Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung
Die Streitteile haben am 18.3.1985 vor dem Standesamt ***** die auf Seiten des Klägers zweite, auf Seiten der Beklagten erste Ehe geschlossen. Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger und hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Wien. Durch die Eheschließung wurde der gemeinsame Sohn Jan, geboren 7.1.1985, legitimiert.
Der Kläger zog im Mai 1988 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Seit Februar 1992 lebt er mit einer anderen Frau zusammen.
Mit seiner am 28.6.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Die häusliche Gemeinschaft sei seit Ende Mai 1988 aufgehoben. Er sei aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, da ein Zusammenleben mit der Beklagten nicht mehr möglich gewesen sei. Sie habe sich grundlos aggressiv gezeigt und sei nicht bereit gewesen, die Wohnung zusammenzuräumen, zu kochen und gemeinsamen Hobbies nachzugehen. Dadurch sei es seit Juni 1988 zu einer tiefgreifenden unheilbaren Zerrüttung der Ehe gekommen. Das Klagebegehren werde aus § 49 EheG, eventualiter auf § 55 Abs 1 EheG gestützt (AS 45 = S 1 des Protokolls vom 15.1.1993).
Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen und beantragte Klagsabweisung. Es gebe zwar seit 1988 getrennte Wohnungen, doch seien die Streitteile öfter zusammengetroffen und hätten Wochenenden gemeinsam verbracht. Es werde Mitschuldantrag gestellt und dazu ausgeführt, daß der Kläger seit etwa einem Jahr ein ehebrecherisches Verhältnis zu einer anderen Frau habe. Der Kläger sei während der gesamten Dauer der Ehe aggressiv gewesen, habe dem Alkohol zugesprochen und die Beklagte sowie deren Bruder mißhandelt. Für den Fall der Scheidung gemäß § 55 Abs 1 EheG werde Verschuldensausspruch gemäß § 61 Abs 3 EheG beantragt.
Das Gericht erster Instanz gab dem Scheidungsbegehren aus dem Grunde des § 49 EheG Folge. Es stellte fest, daß die Ehe von Anfang an nicht harmonisch verlaufen sei. Im Jahre 1985 habe der Bruder der damals hochschwangeren Beklagten bei der Adaptierung der Wohnung geholfen, wobei der Kläger den ganzen Tag nicht zu Hause und abends meist alkoholisiert gewesen sei. Der Kläger habe mit seiner Frau gestritten und habe sich aggressiv verhalten, wobei er einmal den Bruder der Beklagten mit einem Messer verletzt habe, als dieser seine Schwester habe beschützen wollen. Zur gleichen Zeit, also 1985, habe der Kläger etwa ein halbes Jahr lang ein Verhältnis mit einer Freundin der Beklagten gehabt, was diese der Beklagten und ihrem Bruder erzählt habe. Streitigkeiten zwischen den Ehegatten hätten bis zum Jahr 1987 angedauert. Ein Freund der Familie sei gelegentlich, manchmal sogar mitten in der Nacht gebeten worden, Streitigkeiten zu schlichten. Die Wohnung habe nach seiner Beschreibung einem Kriegsschauplatz geglichen. Beide Parteien hätten nicht wenig Alkohol konsumiert gehabt, wodurch der Kläger ruhig, die Beklagte jedoch aggressiv geworden sei. Auslösendes Moment der Streitigkeiten sei oftmals die geradezu krankhafte Eifersucht der Beklagten gewesen, welche ihrem Mann grundsätzlich mißtraut habe und sogar ohne jeden Grund den Argwohn gehegt habe, daß er homosexuelle Beziehungen unterhalte. Der Kläger habe, bevor er sich eine eigene Wohnung gesucht habe, einige Zeit bei diesem gemeinsamen Bekannten gewohnt und dies damit begründet, daß er es zu Hause nicht aushalte, er sei nervlich ein Wrack. Ein anderer Bekannter des Klägers, bei welchem dieser ebenfalls während der Zeit seiner Wohnungssuche in den Jahren 1987/1988 gewohnt habe, habe telefonische Streitigkeiten der Parteien mit angehört; der Kläger sei ihm durch die Auseinandersetzungen nervlich sehr belastet erschienen. Ein Lehrer, bei welchem der Kläger einen Deutschkurs absolvierte, habe ebenfalls die Zwistigkeiten der Ehegatten, die übertriebene Eifersucht der Beklagten, ihre grundlosen Vorwürfe und die Tatsache, daß sie ihren Mann gegenüber immer mißtrauisch gewesen sei, bemerkt. Übertriebenen Alkoholgenuß habe er beim Kläger nicht feststellen können. Im Jahre 1985 oder 1986 sei der Kläger eines Morgens mit seinem kleinen Sohn in die Zahnarztordination, in welcher er gearbeitet habe, gekommen und habe gesagt, daß er das Kind habe