OGH 1Ob592/82

OGH1Ob592/8221.4.1982

SZ 55/54

Normen

ABGB §796
EheG §78 Abs1
ABGB §796
EheG §78 Abs1

 

Spruch:

Die Anordnung des § 796 ABGB, daß in den Unterhaltsanspruch des verwitweten Ehegatten gegen den Erben alles einzurechnen ist, was der Ehegatte nach dem Erblasser durch öffentlich-rechtliche Leistung (hier: Witwenpension nach einer sozialversicherungsrechtlichen Vorschrift) erhält, ist auf den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegen den Erben des Unterhaltsverpflichteten (§ 78 Abs. 1 EheG) analog anzuwenden

OGH 21. April 1982, 1 Ob 592/82 (LG Salzburg 32 R 311/81; BG Salzburg 12 C 3897/75)

Text

Die Ehe der Beklagten mit Hermann K wurde am 7. 7. 1965 aus dem Verschulden des beklagten Ehemannes geschieden. Hermann K schloß mit der Beklagten (im Scheidungsverfahren: Klägerin) anläßlich des Scheidungsverfahrens am 7. 7. 1965 einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich, der ua. folgende Bestimmungen enthält:

"1. Der Beklagte verpflichtet sich bei Exekution, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 3200 S ab 1. 7. 1965 zu bezahlen.

3.... (Wertsicherungsklausel nach dem Verbraucherpreisindex I) ...

4. Der vom Beklagten an die Klägerin zu leistende Unterhalt bleibt unvermindert, wenn sich auch die Sorgepflichten des Beklagten ändern oder die Klägerin einer Beschäftigung nachgehen sollte. Im Falle einer Minderung des Einkommens des Beklagten ist eine Herabsetzung des von ihm an die Klägerin zu leistenden Unterhaltes nur dann möglich, wenn diese Minderung des Einkommens 20% übersteigt, wobei aber die Unterhaltsleistung des Beklagten an die Klägerin in keinem Falle den Betrag von 2200 S auf der Basis der Wertsicherung zu Punkt 3 dieses Vergleiches unterschreiten darf ....."

Hermann K starb am 8. 11. 1972. Die Beklagte bezieht seit dem Tode ihres geschiedenen Gatten von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine monatliche Witwenpension von derzeit 2952.50 S 14 mal jährlich. Die Unterhaltspflicht des Hermann K ist auf die Kläger, die seine Erben sind, als Nachlaßverbindlichkeit übergegangen.

Die Kläger begehren die Herabsetzung des (inzwischen infolge Wertsicherung gestiegenen) Unterhaltsbetrages auf 3622.48 S monatlich abzüglich des jeweiligen, von der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft an die Beklagte bezahlten Pensionsnettobezuges und stellten den Zwischenantrag auf Feststellung, "daß die von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten an die Beklagte Hedwig K zur Überweisung gelangenden Pensionsbezüge auf die von den Klägern als Erben nach dem unterhaltspflichtigen Hermann K nach Maßgabe ihrer Erbquote zu erbringenden Unterhaltsbeiträge anrechenbar sind."

