OGH 1Ob58/04t

OGH1Ob58/04t14.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Anton M*****, und 2. Maria M*****, beide *****, vertreten durch Dr. Franz Grauf und Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wider die beklagte Partei Irmgard B*****, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wegen Unterlassung (Streitwert 8.720,74 EUR), Feststellung (Streitwert 4.360,37 EUR) und 22.449,75 EUR sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. November 2003, GZ 2 R 170/03t-131, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. Juli 2003, GZ 29 Cg 187/97m-125, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 1.930,31 EUR (darin 321,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu zahlen.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Wohnhaus befindet, die Beklagte ist Alleineigentümerin einer ebenfalls bebauten Liegenschaft; deren Grundstücke grenzen aneinander. Der Beklagten wurde die wasserrechtliche Bewilligung zur Quell- und Oberflächenwasserableitung sowie zur Errichtung einer Teichanlage auf ihrer Liegenschaft erteilt.

Die Kläger begehrten,

a) die Beklagte schuldig zu erkennen, binnen zwei Monaten durch geeignete Vorkehrungen dafür zu sorgen, dass ausgehend von der auf deren Grundstück befindlichen Quelle auf dem Grundstück der Kläger der Grundwasserspiegel nicht derart angehoben werde, dass dadurch Wasser in das Haus der Kläger eintrete und/oder dadurch der Wassereintritt das gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Benützung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtige,

b) festzustellen, dass die Beklagte den Klägern für alle künftigen Schäden auf deren Liegenschaft hafte, die durch die Veränderung der natürlichen Wasserabflussverhältnisse der auf der Liegenschaft der Beklagten befindlichen Wasserquelle entstehen, und

c) die Zahlung von 8.403,96 EUR (= 115.641 ATS).

Mit diesen Hauptbegehren verband sie zwei für die hier zu treffende Entscheidung nicht maßgebliche Hilfsbegehren auf Beseitigung von Abflusshindernissen bzw auf Wiederherstellung der natürlichen Abflussverhältnisse des Grund- und Quellwassers.

Die Kläger brachten im Wesentlichen vor, auf der Liegenschaft der Beklagten habe sich ursprünglich eine Quelle mit Teich und Abflussgerinne befunden, wodurch das Quellwasser ungehindert habe abfließen können. Der Grundwasserspiegel im Bereich der Liegenschaft der Kläger habe sich etwa einen Meter unterhalb des Kellerbodens ihres Hauses befunden. Ab 1971 seien die Quelle, der Teich und das Gerinne auf der Liegenschaft der Beklagten sukzessive zugeschüttet worden. Eine dort befindliche Gartenmauer sei um etwa eineinhalb Meter erhöht worden, und über dem Quellbereich sei ein Garagengebäude errichtet worden. Durch die massiven Aufschüttungen und die Baumaßnahmen sei es zu einem Rückstau des Quellwassers und zu einer wesentlichen Anhebung des Grundwasserspiegels gekommen, was wiederholt - erstmals am 16. 9. 1994 - zu Wassereinbrüchen ins Haus der Kläger geführt habe. Die Beklagte habe es unterlassen, geeignete Vorkehrungen gegen die Wassereintritte zu treffen. Die Errichtung eines Kanals, um ihren Schaden zu mindern, habe Kosten von 8.403,96 EUR verursacht. Am Haus seien Schäden entstanden und Folgeschäden zu befürchten. Die Beklagte hafte für diese Schäden gemäß § 364 Abs 2 ABGB, aber auch gemäß § 39 WRG und subsidiär nach § 364a ABGB sowie nach § 1042 ABGB. Die Baumaßnahmen der Kläger hätten keine Auswirkung auf die hydrologischen Verhältnisse gehabt, ein Mitverschulden am Wassereintritt sei ihnen daher nicht anzulasten. Im Gegensatz dazu sei der Grundwasserspiegel durch die von der Beklagten vorgenommenen baulichen Veränderungen um mehr als einen Meter angehoben worden. Der auf der Liegenschaft der Beklagten nunmehr vorhandene Quellschacht sei nicht geeignet, die Wirkung der Aufschüttungsmaßnahmen zu kompensieren, weil sich Grundwasser massiv rund um den Quellschacht staue. Die Kläger dehnten schließlich das Leistungsbegehren auf 22.449,75 EUR aus, weil ihnen weitere Schäden entstanden seien.