mitnehmen müssen, weil seine Frau so betrunken sei. Auch habe der Kläger einmal in der Ordination übernachtet, weil ihn die Beklagte aus der Wohnung geworfen habe. Entweder 1985 oder 1986 sei die Beklagte in die Ordination gekommen und habe ihren Mann vor allen Anwesenden eine dramatische Szene gemacht, wobei sie ihn mit Worten wie „Schwein“ beschimpft habe. Ursache der Szene sei grundlose Eifersucht auf die Ordinationshilfe gewesen. Infolge der ständigen Zwistigkeiten habe der Kläger seit dem Jahr 1987 eine eigene Unterkunft gesucht und sei definitiv im Mai 1988 aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen. Von August bis September 1988 habe er in der neuen Wohnung mit einer Frau zusammengelebt. Seit Februar 1992 bestehe eine Lebensgemeinschaft mit einer anderen Frau. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, daß der Beklagten der Beweis für ehewidrige Beziehungen des Klägers vor seinem Auszug aus der Ehewohnung nicht gelungen, sie vielmehr grundlos eifersüchtig gewesen sei. Aus dem gesamten Akteninhalt gehe andererseits hervor, daß der Kläger dem Alkohol in starkem Maße zugetan gewesen sei und in diesem Zustand dazu geneigt habe, die Ehefrau zu vernachlässigen bzw. auf ihre Vorwürfe mit Streit zu erwidern. Rechtlich beurteilte das Erstgericht die Feststellungen dahingehend, daß beide Ehegatten schwere Eheverfehlungen im Sinn des § 49 EheG gesetzt hätten. Das Verschulden beider Parteien wiege gleich schwer. Hinsichtlich der vor der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft im Jahr 1988 gesetzten Verfehlungen werde auf § 57 Abs 1 EheG verwiesen.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß die Eheverfehlungen der Beklagten nicht verfristet seien, da sie bis zum Auszug des Klägers fortgedauert haben und danach die Frist des § 57 Abs 1 EheG infolge Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Ehegatten gehemmt gewesen sei. Auch die Eheverfehlung des Mannes seien nicht verfristet, da auch ihm ein über das Jahr 1985 hinaus weiterreichendes schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen sei, nämlich Streitigkeiten im Zusammenhang mit Alkoholkonsum und das Eingehen der Lebensgemeinschaft im Jahre 1988. Betrachte man die Verfehlungen der Ehegatten in ihrer Wechselwirkung auf die Gestaltung des Ehelebens bestehe kein Zweifel daran, daß sowohl die heftigen Eifersuchtsszenen der Beklagten, die sich teils auch vor anderen Leuten abspielten als auch das Verhalten des Mannes, der in erhöhten Maße Alkohol konsumierte, anfangs der Ehe unter Alkoholeinfluß aggressiv reagierte und im Jahre 1985 sechs Monate eine ehewidrige Beziehung zu einer Freundin hatte, als Eheverfehlungen zu werten seien, denen die Eignung zukomme, das Scheitern der von Anfang an durch Auseinandersetzungen gekennzeichneten Ehe herbeizuführen. Der Ausspruch überwiegenden Verschuldens sei nur dann vorzunehmen, wenn Verfehlungen des anderen Partners völlig in den Hintergrund treten. Wesentlich sei dabei, wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung geleistet habe. Stelle man das Gesamtverhalten der Parteien während der Ehe gegenüber, lasse sich eine derart gravierende Abstufung des Verschuldens nicht feststellen. Beiden Ehegatten sei generell eine von wenig Toleranz geprägte Grundhaltung vorzuwerfen. Die Beklagte habe ihren Mann teilweise vor dritten Personen massive Eifersuchtsszenen geliefert, wobei besonders schwerwiegend die an der Arbeitsstelle des Klägers als Zahnarzt erhobenen, jedoch unbegründete Beschuldigung, mit der Ordinationshilfe ein Verhältnis zu haben, wiegen. Auf die anderen Seite stehe der hohe Alkoholkonsum des Mannes, seine anfangs der Ehe gegebenen Aggressionen gegen die Gattin, ehewidrige Beziehungen im Jahre 1985, die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft im August 1988 und schließlich einer weiteren solchen im Februar 1992. Diesen beiden letztgenannten Faktoren komme allerdings beim Verschuldenskalkül keine entscheidende Bedeutung zu, da die Beziehungen zwischen den Streitteilen im Zeitpunkt des Auszuges des Mannes im Mai 1988 „einen ziemlichen Tiefpunkt erreicht haben dürften“ und die Aufnahme der Lebensgemeinschaft daher keinen wesentlichen Einfluß mehr auf die Zerrüttung gehabt haben konnte.
Der dagegen erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Hat bei einer Scheidung wegen Verschuldens die Beklagte einen Mitschuldantrag gestellt und wird die Ehe wegen Verschuldens beider Ehegatten geschieden, so sind beide für schuldig zu erklären. Ist das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, daß seine Schuld überwiegt (§ 60 Abs 2 und 3 EheG). Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist grundsätzlich das Gesamtverhalten beider Ehegatten im Zusammenhang, nicht eine Gegenüberstellung der einzelnen Eheverfehlungen maßgeblich (EFSlg 57.211; 54.455; 51.642). Dabei sind auch verziehene oder verfristete Eheverfehlungen zu berücksichtigen (EFSlg 54.468, 51.668; 1 Ob 557/90). Vor allem ist bei Abwägung der Mitschuld maßgeblich, wer mit der schuldhaften unheilbaren Zerrüttung der Ehe den Anfang machte. Die Ursächlichkeit der Verfehlung für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung. Es kommt daher nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Eheverfehlungen an, sondern auch darauf, wie weit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (EFSlg 57.212, 54.456, 51.643; 1 Ob 528/91; 7 Ob 513,514/89; 1 Ob 675/89). Gemäß § 49 zweiter Satz EheG kann, wer selbst Eheverfehlungen begangen hat, dann nicht die Scheidung begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist. Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre mangelt es dann an der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens, wenn dem beklagten Ehegatten zwar eine schwere Eheverfehlung zur Last liegt, die zur Zerrüttung der Ehe führte oder dazu beitrug, diese Verfehlung jedoch erst durch schuldhaftes Verhalten des Klägers hervorgerufen wurde oder ein Zusammenhang zwischen der Verfehlung des Klägers mit dem Verhalten der Beklagten besteht und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe das Begehren auf Scheidung wegen dieses Zusammenhanges nicht als zulässig erkannt werden könnte oder, wenn selbst ohne solchen Zusammenhang der beiderseitigen Eheverfehlungen, Verfehlungen des Klägers unverhältnismäßig schwerer wiegen (EFSlg 51.607; 48.772; SZ 38/181; 1 Ob 600/88; Schwind, Eherecht2 215; Pichler in Rummel 2 Rdz 5 und 6 zu § 49 EheG).
Beide Vorinstanzen machen der Beklagten zum Vorwurf, daß sie mit dem Kläger aus grundloser Eifersucht gestritten und ihn deshalb einmal in der Zahnarztordination beschimpft und unrichtig einer ehewidrigen Beziehung zur Ordinationsgehilfin geziehen habe. Nicht berücksichtigt wurden allerdings in diesem Zusammenhang die Feststellungen des Erstgerichtes, daß der Kläger im Jahre 1985 alkoholisiert nach Hause gekommen sei, sich aggressiv gegen die Beklagte verhalten und deren Bruder mit dem Messer verletzt und im Jahre 1985 durch etwa ein halbes Jahr ein Verhältnis mit einer Freundin der Beklagten gehabt habe. Das Erstgericht vertrat offenkundig die Ansicht, daß auf diese Verfehlungen infolge Verfristung nicht Bedacht zu nehmen sei.
Das Gericht zweiter Instanz bezog zwar diesen Sachverhalt in seine Verschuldensabwägung ein, vermeinte jedoch, daß „bei der Globalbetrachtung des Verlaufes der Ehe“ der Ansicht des Erstgerichtes über das Vorliegen gleichteiligen Verschuldens beizupflichten sei. Damit haben aber beide Vorinstanzen gegen die dargestellte ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verstoßen. Es liegt nahe, daß Eifersuchtsszenen der Gattin durch einen Ehebruch des Ehemannes bedingt sein können. Es geht nicht an, ohne weitere Begründung dafür, daß das Verhalten der Gattin im speziellen Fall ausnahmsweise nicht durch die Verfehlung des Mannes bedingt wäre, diesen Zusammenhang dadurch zu zerreißen, daß der Ehebruch einfach deshalb unbeachtet bleibt, weil ein mögliches Klagerecht verfristet wäre. Damit wird nicht nur Wirkung und Ursache in unzulässiger Weise getrennt, sondern auch gegen die Bestimmung des § 60 Abs 3 EheG verstoßen, wonach im Rahmen eines Mitschuldantrages auch verfristete Eheverfehlungen zu berücksichtigen sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Es kann selbstverständlich auch keine Rede davon sein, daß bei dieser Sachlage das Verschulden des Mannes, dem noch Alkoholmißbrauch und aggressives Verhalten gegenüber der Ehefrau vorgeworfen wird, ohne weitere Begründung jenem der eifersüchtigen Ehefrau gleichgehalten werden kann. Vielmehr wäre auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen davon auszugehen, daß das Verschulden des Klägers nicht nur jenes der Beklagten bei weitem überwiegt, sondern daß sein auf Verschulden gestütztes Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt ist, da er selbst die Ursache für das Verhalten der Beklagten gesetzt hat. Hiezu kommt, daß nach den bisherigen Feststellungen der Zeitpunkt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe sich nicht eindeutig feststellen läßt. Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Beziehungen der Parteien im Mai 1988 „einen ziemlichen Tiefpunkt erreicht haben dürften“, reicht nicht aus, um verläßlich darüber absprechen zu können, ob die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft kurze Zeit nach dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung bei der Beurteilung des Verhaltens des Klägers außer Betracht bleiben kann (vgl Pichler in Rummel2 Rdz 3 zu § 49 EheG; 8 Ob 647/90; 7 Ob 713/88).
