Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohnhauses im 3.Bezirk und eines weiteren im 15.Bezirk. Der Beklagte hatte mit der Klägerin über eine Wohnung in dem Haus im 3.Bezirk am 31.10.1991 einen auf sechs Monate befristeten Mietvertrag abgeschlossen; das Mietverhältnis begann am 1.11.1991 und endete am 31.4.1992. Unmittelbar darauf, am 1.5.1992, schloß er mit der Klägerin für die Zeit vom 1.5.1992 bis 31.10.1992 einen Mietvertrag über eine Wohnung in dem Wohnhaus im 15.Bezirk. Diese Wohnung hatte bis zum Abschluß des Mietvertrages mit dem Beklagten die Nebenintervenientin mit Vertrag vom 30.10.1991 für die Dauer von sechs Monaten gemietet. Die Nebenintervenientin schloß am 1.5.1992 für die Zeit vom 1.5.1992 bis 31.10.1992 mit der Klägerin einen Mietvertrag über die bisher an den Beklagten vermietete Wohnung in dem im 3.Bezirk gelegenen Wohnhaus ab.
Tatsächlich tauschten jedoch der Beklagte und die Nebenintervenientin aufgrund einer zwischen ihnen getroffenen Absprache die Wohnungen nicht und verblieb der Beklagte in der ursprünglich angemieteten Wohnung im 3.Bezirk und die Nebenintervenientin in jener im
15. Bezirk. Der Beklagte und seine Familie meldeten sich zum Schein an der Adresse im 15.Bezirk, die Nebenintervenientin an der Adresse im
3. Bezirk an. Die Nebenintervenientin erteilte dem zuständigen Postamt im 3.Bezirk einen Nachsendeauftrag an die Adresse im 15.Bezirk. Der Beklagte ging regelmäßig in das Haus im 15.Bezirk und entnahm aus dem Hausbrieffach die an ihn adressierten Briefsendungen. Die Mietzinsvorschreibungen wurden vom Beklagten und der Nebenintervenientin getauscht. Der Beklagte zahlte bis Juli 1992 den Mietzins für die Wohnung im 3.Bezirk unter dem Namen der Nebenintervenientin ein, die Nebenintervenientin ihrerseits leistete die Zahlungen bis Juni 1992 unter dem Namen des Beklagten. Erst nachdem sich Beklagter und Nebenintervenientin bei einer Mietervereinigung erkundigt hatten, strichen sie auf den jeweiligen Zahlscheinen die vorgedruckten Namen durch und entrichtete ab nun der Beklagte für die Wohnung im 3.Bezirk den Mietzins unter seinem Namen, so wie sich die Nebenintervenientin als Einzahlerin der Miete für die Wohnung im 15.Bezirk deklarierte.
Die Mietverträge wurden durch Milivoje M., der selbst einmal in einem der Häuser der Klägerin mit befristetem Mietvertrag gewohnt und für die Klägerin dort Wohnungen ausgemalt hatte, insoweit angebahnt, als aufgrund von Erkundigungen des Beklagten und der Nebenintervenientin nach freien Wohnungen mit dem Geschäftsführer der Klägerin Kontakt aufnahm. Dieser erklärte ihm, daß Wohnungen in den beiden Häusern der Klägerin jeweils für sechs Monate vermietet würden. Eine Zusage der Verlängerung dieser Mietverträge erteilte der Geschäftsführer der Klägerin nicht. Trotzdem stellte M. sowohl dem Beklagten als auch der Nebenintervenientin ohne Wissen der Klägerin die Möglichkeit der Verlängerung der Mietverträge in Aussicht. Er überbrachte sowohl dem Beklagten als auch der Nebenintervenientin bereits ausgefüllte Mietverträge, die er unterfertigen ließ und zur Klägerin zurückbrachte. Er übernahm weiters vom Beklagten S 35.000. Einen Teil des Betrages behielt er selbst, den Rest gab er an die Klägerin unter anderem als Kaution weiter.
