Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 781,80 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies das (eingeschränkte) Leistungsbegehren von 14.776,15 EUR sA und das Feststellungsbegehren der klagenden Partei, die beklagte Partei hafte ihr für alle Schäden, die in ihrem Vermögen aus den Entscheidungen des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in einem bestimmten Zivilprozess noch erwachsen würden, ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision zu, weil der Obersten Gerichtshof noch nicht ausdrücklich zur Frage Stellung genommen habe, „ob die Bindungswirkung des § 499 Abs 2 ZPO" entfalle, wenn maßgebende Rechtsfragen mangels Zulässigkeit der Revision nicht vom Obersten Gerichtshof gelöst werden könnten, aber die Unrichtigkeit einer dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht aus einer „(mittlerweile) gesicherten Rechtsprechung" des Obersten Gerichtshofs folge.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
1. Der Oberste Gerichtshof sprach zuletzt in der Entscheidung 1 Ob 55/04a (= SZ 2004/75) unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung aus, es komme im Amtshaftungsprozess schon auf der für die Vorinstanzen bedeutsamen ersten Prüfungsstufe nicht auf die Richtigkeit, sondern nur auf die Vertretbarkeit der Rechtsauslegung bzw Rechtsausübung hoheitlichen Organverhaltens an; auf der im Revisionsverfahren relevanten zweiten Prüfungsstufe müsste aber auch noch die durch das Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung des Organverhaltens als vertretbar eine gravierende Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalls und insoweit geradezu unvertretbar sein. Die Zulässigkeit der Revision hänge somit nicht davon ab, ob das Berufungsgericht die Vertretbarkeitsfrage richtig gelöst habe. Bedeutsam sei vielmehr nur, ob deren Lösung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruhe.
2. Nach herrschender Ansicht kann ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof wegen eines Abweichens der zweiten Instanz von der in einem vorangegangenen Aufhebungsbeschluss vertretenen, vom Obersten Gerichtshof nicht nachgeprüften Rechtsansicht nur im Fall der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung erfolgreich sein. Somit verwirklicht eine richtige Entscheidung zweiter Instanz in formaler Verletzung einer innerprozessualen Bindungswirkung keinen der Revisionsgründe (idS zuletzt etwa 6 Ob 17/05a; siehe ferner Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 511 ZPO Rz 16 mwN). In gefestigter Rechtsprechung wird überdies judiziert, dass die Bindung des Erstgerichts an eine ihm vom Berufungsgericht in einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss überbundene Rechtsansicht entfällt, wenn der Oberste Gerichtshof diese Ansicht bereits anlässlich der Erledigung einer Revision gegen ein Teilurteil überprüfte und nicht billigte (RIS-Justiz RS0042279; Zechner aaO § 511 ZPO Rz 6, § 519 ZPO Rz 63 mwN). Angesichts dessen kann im weiteren Rechtsgang auch das Berufungsgericht nicht mehr an seine im Aufhebungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht gebunden sein. Bereits auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich die in der Revision verfochtene These, die innerprozessuale Bindung an die einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss zweiter Instanz tragende Rechtsansicht entfalle nur dann, „wenn in der Zwischenzeit ein verstärkter Senat (Anm: des Obersten Gerichtshofs) eine anders lautende Rechtsansicht geäußert" habe, als unzutreffend.
Die Rechtsmittelwerberin glaubt, in der Ansicht Feldners (Die Bindung des Zivilgerichts an seine im Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht, ÖJZ 2002, 221) eine Stütze zu finden. Deren Ausführungen widersprechen indes dem in der Revision begründeten Standpunkt, ist sie doch der Auffassung, es mangle (auch) für das Berufungsgericht an einem verfahrensrechtlichen Verbot, von seiner in einem vorangegangenen Rechtsgang geäußerten Rechtsansicht abzugehen, weil eine richtige Entscheidung einer unrichtigen Entscheidung vorzuziehen sei. Sie schließt ihre Erörterungen deshalb mit der Wendung: „Wenn die Judikatur in Fragen der Selbstbindung des Berufungsgerichts der Richtigkeit der Entscheidung Vorrang vor der Bindung an die im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsauffassung einräumt ..., muss dieser Prioritätsgrundsatz umso mehr gelten, wenn es sich um Entscheidungen des Höchstgerichts handelt" (siehe dagegen Zechner aaO § 511 ZPO Rz 8 ff, 13 mN aus der Rsp).