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie ist der Ansicht, daß sie sich die Pension nicht auf den Unterhaltsanspruch aus dem Vergleich vom 7. 7. 1965 anrechnen lassen muß.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, daß die Pension der Beklagten auf den ihr aus dem Vergleich vom 7. 7. 1965 zustehenden Unterhaltsanspruch gegenüber den Klägern als Erben nach dem unterhaltspflichtigen Hermann K nach Maßgabe ihrer Erbquoten anzurechnen ist. Die Frage der Einrechnung dieser Pension betreffe ein zwischen den Parteien im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis und sei für die Entscheidung präjudiziell, so daß sich der gestellte Zwischenantrag als zulässig erweise. Die vertraglich vereinbarte Unterhaltspflicht des verstorbenen geschiedenen Gatten der Beklagten sei mit seinem Tod auf seine Erben als Nachlaßverbindlichkeit übergegangen. § 77 Abs. 4 GSPVG gewähre auch der geschiedenen Frau eine Witwenpension. Diese Bestimmung bezwecke, daß ihr Unterhaltsanspruch gewährleistet bleiben solle. Es wurde den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen, wenn der Unterhaltsberechtigte durch den Tod des Verpflichteten besser gestellt wäre. Die vorgesehenen Regelungen dienten nur der Wahrung des bestehenden Unterhaltsanspruchs, nicht aber dessen Vermehrung. Die aus öffentlichen Mitteln erbrachten Pensionsleistungen hätten an die Stelle der Unterhaltspflicht des Verstorbenen zu treten, der auch hiefür Beiträge geleistet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 60 000 S übersteigt. Auch das Berufungsgericht hielt den gestellten Zwischenantrag auf Feststellung für zulässig. Die Einrechnung der Pensionsbezüge in den Unterhaltsanspruch habe nicht im Rahmen der Billigkeitserwägungen des § 78 Abs. 2 EheG, sondern generell ohne Anwendung eines Ermessens zu erfolgen. Durch den Übergang des Unterhaltsanspruches auf den Erben als Nachlaßverbindlichkeit werde dieser in seinem Wesen nicht verändert. Bei der Leistung von Pensionen an geschiedene Ehegatten gehe es dem Sozialversicherungsrecht nicht so sehr um die Versorgung des Geschiedenen, als um die Substituierung eines Unterhaltsanspruches. Die Witwenpension habe an die Stelle des Unterhaltes zu treten. Hiefür sprächen auch die in den einschlägigen Vorschriften enthaltenen Begrenzungen des Pensionsanspruches mit der Höhe des Unterhaltsanspruches. Daraus folge, daß der Pensionsbezug zwar nicht den Unterhaltsanspruch gegen die Erben beseitige, aber - unabhängig von der Ausmessung der Höhe iS des § 78 Abs. 2 EheG - in den Unterhaltsanspruch einzurechnen sei. Diese Ansicht finde auch im Wortlaut des § 796 ABGB eine Stütze, der eindeutig festlege, daß die im Zeitpunkte des Todes in aufrechter Ehe lebende Frau sich auf den Unterhaltsanspruch gegen die Verlassenschaft unter anderem auch das anrechnen lassen müsse, was sie durch öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Leistung erhalte. Hiezu gehöre auch die Pension nach dem verstorbenen Mann der Beklagten. Auch der Wortlaut des Unterhaltsvertrages spreche nicht gegen diese Einrechnung. Nur eine von der Beklagten auf Grund eigener Berufstätigkeit bezogene Pension sei nicht einzurechnen.

Der Oberste Gerichtshof erachtete die Revision der Beklagten zwar, da es um die Anwendung gesetzlicher Einrechnungsvorschriften und damit nicht, wie für die Frage der Herabsetzung der Unterhaltsleistung aus Billigkeitsgrunden gemäß § 78 Abs. 2 EheG (EFSlg. 32 061), um Bemessungsfragen geht, für zulässig, gab ihr jedoch nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagten stand auf Grund des anläßlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleiches ein durch Unterhaltsvertrag (§ 80 EheG) geregelter, auf § 66 EheG beruhender Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehegatten zu, der mit dem Tod des Ehegatten auf die Kläger als seine Erben als Nachlaßverbindlichkeit überging (§ 78 Abs. 1 EheG; EFSlg. 2544). Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, wurde der Anspruch dadurch in seinem Wesen als Unterhaltsanspruch nicht verändert (Schwind, Komm. z. EheG[2] 299; derselbe in Klang[2] I/1, 904). Wird auf der Grundlage eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches eine Unterhaltsvereinbarung geschlossen, so bleibt der Charakter eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches so lange bestehen, als sich die Vereinbarung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bewegt und nur in diesem Rahmen eine Fixierung und Konkretisierung des Unterhaltsanspruches der Höhe und den Leistungsmodalitäten nach bedeutet (EFSlg. 25 116/2 ua.; Schwind in Klang aaO 907). Für die Frage des Überganges als Nachlaßverbindlichkeit ist dies allerdings ohne Bedeutung, weil auch eine vertragliche Unterhaltsverpflichtung auf die Erben des geschiedenen Gatten übergeht (EFSlg. 5252 mwN; Schwind Komm. z. EheG[2] 303; derselbe in Klang aaO 916). Im vorliegenden Fall ist von einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch auszugehen. Ein verglichener vertraglicher Unterhaltsanspruch läge nur vor, wenn für beide Parteien unzweifelhaft festgestanden wäre, daß ein Unterhalt nach dem Gesetz nicht zustunde (EFSlg. 8696). Für den vorliegenden Unterhaltsanspruch der Beklagten gilt daher auch die Bestimmung des § 78 Abs. 2 EheG, deren analoge Anwendung auf vertragliche Unterhaltsansprüche in der Entscheidung EFSlg. 5252 abgelehnt wurde.