Die Beklagte wendete vor allem ein, die Kläger hätten selbst geeignete Maßnahmen zur Sicherung ihres Hauses gegen das Grundwasser treffen müssen. Jedenfalls treffe sie ein Mitverschulden am Eintritt der behaupteten Schäden. Die Beklagte habe keine eigenmächtigen Änderungen an den natürlichen Wasserabflussverhältnisse vorgenommen; die Wassereintritte ins Haus der Kläger seien nicht auf Maßnahmen der Beklagten zurückzuführen. Das Unterlassungs- und das Feststellungsbegehren mangelten - ebenso wie die beiden Eventualbegehren - an der erforderlichen Bestimmtheit. Es sei auf der Liegenschaft der Kläger kein Rückstau von Grund- und Quellwasser aufgetreten. Mangels Beachtung der Bauvorschriften hätten die Kläger die aufgrund ihrer Bauführung eingetretenen Schäden selbst verschuldet. Ihre Ansprüche seien überdies verjährt. Seit 1994 habe sich der Grundwasserstand im hier bedeutsamen Bereich allgemein wesentlich erhöht. Ursächlich seien die örtlichen, geologischen und hydrologischen Verhältnisse für die Wassereintritte. Das Grundwasserniveau könnte durch den Einbau einer hydraulischen Wasserpumpe und die Herstellung einer Vertiefung im Keller unter dem Kellerniveau gehalten werden. Dafür wäre nur ein geringer Aufwand nötig. Das Wasser abzuleiten, sei der Beklagten nicht zumutbar. Verschiedene Maßnahmen, deren Kostenersatz die Kläger forderten, seien nicht notwendig gewesen und die Forderung auch der Höhe nach nicht berechtigt. Der Garagenbau der Beklagten sei baubehördlich bewilligt worden. Gegen diese Bewilligung habe der Erstkläger keine Einwendungen erhoben; alle durch diesen Bau entstandenen allfälligen Nachteile seien daher präjudiziert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Den Klägern sei der Beweis nicht gelungen, dass die Beklagte ins Eigentum der Kläger eingegriffen habe. Die baulichen Maßnahmen der Beklagten seien für die bei den Klägern herrschenden Grundwasserverhältnisse in deren Haus nicht relevant. Daher sei weder das Leistungs- noch das Feststellungsbegehren berechtigt. Die Beklagte habe auch keine Maßnahmen getroffen, die die Eventualbegehren rechtfertigen könnten.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Kausalitätsfrage sei in erster Linie hydrologischer Natur. Eine Ergänzung des Gutachtens, das der Sachverständige aus dem Fachgebiet Hydrologie und Gewässerkunde erstattet habe, sei somit geboten, zumal dieser Sachverständige zu den nach Erstattung seines Gutachtens neu hervorgekommenen Tatsachen Stellung nehmen müsse. Erst dann werde die weitere Vorgangsweise - allenfalls zusätzliche Beweisaufnahmen - feststehen. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass die Aufschüttungen und Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Beklagten keine Anhebung des Grundwasserspiegels auf dem Grundstück der Kläger bewirkt hätten, so seien die Klagebegehren schon mangels Kausalität dieser Maßnahmen abzuweisen, und es käme auch § 1042 ABGB nicht zur Anwendung. Sei dagegen die allenfalls nachweisbare Anhebung des Grundwasserspiegels der Beklagten zurechenbar, so sei zu beachten, dass der Rückstau des Grundwassers auf der Liegenschaft der Kläger nur als mittelbares Eindringen unwägbarer Stoffe aufzufassen wäre, was im Rahmen des Ortsüblichen zu dulden sei. Der Zustand zum Zeitpunkt des Beginns des Hausbaus der Kläger sei jedenfalls als ortsüblich hinzunehmen, doch müssten die Kläger die durch spätere Aufschüttungen und Baumaßnahmen auf dem Grund der Beklagten allenfalls erfolgten erheblichen Anhebungen des Grundwasserspiegels nicht akzeptieren. Demnach sei zu klären, ob und gegebenenfalls, in welchem Ausmaß es durch Aufschüttungen und Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Beklagten seit 1975 zu einem Anstieg des Grundwasserspiegels auf der Liegenschaft der Kläger im Bereich deren Wohnhauses gekommen sei. In diesem Ausmaß könnte die Beklagte zu geeigneten Vorkehrungen verpflichtet werden. Das oben wiedergegebene Klagebegehren laut lit a sei unbestimmt und müsse im Verbesserungsverfahren erörtert werden. Die analoge Anwendung des § 364a ABGB käme für die von der Beklagten vorgenommenen Aufschüttungen und Baumaßnahmen in Frage. Sollte die Grundwasseranhebung auf die baubehördlich genehmigte Bauführung zurückzuführen sein, so stünde den Klägern ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch zu. Die Eventualbegehren, die die Wiederherstellung der natürlichen Abflussverhältnisse anstrebten, seien verfehlt, weil das Begehren gemäß § 364 Abs 2 ABGB auf Unterlassung der Immission zu richten sei, nicht aber auf Erwirkung bestimmter Schutzvorkehrungen gerichtet sein dürfe. Die Einwendung eines Mitverschuldens sei auch gegen einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zulässig. Der Verjährungseinwand der Beklagten müsse gegebenenfalls geprüft werden. Warum die wasserbehördlich genehmigte Quell- und Oberflächenwasserableitung für die Wassereinbrüche im Haus der Kläger ursächlich sein sollte, sei nicht nachvollziehbar, werde doch dadurch Grund- und Quellwasser abgeleitet und damit die Grundwassersituation entlastet. Insgesamt bedürfe es einer nachhaltigen Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens, vor allem durch Vervollständigung des Gutachtens des Sachverständigen aus dem Fache der Hydrologie.