3. Aus der soeben erläuterten Rechtslage folgt, dass es nicht unvertretbar sein kann, wenn ein Berufungsgericht seine Rechtsansicht im Verlauf eines Zivilprozesses über mehrere Rechtsgänge zwecks Wahrung der Rechtseinheit, letztlich aber auch im Dienste der Rechtssicherheit einer während des Verfahrens ergangenen und verfügbar gewordenen einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs anpasst, um so eine richtige Entscheidung im Anlassfall zu gewährleisten. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenen Sachverhalten, die der zuvor erläuterten Rechtsprechung als Grundlage dienten, bloß dadurch, dass es an einer Überprüfung der Auffassung des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof im gleichen Verfahren mangelte. Das kann jedoch angesichts der dem Höchstgericht vom Gesetzgeber zugedachten Aufgabe, durch seine Rechtsprechung insbesondere auch die Rechtseinheit zu sichern (Zechner aaO Vor §§ 502 ff ZPO Rz 44), keinen wesentlichen Unterschied bilden. Im Licht dessen und angesichts der bereits unter 1. erörterten Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision kann in der Ansicht des Berufungsgerichts im Amtshaftungsprozess umso weniger eine gravierende Fehlbeurteilung einer Vertretbarkeitsfrage erblickt werden. Nach dieser Auffassung handelte die zweite Instanz im Ausgangsverfahren rechtmäßig, indem sie eine innerprozessuale Bindung an die dem Erstgericht im ersten und zweiten Rechtsgang überbundene Rechtsansicht wegen der während des Verfahrens zu 8 Ob 284/99v (Vorabentscheidungsersuchen) und 8 Ob 174/02z (Sachentscheidung nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften) ergangenen und verfügbar gewordenen einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verneinte.
4. Die Revisionswerberin hält ferner daran fest, es wären im Ausgangsverfahren „erhebliche Kosten" erspart geblieben, wenn das Berufungsgericht die Rechtssache im dritten Rechtsgang nicht neuerlich an das Erstgericht zurückverwiesen, sondern die dem Erstgericht nahe gelegte Unterbrechung des Verfahrens bis nach Ergehen der Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs auf Grund der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Parallelverfahren selbst ausgesprochen und die Streitsache sodann bereits im dritten Rechtsgang abschließend erledigt hätte. Die klagende Partei unterließ es, die konkrete Kostendifferenz im Rechtsmittel zu berechnen. Sie übergeht auch, dass ihre Berufung gegen das auf dem Boden der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 Ob 174/02z ergangene klageabweisende Ersturteil im vierten Rechtsgang offenkundig aussichtslos war. Ein solches Rechtsmittel musste - entgegen der Ansicht der klagenden Partei - auch nicht in Erfüllung der Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG ergriffen werden (RIS-Justiz RS0052920), um die Missachtung einer innerprozessualen Bindung durch die zweite Instanz im Ausgangsverfahren als - einen nicht bereits gemäß § 2 Abs 2 AHG zum Scheitern verurteilten - Klagegrund im Amtshaftungsprozess geltend machen zu können. Als Konsequenz dessen ergibt sich, dass der Kostenaufwand für ein offenbar aussichtsloses Rechtsmittel - und daher für eine zwecklose Rettungsmaßnahme - aus dem Titel der Amtshaftung nicht ersatzfähig ist. Die Revisionswerberin setzt sich überdies mit den verfahrensrechtlichen Erwägungen im angefochtenen Urteil über die von der zweiten Instanz im Ausgangsverfahren getroffene, vom Berufungsgericht im Amtshaftungsverfahren als vertretbar qualfizierte verfahrensrechtliche Ermessensentscheidung gar nicht auseinander.
5. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Auf Grund der voranstehenden Ausführungen hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Revision ist somit zurückzuweisen. Der Oberste Gerichtshof kann sich dabei gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
6. Der beklagten Partei sind die Kosten der Revisionsbeantwortung als solche einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gemäß § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO zuzuerkennen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision hinwies.
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