Nach § 78 Abs. 2 EheG muß sich der Unterhaltsverpflichtete eine Herabsetzung der Rente auf einen Betrag gefallen lassen, der bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Erben und der Ertragsfähigkeit des Nachlasses der Billigkeit entspricht. Der Übergang der Unterhaltsverbindlichkeit unterliegt somit einer Einschränkungsmöglichkeit sowohl im Hinblick auf die allenfalls verminderte Ertragsfähigkeit des Nachlasses als auch im Hinblick auf die Verhältnisse des Erben, dem insoweit ein materiellrechtlicher Gestaltungsanspruch auf Unterhaltsherabsetzung zusteht (EvBl. 1979/11). Auf eine durch den Tod des Verpflichteten eingetretene Änderung der Verhältnisse auf Seiten des Berechtigten nimmt § 78 Abs. 2 EheG nicht Bezug. In seiner Entscheidung EFSlg. 8696 berücksichtigte aber der OGH dennoch den Bezug einer Witwenpension im Rahmen der nach § 78 Abs. 2 EheG zu fällenden Billigkeitsentscheidung. Seither ist allerdings durch Schaffung besonderer Einrechnungsvorschriften eine Änderung der Rechtslage bei erbrechtlichen Unterhaltsansprüchen eingetreten. Mit dem Bundesgesetz vom 30. 10. 1970 über die Neuordnung der Rechtstellung des unehelichen Kindes, BGBl. 342/1970 (UeKindG), gestaltete der Gesetzgeber den Übergang der Unterhaltsverbindlichkeit des unehelichen Vaters auf die Erben (früher § 171 Abs. 1 ABGB) neu und ordnete ua. an, daß in diesen Anspruch alles einzurechnen ist, was das Kind durch eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält (§ 169 ABGB idF des UeKindG). Mit dem Bundesgesetz vom 30. 6. 1977 über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes, BGBl. 1977/403 (KindG), wurde diese Regelung auch auf das eheliche Kind ausgedehnt (§§ 142, 166 ABGB). Die Regierungsvorlage zum Bundesgesetz über die Neuordnung des gesetzlichen Erbrechtes des Ehegatten und des gesetzlichen ehelichen Güterstandes (136 BlgNR, XIV. GP) verwies zu der - mit dem Eherechtsänderungsgesetz, BGBl. 280/1978, am 1. 7. 1978 in Kraft getretenen - Neugestaltung des § 796 ABGB auf diese Regelungsvorbilder. Damit sollte sichergestellt werden, daß die Einrechnungsvorschriften in Hinkunft bei allen erbrechtlichen Unterhaltsansprüchen gleichartig gestaltet werden, der Unterhaltsanspruch also nur hilfsweise besteht und nur dann gegeben sein soll, wenn die angemessene Versorgung des Ehegatten nicht durch andere Mittel, gleich woher diese kommen mögen, gesichert ist (RV 11 f. bei Ent - Hopf, Das neue Eherecht 66). § 796 ABGB regelt zwar nur den Übergang des Unterhaltsanspruches des Ehegatten aus aufrechter Ehe auf die Erben, während für den Übergang des Unterhaltsanspruches des geschiedenen Ehegatten weiterhin § 78 Abs. 1 EheG gilt. Die gleichartige Gestaltung der Einrechnungsvorschriften für die erbrechtlichen Unterhaltsansprüche von Kindern und Ehegatten läßt aber in Verbindung mit der aus den Materialien hervorgehenden Absicht der Gesetzesverfasser nur den Schluß zu, daß für alle erbrechtlichen Unterhaltsansprüche einheitliche Einrechnungsvorschriften geschaffen werden sollten. Die Vorschrift, daß sich der Ehegatte gegenüber den Erben des Unterhaltspflichtigen einrechnen lassen muß, was er durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält, ist daher auf den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten analog anzuwenden. Der Ehegatte aus der geschiedenen Ehe wäre sonst gegenüber den Erben des Unterhaltspflichtigen besser gestellt als der Ehegatte aus aufrechter Ehe. Eine solche Regelung wäre mit der Bestimmung des § 66 EheG unvereinbar, wonach der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte dem anderen den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt nur zu gewähren hat, soweit dessen Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Sie wäre aber auch unvereinbar mit der von der Revision selbst erwähnten strengen Koppelung der Geschiedenenpensionen an den Unterhaltsanspruch der Geschiedenen gegen ihren früheren Ehemann im Zeitpunkt seines Todes, woraus mit Recht der Schluß gezogen wurde, daß es dem Sozialversicherungsrecht allein um Substituierung ihrer Unterhaltsansprüche geht (Krejci, JBl. 1979, 178).

Die im Unterhaltsvergleich getroffene Vereinbarung, wonach der Unterhalt auch dann unvermindert zu bleiben habe, wenn die Beklagte einer Beschäftigung nachgehen sollte, steht, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, der Einrechnung der Witwenpension nicht entgegen, da es sich hiebei nicht um einen aus eigener Erwerbstätigkeit abgeleiteten Bezug handelt.

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