Der Rekurs der Beklagten ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hielt den Rechtsstreit im Tatsachenbereich für ergänzungsbedürftig, insbesondere fordert es die Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen aus dem Fache der Hydrologie. Hält das Gericht zweiter Instanz das Verfahren für ergänzungsbedürftig, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 503 mwN), einem diesbezüglichen Ergänzungsauftrag nicht entgegentreten, es sei denn - was hier aber zu verneinen ist - der zu ergänzende Tatsachenbereich wäre für die Entscheidung unwesentlich. Schon allein deshalb muss der Rekurs der Beklagten erfolglos bleiben.

Es steht aber auch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, mit der sich der Oberste Gerichtshof im Zuge der Behandlung des Rekurses der Beklagten befassen müsste, zur Lösung an:

Solange im Tatsachenbereich nicht endgültig geklärt ist, inwieweit sich der Grundwasserstand im Bereich des Hauses der Kläger verändert hat, diese allfällige Veränderung auf die von der Beklagten getroffenen Aufschüttungs- bzw Baumaßnahmen zurückzuführen ist, und Abhilfemaßnahmen von Erfolg begleitet sein können, ist eine rechtliche Beurteilung (des noch gar nicht feststehenden Sachverhalts) nicht möglich. Der Oberste Gerichtshof ist grundsätzlich auch nicht dazu berufen, rein theoretische Rechtsfragen zu lösen, müsste er doch auf eine Vielfalt von möglichen Sachverhaltselementen Bedacht nehmen, was weder zielführend noch sinnvoll wäre.

