OGH 1Ob58/20s

OGH1Ob58/20s25.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj S* S*, geboren am * 2015, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Dr. E* S*, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Jänner 2020, GZ 42 R 1/20p‑77, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 26. November 2019, GZ 10 Ps 113/16g‑72, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128571

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil das Kontaktrecht (§ 186 ABGB) eingeräumt werden soll oder dieses einzuschränken oder zu untersagen ist (§ 187 Abs 2 ABGB), hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG regelmäßig nicht zu lösen sind (RIS‑Justiz RS0087024 [T6]; RS0097114 [T10; T17]). Auch die Mutter spricht in ihrem Rechtsmittel keine solchen Rechtsfragen an:

2. Dem Vater steht aufgrund vorangegangener Entscheidungen der Vorinstanzen ein Kontaktrecht zu seiner Tochter im Ausmaß von zwei Stunden an jedem zweiten Samstag unter Begleitung der Mutter und eines Mitarbeiters einer Familienberatungseinrichtung zu. Nunmehr bestätigte das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts, mit der dieses – soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Interesse – den Antrag der Mutter, das Kontaktrecht des Vaters zu seiner Tochter auszusetzen, abwies und ihr auftrug, das für die Durchführung der begleiteten Kontakte notwendige Erstgespräch bei der Familienberatungseinrichtung binnen vier Wochen durchzuführen, die Tochter kindgerecht auf die Kontakttermine vorzubereiten und die angeordneten Kontakttermine mit der Tochter wahrzunehmen.

3.1 Die Tochter ist sensibel und leidet an cerebralen (epileptischen) Anfällen, deren Anzahl aber aufgrund der durchgeführten Therapie in jüngster Zeit signifikant reduziert werden konnte. Unter Berufung auf diese Erkrankung des Kindes argumentiert die Mutter gegen eine Kontaktaufnahme des Vaters mit seiner Tochter, einer – so die Mutter – dieser nahezu unbekannten Person, und übergeht die Argumente des Rekursgerichts, dass es schon im Zusammenhang mit der (von der Mutter abgelehnten) Festsetzung des Kontaktrechts keine Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben habe und dass nach der Aktenlage ungeachtet des ihm von den Vorinstanzen zugebilligten Rechts Kontakte des Vaters mit seiner Tochter mangels ihrer Mitwirkung bislang nicht möglich waren. Darauf, dass in aller Regel Kontakte zu beiden Elternteilen für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes erforderlich sind und damit im wohlverstandenen Interesse des Kindes liegen (RS0048072) und die auf die Haltung des anderen Elternteils zurückzuführende allfällige Entfremdung nicht grundsätzlich zum Verlust des Kontaktrechts führt, hat bereits das Rekursgericht zutreffend hingewiesen.

3.2 Anfälle, wie sie bei der Tochter aufgetreten sind, können zwar auch durch psychische Stresssituationen und Belastungen hervorgerufen werden, sodass das Kind grundsätzlich soweit wie möglich von solchen Belastungen fernzuhalten ist. Ob der Kontakt der Tochter zu ihrem Vater eine solche Belastung darstellt und damit die Ausübung des Kontaktrechts allenfalls einen negativen Einfluss auf den Heilungsverlauf haben könnte, wie die Mutter befürchtet, hängt aber maßgeblich davon ab, ob es ihr gelingt, die Tochter positiv auf die Zusammentreffen mit ihrem Vater einzustimmen. Fragen nach der wissenschaftlichen Untersuchungsmethode, die der vom Erstgericht beigezogene medizinische Sachverständige seinem Gutachten zugrunde legte, sind damit entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin jedenfalls nicht angesprochen. Dass jeder Elternteil, hier die Mutter, zur Aufrechterhaltung des Kontakts zum anderen Teil beizutragen hat, entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl nur RS0047942 [T4; T5; T7]). Dazu gehört insbesondere auch, dass sie ihre Tochter unter Vermeidung jeder negativen Beeinflussung auf die Kontakte zu ihrem Vater vorbereitet und diesen dem Kind gegenüber zumindest neutral darstellt (vgl RS0047996 [T2]), um dadurch dem Entstehen einer dem Gesundheitszustand allenfalls abträglichen Stresssituation für das Kind so weit wie möglich entgegenzuwirken. Für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Auslösung eines Krampfanfalls durch die Aufnahme entsprechend vorbereiteter behutsamer Kontakte gibt es keine Anhaltspunkte.

3.3 Es muss jede sich ohne Gefährdung des Kindeswohls bietende Möglichkeit der grundsätzlich eingeräumten regelmäßigen Kontaktaufnahme genutzt werden (vgl RS0047955 [T5]). Nur wenn die Ausübung des Kontaktrechts bei der Tochter merkbare und nicht bloß vorübergehende, ihrem Wohl abträgliche Auswirkungen zeitigen sollte, könnten die Kontakte allenfalls vorübergehend untersagt werden (vgl 1 Ob 136/17g mwN). Mit ihrer, von der nicht näher begründeten Mutmaßung, eine Stabilisierung des Gesundheitszustands ihrer Tochter lasse sich nur erreichen, wenn sie „nicht durch das begleitete Kontaktrecht zum Kindesvater zusätzlich belastet wird“, getragenen Argumentation, es fehle an den zur abschließenden rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen, kann die Mutter daher keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzeigen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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