OGH 7Ob713/88

OGH7Ob713/8815.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg H***, geboren 14. März 1939, Angestellte, Wien 10., Kundratstraße 8-10/11/5/16, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei KommRat Bruno H***, geboren 1. November 1988, Kaufmann, Wien 10., Kundratstraße 8-10/11/5/16, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. September 1988, GZ 12 R 162/88-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 13. April 1988, GZ 17 Cg 70/86-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 2. Mai 1977 geheiratet. Der Ehe entstammt der am 4. Mai 1977 geborene Alexander H***. Es handelt sich beiderseits um die zweite Ehe.

Die Klägerin hat drei aus der ersten Ehe stammende Kinder in die Ehe mitgebracht, von denen das älteste bereits mit 17 Jahren aus der Ehewohnung ausgezogen ist, während die beiden anderen, 1968 und 1969 geborenen, noch mit den Streitteilen zusammen wohnen. Sie studieren beide.

Die Klägerin arbeitete während der Ehe im Unternehmen des Beklagten, bezog dort jedoch kein Gehalt und erhielt vom Beklagten auch kein Wirtschaftsgeld. Sie hatte allerdings die Möglichkeit, 50 S oder 100 S aus der Tageskasse zu entnehmen. Der Beklagte kam für sämtliche Fixkosten des Haushaltes auf. Er versorgte auch die im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder der Klägerin aus erster Ehe. Infolge des Umstandes, daß der Beklagte der Klägerin nie Bargeld gab, sich ihr gegenüber interesselos und lieblos zeigte und auch trotz des Fleißes der Klägerin an der Haushaltsführung herumnörgelte, kam es zu einer Entfremdung die schließlich dazu führte, daß die Klägerin Anfang 1985 ihren Ehewillen zur Gänze verloren hatte. Die Klägerin wandte sich daher Karl A*** zu, mit dem sie im August 1985 eine Reise nach Paris unternahm, wobei es zum Geschlechtsverkehr zwischen den beiden kam. Seither bestehen zwischen ihnen intime Kontakte. Karl A*** besucht die Klägerin auch in der Ehewohnung. Er wurde wegen seines Verhältnisses zur Klägerin auf Grund einer Privatanklage des Beklagten rechtskräftig des Ehebruchs für schuldig erkannt.

Die Streitteile wohnen zwar noch in der selben Wohnung, haben jedoch seit 1985 keinen Kontakt mehr zueinander. Am 14. März 1986 brachte die Klägerin die Ehescheidungsklage ein.

Der Beklagte begehrte die Abweisung der Scheidungsklage und beantragte hilfsweise die Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin.

Die Vorinstanzen haben die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden, wobei bezüglich der festgestellten Details auf das erstgerichtliche Urteil (S 224 bis 234 dA) verwiesen wird. In rechtlicher Beziehung gingen die Vorinstanzen davon aus, daß die Ehe bereits Anfang 1985 durch das Verhalten des Beklagten unheilbar zerrüttet war. Durch den Ehebruch der Klägerin habe sich daran nichts mehr geändert. Aus diesem Grunde habe die Klägerin durch den Ehebruch ihr Scheidungsbegehren nicht verwirkt. Ungeachtet des Umstandes, daß die Klägerin durch ihr Verhalten eine schwere Eheverfehlung gesetzt habe, müsse im Hinblick auf das auslösende Verhalten des Beklagten dessen Verschulden an der Ehescheidung als überwiegend angesehen werden. Das Scheidungsbegehren der Klägerin sei deshalb nicht verfristet, weil seit dem Jahre 1985 keine tatsächliche häusliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten mehr bestanden habe. Demnach sei die Frist des § 57 Abs 1 EheG ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gelaufen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen den Ausspruch der Scheidung wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision, mit der lediglich die Abweisung des Scheidungsbegehrens, allenfalls die Aufhebung des angefochtenen Urteiles verlangt wird, ist nicht gerechtfertigt.

Da das Ehescheidungsverfahren seit der Novelle BGBl. 1983/566 nicht mehr der Offizialmaxime unterliegt, ist nunmehr die Wiederholung einer von der zweiten Instanz verworfenen Mängelrüge in der Revision unzulässig (EFSlg 52.235, 49.388 ua). Damit erledigt sich die Mängelrüge.

Mit dem Hinweis auf die mangelhafte Ausführung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht nicht gegen die Aktenlage argumentiert. Der diesbezügliche Passus der Berufung, den die Revision zitiert (S 246 f dA), stellt lediglich eine den erstinstanzlichen Feststellungen zuwiderlaufende Behauptung auf, ohne zu begründen, auf Grund welcher Beweisergebnisse diese Behauptung richtiger sein soll, als die Feststellungen des Erstgerichtes. Dies kann aber nicht als eine gesetzmäßige Ausführung des erwähnten Berufungsgrundes angesehen werden.

