erblickt man den Grundgedanken des § 1440 Satz 2 ABGB in der Versagung des Zurückbehaltungs- bzw Kompensationsrechts bei Verhältnissen, unter denen der Missbrauch geradezu als Vertrauensbruch empfunden wird (so etwa SZ 18/156 unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien, RIS-Justiz RS0033918), so besteht keine Veranlassung, das Kompensationsverbot auch auf solche Rechtsverhältnisse zu übertragen, in denen dem Anspruch des einen Vertragsteils auf Ausfolgung inkassierter Gelder (bzw auf Zahlung einer Geldsumme in dieser Höhe) Gegenansprüche des anderen Vertragsteils aus demselben Rechtsverhältnis gegenüberstehen.
Konsequenz des Kompensationsverbots ist es unter anderem auch, dass jene Vertragspartei, die mit ihren Forderungen nicht aufrechnen darf, sondern die (sonst unstrittigen) Ansprüche des anderen sofort erfüllen muss, entgegen dem bei bestehender Aufrechnungslage gegebenen Sicherungsaspekt das Risiko einer Insolvenz ihres Schuldners zu tragen hätte. Dies erschiene bei wechselseitigen (Geld-)Ansprüchen aus einem einheitlichen Vertragsverhältnis aber in aller Regel nicht sachgerecht. Auf eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Vereinbarung einer wechselseitigen Verrechnung kommt es somit nicht entscheidend an, zumal eine solche regelmäßig auch in der Mehrzahl jener Fälle nicht vorliegt, in denen das Gesetz sonst eine Aufrechnung zulässt.
Der Auffassung der Revisionsgegnerin, es handle sich hier um "listig entzogene Gelder" im Sinne der zweiten Tatbestandsvariante des § 1440 Satz 2 ABGB, weil die unterbliebene Weiterleitung als grob vertragswidriges, arglistiges Verhalten zu beurteilen sei, ist entgegenzuhalten, dass die beklagte Partei die Geldbeträge durchaus vertragsgemäß, nämlich durch Entleeren der Automatenkassen bzw durch das Inkasso von bar zahlenden Kunden, in ihre (unmittelbare) Gewahrsame gebracht, somit nicht listig entzogen, hat. Dass sie diese Beträge in der Folge nicht an die klagende Partei abgeführt, sondern die Aufrechnung mit angeblichen Gegenforderungen erklärt hat, kann nicht als "listiges Entziehen" beurteilt werden.
Angesichts des bereits erörterten Gesetzeszwecks kann auch der Umstand, dass sich die beklagte Partei dazu verpflichtet hatte, die eingenommenen Gelder täglich auf ein Bankkonto der klagenden Partei zu überweisen, wogegen die von ihr behaupteten Gegenforderungen zu ganz unterschiedlichen Zeiten entstanden sein sollen, nichts an der Aufrechenbarkeit der wechselseitigen Forderungen ändern. Iro hat in seiner Glosse zu ZAS 1983, 223 zutreffend bemerkt, es sei jedenfalls nicht bedenklich, dass mit bereits bestehenden Ansprüchen gegen erst später entstehende Forderungen des Vertragspartners aufgerechnet werde. Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich die Ansprüche der klagenden Partei auf im April 1999 von der beklagten Partei vereinnahmte Gelder beziehen, wogegen der weitaus größte Teil der erhobenen Gegenforderungen (vgl Beilage ./12) davor liegende Zeiträume betrifft.
Da somit § 1440 Satz 2 AGBG der von der beklagten Partei erklärten Aufrechnung nicht entgegensteht, wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen haben, ob und inwieweit die beklagte Partei zum Vorteil der klagenden Partei Leistungen erbracht hat, die durch das vereinbarte Pauschalentgelt nicht abgedeckt waren. Sollte dies der Fall sein, werden für die Ermittlung einer Entgeltserhöhung die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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