Dem Obersten Gerichtshof ist jedoch eine abschließende Beurteilung der Rechtssache verwehrt, da beide Vorinstanzen übersehen haben, daß gerade die eingangs als entscheidungswesentlich skizzierten Feststellungen des Erstgerichtes einen nur in der Tatsacheninstanz aufklärbaren Widerspruch enthalten:
Nach den Feststellungen wurde der gemeinsame Sohn der Parteien am 7.1.1985, somit vor Eheschließung am 18.3.1985, geboren. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat sich die Ehe der Streitteile vom Anfang an nicht harmonisch gestaltet. Der Bruder der Beklagten half seiner damals hochschwangeren Schwester im Jahre 1985 bei der Adaptierung der Wohnung. Dabei kam es auch zu den bereits beschriebenen Tätlichkeiten und Auseinandersetzungen. Zur gleichen Zeit, also 1985, hatte der Kläger etwa ein halbes Jahr lang ein Verhältnis mit einer Freundin der Beklagten. Da eine weitere Schwangerschaft der Beklagten nicht aktenkundig ist, können die vom Bruder der Beklagten beschriebenen Auseinandersetzungen nicht während sondern nur vor der Ehe stattgefunden haben. Da das Verhältnis des Klägers mit einer Freundin der Beklagten „zur gleichen Zeit“ bestanden haben soll, kann nun nicht mehr mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß dies bei aufrechter Ehe der Fall gewesen ist. In Anbetracht der Eheschließung Mitte März 1985 ist auch der der Beklagten zum Vorwurf gemachte Vorfall in der Ordination des Klägers „entweder 1985 oder 1986“, bei welcher die Beklagte ihm eine unbegründete Eifersuchtsszene gemacht haben soll, zeitlich zu ungenau eingeordnet, um mit Sicherheit sagen zu können, daß das Ereignis nach der Ehehschließung stattgefunden hat.
Auf die Aufklärung dieser Widersprüche und Ungenauigkeiten hätte das Erstgericht im Rahmen der Prozeßleitungspflicht gemäß § 182 Abs 1 ZPO dringen müssen, wobei der Sachverhalt zweifellos schon durch die ergänzende Vernehmung der Parteien hätte aufgeklärt werden können. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten erhobene auf die unterbliebene Parteienvernehmung gestützte Mängelrüge verworfen, ohne zu erkennen, daß schon die mangelhafte Stoffsammlung allein die Ergänzung des Beweisverfahrens notwendig gemacht hätte. Damit ist aber das Berufungsverfahren selbst mit einem Mangel behaftet, welcher von der Revisionswerberin im Ergebnis zu Recht geltend gemacht wurde.
Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die aufgezeigten Widersprüche durch Ergänzung des Beweisverfahrens, insbesondere Vernehmung der Parteien, aufzuklären haben. Sollte das Verhältnis des Klägers mit der Freundin der Beklagten vor Eingehen der Ehe beendet gewesen sein, könnte darauf grundsätzlich nicht Bedacht genommen werden. Sollte jedoch tatsächlich Ehebruch vorgelegen sein, wäre - ausgenommen den Fall, daß die Beklagte das Verhalten nicht als ehezerstörend empfunden hätte, etwa weil sie in Kenntnis der Beziehung die Ehe eingegangen ist - entsprechend den eingangs dargestellten rechtlichen Überlegungen die auf Verschulden gestützte Klage als sittlich nicht gerechtfertigt abzuweisen. In diesem Falle hätte das Erstgericht über das Eventualbegehren zu entscheiden, wobei für den von der Beklagten begehrten Schuldausspruch gemäß § 61 Abs 3 EheG nicht nur ausschlaggebend ist, wer mit dem Verhalten der später zur Zerrüttung der Ehe geführt hat, begonnen hat, sondern auch, wer entscheidend dazu beigetragen hat, daß die Ehe unheilbar zerrüttet wurde. Es kommt also nicht bloß auf die Schwere der einzelnen Verfehlungen an, sondern darauf, in welchem Umfang diese Verfehlungen zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe beigetragen haben (7 Ob 530/92; 8 Ob 597/92).
Es war daher der Revision Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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