Vor Ablauf der Befristung der jeweils ersten Mietverträge forderte die Klägerin den Beklagten und die Nebenintervenientin schriftlich zur Rückstellung des Bestandobjektes auf. Auf Rückfragen der beiden Mieter wurde ihnen von einer Angestellten der Klägerin erklärt, daß ein Verbleib in der Wohnung nicht möglich sei, jedoch ein Mietvertrag über eine andere Wohnung abgeschlossen werden könnte. Der Beklagte und die Nebenintervenientin wandten sich wieder an Milivoje M., der sich daraufhin seinerseits mit dem Geschäftsführer der Klägerin in Verbindung setzte. Dieser erklärte sich mit einem Wohnungstausch der Mieter und mit neuerlich abzuschließenden befristeten Mietverträgen einverstanden. M. überbrachte neuerlich die ausgefüllten Mietverträge dem Beklagten und der Nebenintervenientin und stellte sie nach Unterfertigung an die Klägerin zurück. Aufgrund einer Absprache zwischen M., dem Beklagten und der Nebenintervenientin blieben die Mieter jedoch in ihren bisherigen Wohnungen.
Mit ihrer am 12.11.1992 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, das von ihm gemietete Bestandobjekt im Wohnhaus im 15.Bezirk zu räumen. Das befristete Mietverhältnis habe am 31.10.1992 geendet, ohne daß es einer weiteren Aufkündigung bedurft hätte. Der Klägerin sei nicht bekannt gewesen, daß der Beklagte und die Nebenintervenientin ihre mit dem ersten Mietvertrag angemieteten Wohnungen nicht verlassen hätten. Sie sei bis zur Bestreitung des Klagebegehrens davon ausgegangen, daß der Beklagte die Wohnung im 15.Bezirk tatsächlich bewohne.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte mangelnde Passivlegitimation ein. Er sei seit November 1991 Mieter der Wohnung im 3.Bezirk. Von Milivoje M., einem Mitarbeiter der Klägerin, sei ihm vor Beginn des Mietverhältnisses zugesagt worden, daß ihm nach Ablauf der sechsmonatigen Befristung eine andere Wohnung von der Klägerin zur Verfügung gestellt werde. Dies sei in der Folge zwar nicht geschehen, jedoch habe ihm M. im Auftrag der Klägerin den Vorschlag gemacht, weiterhin in der Wohnung im 3.Bezirk zu verbleiben. Er müsse jedoch einen neuen Mietvertrag für eine Wohnung im 15.Bezirk unterzeichnen, sich an dieser Anschrift anmelden und den alten Mietvertrag zurückgeben. Der Mietvertrag über die Wohnung im
15. Bezirk sei als Scheinvertrag zu qualifizieren, das Mietverhältnis über die Wohnung im 3.Bezirk habe sich über den vereinbarten Endtermin hinaus nach Maßgabe des § 29 MRG auf unbestimmte Dauer verlängert. Auch der Mietvertrag der Nebenintervenientin über die Wohnung im 3.Bezirk sei ein Scheinvertrag. Die Klägerin habe gewußt oder hätte wissen müssen, daß die Nebenintervenientin in der Wohnung im 15.Bezirk geblieben sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und stellte darüber hinaus fest, daß Milivoje M. bei der Klägerin weder als Angestellter oder Arbeiter beschäftigt gewesen sei noch für die Klägerin in deren Auftrag Wohnungen vermittelt habe. Die Klägerin habe davon, daß der Beklagte und die Nebenintervenientin nach Abschluß der jeweils zweiten Mietverträge in den ursprünglich angemieteten Wohnungen verblieben, nichts gewußt und davon erst aufgrund der geänderten Zahlscheine gegen Ende des Mietverhältnisses erfahren. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß ein Scheingeschäft nicht vorliege. Der Beklagte und die Klägerin hätten aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers den Mietvertrag vom 1.5.1992 über die Wohnung im
15. Bezirk nicht bloß zum Schein abgeschlossen, sondern habe der Beklagte das Objekt tatsächlich mieten wollen. Der Beklagte sei daher Mieter der Wohnung im 15.Bezirk. Die Nebenintervenientin bewohne die Wohnung mit Zustimmung des Beklagten. Das Mietverhältnis sei beendet. Gemäß § 1109 ABGB treffe den Mieter nach Beendigung des Bestandverhältnisses die Verpflichtung, das Bestandobjekt zurückzustellen, auch wenn dieses von einer dritten Person benützt werde.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es das Räumungsbegehren abwies, und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ohne auf die Mängel- und Beweisrüge einzugehen, folgerte es rechtlich, daß durch das Vorgehen der Parteien die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 3 MRG umgangen worden sei. Das bedeute im vorliegenden Fall, daß der Beklagte so zu behandeln sei, als stelle der mit ihm über die Wohnung im 15.Bezirk abgeschlossene Mietvertrag lediglich eine Verlängerung des Mietverhältnisses über die Wohnung im dritten Bezirk dar. Unbeschadet des wirksamen Zustandekommens einer Befristung dieses Mietverhältnisses nach § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG könne daher die Räumung jener Wohnung, über die die Parteien nach dem Zweck des Umgehungsgeschäftes in Wahrheit nicht kontrahieren wollten, gegenüber dem Beklagten nicht durchgesetzt werden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Der erste mit dem Beklagten abgeschlossene Mietvertrag, dessen Dauer auf sechs Monate festgelegt war, fiel nach seinem in der Vertragsurkunde festgelegten Inhalt nicht in den Anwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 2 Z 3). Der zweite zwischen Klägerin und Beklagtem zustandegekommene Mietvertrag über ein Bestandobjekt in einem anderen Haus der Klägerin ist als Glied eines "Kettenvertrags" zu sehen, dessen einziger Zweck darin gelegen war, eine - in Wahrheit vorliegende - Verlängerung des ersten Mietvertrages zu verschleiern. Das kann auch die Klägerin nicht bestreiten, lag doch kein objektiver Grund für den Wohnungstausch vor (vgl 8 Ob 631/93). Ein derartiges Umgehungsgeschäft ist jedoch nicht von vornherein nichtig. Es unterliegt vielmehr nur der Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist (7 Ob 552/87; EvBl 1988/10). Kettenverträge sind nicht an sich unzulässig, aber zur Vermeidung von Umgehungseffekten als wirtschaftliche Einheit zu betrachten (1 Ob 643/92; WoBl 1992/149; ImmZ 1992, 7). Durch die somit anzunehmende Verlängerung des ersten Mietvertrages auf die Gesamtdauer eines Jahres gelangte das Bestandverhältnis rückwirkend in den Anwendungsbereich des MRG. Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG aF war die Auflösung von Hauptmietverträgen über Wohnungen dann zulässig, wenn schriftlich vereinbart worden ist, daß der Vertrag durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Der in dieser Gesetzesstelle umschriebene Auflösungsgrund blieb daher dann bestehen, wenn die Vertragsdauer einschließlich der Verlängerung die einjährige Höchstfrist wahrte (JBl 1987, 659). Die vollen Rechtsfolgen des § 29 Abs 3 MRG mit der Wirkung, daß der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt, traten erst bei Fortsetzung des Mietverhältnisses über die vom Gesetz festgelegte Dauer hinaus ein (ImmZ 1992,7). Daß die Klägerin mit dem Abschluß der beiden Mietverträge die Umgehung der Bestimmung des § 1 Abs 2 Z 3 MRG über die Anwendbarkeit dieses Gesetzes beabsichtigte, hat auf die Anwendbarkeit des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG a.F. keinen Einfluß, weil sich darauf evidentermaßen die Umgehungsabsicht nicht bezog.
Die Tatsache des Abschlusses von Kettenverträgen steht daher, da die Höchstfrist des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG aF nicht überschritten wurde, dem Räumungsbegehren der Klägerin nicht entgegen. Allerdings ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes, daß nicht der Beklagte, sondern die Nebenintervenientin die Wohnung im 15.Bezirk bewohnt. Ist der Beklagte aufgrund gültig zustandegekommenen Mietvertrages Bestandnehmer, ist er zur Räumungsklage unbeschadet der tatsächlichen Nutzung der Wohnung durch einen anderen passiv legitimiert (§ 1109 ABGB). Dem gegen den Beklagten erwirkten Räumungstitel müßte auch die Nebenintervenientin gleich einem Afterbestandnehmer gemäß § 568 ZPO weichen. Anders gelagert wäre der Fall nur, wenn ein Mietvertrag mit dem Beklagten nicht gültig zustandegekommen wäre, weil der Mietvertrag über die Wohnung im
15. Bezirk als Scheingeschäft zu qualifizieren wäre.
Gemäß § 916 Abs 1 ABGB ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis zum Schein abgegeben wird, nichtig. Es ist im Verfahren unbestritten geblieben, daß die Gespräche über den Weiterverbleib des Beklagten und der Nebenintervenientin in den bisher gemieteten Wohnungen ausschließlich mit Milivoje M. geführt wurden. Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, daß M. über Aufforderung des Beklagten und der Nebenintervenientin den Geschäftsführer der Klägerin wegen freistehender Wohnungen kontaktierte und sodann den ausgefüllten Mietvertrag zur Unterfertigung überbrachte und wieder zurückstellte. Desweiteren inkassierte er einen teilweise an die Klägerin weitergeleiteten Geldbetrag. Damit wurde aber entgegen der Ansicht des Beklagten keine Anscheinsvollmacht dahin begründet, M. könne schlechthin für die Beklagte über die Vergabe von Wohnungen verhandeln. Gegen diese Annahme spricht nachhaltig, daß er den bereits fertig ausgefüllten Mietvertrag an den Beklagten und die Nebenintervenientin übergab, ihm somit für diese deutlich erkennbar nur die Funktion eines Boten, nicht aber jene eines Bevollmächtigten zukam. Ein über diese Botentätigkeit hinausgehender "äußerer Tatbestand" wurde von der Klägerin nicht geschaffen (SZ 59/62; Strasser in Rummel2 Rz 49 zu § 1002). Anders läge der Fall, wenn sich die Klägerin des Milivoje M. als Vermittler für die Vertragsverhandlungen bedient hätte. Derjenige, der sich eines Gehilfen bei der Verhandlung bedient, haftet für dessen Verschulden wie für sein eigenes. Entscheidend für die Gleichsetzung des Verhandlungsführers mit dem Geschäftsherrn ist, daß dieser jenen zum Mann seines Vertrauens erklärte und daß der Verhandlungsführer maßgeblich am Zustandekommen des Geschäftes mitgewirkt hat. Bloß gleichgelagertes Interesse an der Vermietung (der Klägerin an der Vergabe der Wohnung, des Milivoje M. daran, seinen Bekannten - gegen finanzielle Abgeltung - gefällig zu sein), reicht nicht aus (SZ 44/59; Rummel in Rummel2 Rz 2 zu § 875). Käme Milivoje M. in diesem Sinne die Position eines Vermittlers zu, wäre sein Verhalten und Wissen der Klägerin zuzurechnen (SZ 63/50). In diesem Falle müßte der Abschluß des Mietvertrages über die Wohnung im 15.Bezirk als Scheingeschäft qualifiziert und die Klage mangels Passivlegitimation des Beklagten abgewiesen werden.
Sowohl der Beklagte als auch die Nebenintervenientin haben in ihren Berufungen gegen das erstinstanzliche Urteil die entscheidungswesentlichen Feststellungen, daß Milivoje M. weder Angestellter oder Arbeiter der Klägerin gewesen sei noch in deren Auftrag die Wohnungen vermittelt habe, sowie, daß die Klägerin vom Verbleib der Mieter in den ursprünglichen Wohnungen nichts gewußt habe und damit kein Scheingeschäft vorgelegen sei, bekämpft. Mit dieser Beweisrüge hat sich das Berufungsgericht aus unrichtiger Rechtsansicht nicht auseinandergesetzt. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)