Zu den vom Berufungsgericht aufgeworfenen Fragen besteht auch ausreichende Rechtsprechung, die aber stets auf den Einzellfall bezogen angewendet werden muss. Nach der hiezu ergangenen oberstgerichtlichen Judikatur könnte die infolge der von der Beklagten auf deren Liegenschaft getroffenen Vorkehrungen - sofern feststellbar - ausgelöste Anhebung des Grundwasserspiegels zwar eine Immission gemäß dem ersten Satz des § 364 Abs 2 ABGB, jedoch keine unmittelbare Zuleitung nach dessen zweiten Absatz sein, weil die behauptete Tätigkeit der Beklagten nicht unmittelbar auf diese Einwirkung abzielte, also keine "Veranstaltung" war, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf den Nachbargrund ursächlich ist (EvBl 2003/127; SZ 56/50; SZ 55/30; SZ 48/4 ua). Der Entscheidung RdU 2002, 76, liegt ein besonders gearteter Sachverhalt zugrunde, waren dort doch aufgrund von Aufschüttungen und Planierungen die Abflussverhältnisse von Oberflächenwasser ungünstiger gestaltet worden, weshalb (direkte) Überflutungen und Verschwemmungen stattfinden konnten; nur deshalb ist der erkennende Senat dort von einer "unmittelbaren Zuleitung" ausgegangen.

Die Beurteilung der Ortsüblichkeit einer Immission bzw der Nutzung eines Grundstücks kann nur auf den Einzelfall bezogen erfolgen. Auch hiezu besteht ausreichend Grundsatzjudikatur des Obersten Gerichtshofs, die auf den noch konkret festzustellenden Sachverhalt anzuwenden sein wird (vgl nur Spielbüchler in Rummel ABGB3 Rz 13 zu § 364; Klang aaO 172 f, jeweils mwN). Auch zur Frage, in welchem Ausmaß die Beklagte allenfalls zur Schadenstragung zu verpflichten ist, existiert oberstgerichtliche Judikatur. So wurde schon ausgesprochen, dass der Schaden, der durch "Zuleitung", aber auch aufgrund anderer Umstände entstanden ist, zu teilen sei (JBl 1966, 144), und das Ausmaß ist dieser Teilung davon abhängig, wie hoch der Anteil der jeweiligen Schadenskomponenten am Schadenseintritt ist. Derartiges kann nur nach Vorliegen abschließender Feststellungen beurteilt werden.

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung EvBl 2002/85, die die Rekurswerberin zitiert, klar zum Ausdruck gebracht, dem Kläger sei die Möglichkeit zur Verbesserung einer unschlüssigen Klage durch das Gericht zu gewähren, selbst wenn vom Gegner bereits auf die dessen Ansicht nach unschlüssige Fassung des Klagebegehrens hingewiesen wurde. Ein solcher Hinweis des Prozessgegners hat nur zur Folge, dass sich die zur Verbesserung aufgerufene Partei nicht darauf berufen kann, ihr sei eine Verbesserung des Klagsvorbringens bzw des Klagebegehrens nach Aufforderung durch das Gericht nicht sofort möglich. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wie ein Klagebegehren rechtlich korrekt zu fassen ist, bleibt letztlich Sache der jeweils klagenden Partei, die insoweit sowohl auf oberstgerichtliche Judikatur (zB SZ 52/55) wie auch auf fundierte Lehrmeinungen (Spielbüchler aaO Rz 17 zu § 364; Klang aaO 173) zurückgreifen kann.

Gewiss steht Grundwasser im Eigentum desjenigen, der Eigentümer der Liegenschaft ist, unter dessen Oberfläche sich das Grundwasser befindet. Das bedeutet aber nicht, dass das Eindringen von Grundwasser in die auf dem Grundstück der Kläger errichtete Baulichkeit nicht als Immission zu beurteilen wäre, geht es doch nur darum, ob Grundwasser vom Nachbargrund dem Grundstück der Kläger (mittelbar) zugeleitet wurde. Es geht schließlich auch nicht darum, dass die Beklagte den Klägern das Eigentum am Grundwasser entzogen und damit in deren Eigentum eingegriffen hätte.

Es sind daher weder die vom Berufungsgericht aufgeworfenen noch die von der Beklagten in deren Rekurs für bedeutsam erachteten Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO. Der Rekurs ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Der Einheitssatz gebührt jedoch nur im Ausmaß von 50 %.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte