OGH 1Ob59/15f

OGH1Ob59/15f23.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers DI K***** H*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin Marktgemeinde S*****, vertreten durch die Anwaltspartnerschaft Krückl Lichtl Huber, Linz, wegen Enteignungsentschädigung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 21. Jänner 2015, GZ 2 R 206/14y‑22, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 14. November 2014, GZ 4 Nc 1/14x‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00059.15F.0423.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Verkehrswert für das enteignete Teilgrundstück 130 EUR pro Quadratmeter beträgt. Die Ermittlung des Verkehrswerts gehört grundsätzlich dem Tatsachenbereich an (RIS‑Justiz RS0043704; vgl auch RS0109006 [T2, T3, T5]), der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar ist. Die Anwendung der von einem Sachverständigen zur Gewinnung des maßgeblichen Sachverhalts herangezogenen Erfahrungsgrundsätze betrifft die rechtliche Beurteilung nur insoweit, als dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze und zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (RIS‑Justiz RS0043122). Derartiges zeigt die Revisionswerberin nicht auf.

2. Die Feststellung der enteignungsbedingten Nachteile iSd § 4 Abs 1 EisbEG hat konkret unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Enteigneten unter Heranziehung eines objektiven Maßstabes bei der Wertermittlung zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0053657). Die Festsetzung des Entschädigungsbetrags (hier nach dem Wasserrechtsgesetz ‑ WRG) hängt von der konkreten Verwendbarkeit der betroffenen Grundstücke unmittelbar vor dem Eingriff ab (dort T9). Zweck der Entschädigung ist der Ausgleich der Differenz zwischen dem hypothetischen Vermögen des Enteigneten ohne Enteignung und dem tatsächlich vorhandenen Vermögen. Daher sind die konkreten Auswirkungen der Enteignung auf das Vermögen des Betroffenen Gegenstand der Entschädigung (vgl nur Rummel , Enteignungsentschädigung 83 f mit Judikaturnachweisen).

In diesem Sinne hat hier das Rekursgericht nicht bloß auf die objektive Entwertung des von der Enteignung betroffenen einzelnen Grundbuchskörpers (EZ *****) abgestellt, sondern ‑ entsprechend den Ausführungen im Sachverständigengutachten ‑ die aneinandergrenzenden Liegenschaften des Antragstellers als wirtschaftliche Einheit betrachtet, deren Gesamtwert sich von der Summe jener Werte unterscheidet, die sich bei einer Einzelveräußerung der Liegenschaften ‑ insbesondere des von der Enteignung betroffenen Grundstücks ‑ ergeben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass für im Bauland gelegene Grundstücke in der Praxis ein „Mischpreis“ bezahlt wird und nicht etwa ein höherer Quadratmeterpreis für die konkret bebaubaren Flächen und ein niedrigerer für Garten‑ oder sonstige Grünflächen, gelangte der Sachverständige auf Tatsachenebene ‑ unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens (§ 4 LBG) ‑ zu einem Verkehrswert von 130 EUR für jeden Quadratmeter der Gesamtfläche, somit auch für die enteigneten Teilgrundstücke.

Dem hält die Revisionsrekurswerberin im Wesentlichen entgegen, schon aufgrund der eingeschränkten Nutzung nach dem Bebauungs‑ und dem Flächenwidmungsplan ergebe sich, dass kein Käufer für diese freizuhaltende Fläche den gleichen Baulandpreis akzeptieren würde wie etwa für eine Bauparzelle zur Errichtung eines Einfamilienhauses. Damit entfernt sie sich aber vom Berechnungsansatz des dem Sachverständigen folgenden Rekursgerichts, das zur Ermittlung des beim Antragsteller eingetretenen Vermögensnachteils im Sinne der dargestellten Rechtsprechung nicht den enteigneten Grundstücksteil isoliert betrachtet, sondern danach gefragt hat, mit welcher Summe sich dessen Fehlen in seinem „Gesamtvermögen“ niederschlägt.

3. Wenn die Revisionsrekurswerberin schließlich die Frage erörtert, ob es zulässig wäre, auf den enteigneten Teilflächen im Rahmen einer dichten Wohnbebauung Spielflächen für Kinder (Erlebnisspielplatz) zu situieren, lässt sie auch außer Acht, dass sich der Marktpreis für Grundflächen ‑ und damit der Verkehrswert ‑ nur am Rande danach bildet, inwieweit auf den Grundstücken ein ganz konkretes Bauprojekt (samt den gesetzlich vorgesehenen Nebeneinrichtungen) verwirklicht werden kann. Abgesehen davon, dass mehrere Kaufinteressenten durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der konkreten Bebauung und sonstigen Nutzung haben können, kann oft bei Bildung des Kaufentschlusses noch nicht in allen Einzelheiten abgeschätzt werden, welche Pläne von der zuständigen Baubehörde letztlich ‑ allenfalls nach Modifikationen ‑ bewilligt werden. Soweit in bestimmten Rechtsfragen ‑ wie hier im Zusammenhang mit der Situierung von Spielflächen ‑ mangels eindeutiger Gesetzeslage rechtliche Unklarheiten bestehen, werden sich diese regelmäßig durch einen gewissen Preisabschlag gegenüber „unproblematischen“ Verhältnissen niederschlagen. Hier hat der Sachverständige etwa einen Abschlag vom sonstigen Verkehrswert in Höhe von 10 % für den Umstand angesetzt, dass die (gesamte) Grundfläche in einem hochwassergefährdeten Bereich (HQ 25) liegt. Wenn die Vorinstanzen unter Zugrundelegung dieses Gutachtens zu einem Verkehrswert („Mischpreis“) von 130 EUR pro Quadratmeter gelangt sind, kann darin eine über den der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unzugänglichen Tatsachenbereich hinausgehende (rechtliche) Fehlbeurteilung nicht erkannt werden.

4. Der Verweis der Revisionsrekurswerberin auf den Inhalt ihres Rekurses ist unbeachtlich, weil eigenständige und in sich geschlossene Rechtsmittelausführungen nicht durch den bloßen Verweis auf frühere Schriftsätze ersetzt werden dürfen (vgl nur RIS‑Justiz RS0043579; RS0043616; RS0007029).

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG), zumal die Revisionsrekurswerberin dem Grunde nach weder den Zuspruch von Wiederbeschaffungsspesen noch jenen einer Entschädigung für zu entfernenden Bewuchs in Frage stellt.

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