Entgegen den Ausführungen der Revision sagt die Ausübung des Geschlechtsverkehrs für sich allein weder etwas über die Verzeihung von Eheverfehlungen noch über die Frage der endgültigen Zerrüttung der Ehe aus. Verzeihung im Sinne des § 56 EheG ist nur dann anzunehmen, wenn der gekränkte Ehegatte durch sein Gesamtverhalten zum Ausdruck bringt, daß er das als Eheverfehlung empfundene Fehlverhalten seines Ehepartners nicht mehr als solches betrachtet und daher vorbehaltslos bereit ist, mit ihm die Ehe fortzusetzen. Für die Annahme der Verzeihung ist auch die (allenfalls konkludente) Äußerung des inneren Vorganges bei voller Kenntnis der Verfehlungen des Ehegatten dahin notwendig, die Ehe fortsetzen zu wollen (EFSlg 51.632, 38.760 ua). Den Beweis dafür hat der Beklagte zu erbringen (EFSlg 51.634, 34.022 ua). Demnach kann in der Tatsache des Geschlechtsverkehrs nur dann Verzeihung erblickt werden, wenn aus dem gesamten Verhalten des gekränkten Ehegatten hervorgeht, daß er dadurch unzweideutig zum Ausdruck bingen wollte, daß er die Eheverfehlung des anderen Teiles, wodurch er sich zuerst gekränkt erachtete, nun als solche nicht mehr empfinde (Pichler in Rummel, Rz 2 zu § 56 EheG, EFSlg 51.636, 38.763 ua). Die Feststellung des diesbezüglichen Willens des gekränkten Ehegatten fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann (EFSlg 51.631, 46.219 ua).

Da die Vorinstanzen einen Verzeihungswillen der Klägerin bei Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit dem Beklagten nicht festgestellt haben, muß der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, vom Fehlen einer Verzeihung ausgehen. Die Vorinstanzen haben ferner festgestellt, daß zumindest die Klägerin ab Anfang 1985 den Ehewillen verloren hat. Geht es um die Wertung, ob die wesentlichen Grundlagen für die Fortführung der Ehe bei einem Teil subjektiv zu bestehen aufgehört haben, handelt es sich ebenfalls um Tatsachenfeststellungen auf Grund irrevisibler Beweiswürdigung (SZ 52/29, EFSlg 44.115 ua). Auch hier muß also der Oberste Gerichtshof von der unheilbaren Zerrüttung der Ehe ab Anfang 1985 ausgehen.

Daß das festgestellte Verhalten des Beklagten grundsätzlich eine schwere Eheverfehlung darstellt, kann auch die Revision ernsthaft nicht bestreiten. Die Rechtsrüge erschöpft sich vielfach in dem unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der festgestellten Tatsachen, wie insbesondere der fehlenden Feststellung einer Verzeihung sowie der unheilbaren Zerrüttung der Ehe. Daß bei der durch den Beklagten verschuldeten Zerrüttung der Ehe Anfang 1985 der später von der Klägerin begangene Ehebruch den Verwirkungstatbestand des § 49 EheG nicht mehr verwirklichen kann, liegt auf der Hand. Das Verhalten des Beklagten war nicht etwa eine Reaktion auf den Ehebruch, vielmehr erweist sich der Ehebruch eher als Reaktion auf die Interesse- und Lieblosigkeit des Beklagten. Das Abhängighalten einer Ehefrau durch ständige Verweigerung der Möglichkeit, über eigene finanzielle Mittel zu verfügen, ihre Ausbeutung durch Mehrfachbelastung verbunden mit ständiger Nörgelei, müssen eine Ehefrau auf die Dauer derart zermürben, daß als Reaktion auch schwere Eheverfehlungen ihrerseits verständlicher erscheinen.

Richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß die Frist des § 57 Abs 1 EheG nicht abgelaufen ist. Unter Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Sinne dieser Bestimmung ist nämlich dasselbe zu verstehen, wie im Sinne des § 55 EheG (EFSlg 51.640, 48.813 ua). Die häusliche Gemeinschaft kann aber auch unter einem Dach aufgehoben sein und zwar bei getrennter Benützung der Räume auch nur einer Wohnung, wenn die persönliche Berührung weitgehend ausgeschlossen ist (Pichler in Rummel, Rz 2 zu § 55 EheG, RZ 1981/28, SZ 52/29 ua). Derartiges wurde von den Vorinstanzen festgestellt. An diese Feststellung ist der Oberste Gerichtshof gebunden. Geht man aber von ihr aus, so kann von einer häuslichen Gemeinschaft im Sinne des § 57 Abs 1 EheG seit dem Jahre 1985 nicht mehr gesprochen werden, was den Lauf der Frist nach dieser Gesetzesstelle ausschließt.

Da auch die Revision, ebenso wie die Berufung, zu der von den Vorinstanzen vorgenommenen Verschuldensaufteilung keine Ausführungen enthält und dieser Teil weder in der Anfechtungserklärung noch im Revisionsantrag aufscheint, hatte der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen.

Die Revision erweist sich demnach als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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