Spruch:
Der nachbarrechtliche Unterlassungsanspruch geht dahin, der Beklagte habe dafür zu sorgen, daß der Kläger nicht durch Immissionen beeinträchtigt wird; die Art, wie dies zu geschehen hat, ist dem Beklagten zu überlassen
OGH 30. März 1979, 1 Ob 17/78 (LG Feldkirch R 86/78; BG Bregenz C 2888/76)
Text
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstückes 1486/2 KG L, die Beklagten des daran angrenzenden Grundstückes 1489, KG L. Die Kläger begehren, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, binnen einer vom Richter festzusetzenden Frist technisch geeignete Vorkehrungen zu treffen, um das Abrutschen von Erdreich gegen die Mauer der Kläger, die Ablagerungen desselben an der Mauer sowie das Herüberschwemmen von Erdreich mit Niederschlagswasser auf die Gp. 1486/2 sowie das Übertreten und Abfließen von Niederschlagswässern von der Gp. 1489 auf die Gp. 1486/2 unterbinden. Sie behaupten, die Beklagten hätten ihr Grundstück derart aufgeschüttet, daß es steil gegen ihr Grundstück abfalle.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise Folge und erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, binnen drei Monaten technisch geeignete Vorkehrungen zu treffen, um hiemit das Abrutschen (Abbröckeln) von Erdreich des Grundstücks 1489 gegen das Grundstück 1486/2 KG L, die Ablagerung derartigen Erdreiches auf dem Grundstück 1486/2 und an der dort befindlichen Mauer der Kläger sowie das Herüberschwemmen derartigen Erdreiches mit Niederschlagswässern sowie das Übertreten und Abfließen von Niederschlagswässern vom Grundstück 1489 auf das Grundstück 1486/2 zu unterbinden; all dies, sofern es sich um mehr als 10% des auf dem Grundstück 1486/2 selbst anfallenden Niederschlagswassers bzw. um Erdreich handelt, das geeignet ist, die Rinne im Grenzbereich zwischen den erwähnten Grundstücken in einer Vegetationsperiode bis zu einer Höhe von mindestens 5 cm anzufüllen. Das Mehrbegehren, gerichtet auf die Unterbindung jedweder derartiger Immissionen, wies das Erstgericht ab.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten keine Folge und bestätigte das angefochtene Urteil, wobei es in einem Punkt die sprachliche Ausdrucksweise änderte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision nicht Folge und bestätigte das angefochtene Urteil mit der Maßgabe, daß die Entscheidung zu lauten hat: "Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, binnen drei Monaten dafür zu sorgen, daß a) das Abrutschen von Erdreich vom Grundstück 1489 auf das Grundstück 1486/2, beide in der KG L, sowie die Ablagerung derartigen Erdreiches an der dort befindlichen Mauer, b) das Übertreten und Abfließen von Niederschlagswässern sowie das Herüberschwemmen von Erdreich vom Grundstück 1489 auf das Grundstück 1486/2 der KG L vermieden wird, all dies, sofern es sich um mehr als 10% des auf dem Grundstück 1486/2 der KG L anfallenden Niederschlagswasser bzw. um Erdmaterial handelt, welches die Rinne im Grenzbereich zwischen den Grundstücken 1489 und 1486/2 der KG L in einer Vegetationsperiode um mehr als 5 cm auffüllt.
Das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Unterbindung jedweder derartiger Immissionen wird abgewiesen".
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei Formulierung des Klagebegehrens gingen die Vorinstanzen zutreffend davon aus, daß nach der Rechtsprechung die Klage zur Abwehr von Immissionen auf die Unterlassung der Immissionen und nicht auf die Erwirkung bestimmter Schutzmaßnahmen zu richten ist (MGA ABGB[30] § 364/6). Gelegentlich wurde in der Rechtsprechung freilich auch das Begehren auf sichernde Maßnahmen mit der Einschränkung zugelassen, daß nur eine bestimmte Maßnahme nicht verlangt werden dürfe, weil die Auswahl der Schutzmaßnahmen dem Beklagten zu überlassen sei (JBl. 1933, 503; SZ 11/174). Schon Klang wies in seinem Kommentar[2] II, 173 darauf hin, daß sich daraus exekutionsrechtliche Schwierigkeiten ergeben könnten. Die Fassung des Klagebegehrens bereitet vor allem dort Schwierigkeiten, wo die Immissionen nicht unmittelbar auf ein positives Handeln des Beklagten zurückzuführen, sondern, wie hier, die Folge der Unterlassung der Beseitigung einer vorgenommenen Veränderung sind. Nach den grundlegenden Ausführungen von Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen, 40 ff., 152, ist es der eigentliche Inhalt des nachbarrechtlichen Untersagungsanspruches, daß der Verpflichtete dafür zu sorgen hat, daß sein Nachbar nicht durch Immissionen beeinträchtigt wird, wobei die Art, wie dies zu geschehen hat, dem Verpflichteten überlassen bleibt. Der Exekutionstitel richtet sich daher auf eine im materiellen Punkt vorgezeichnete Verpflichtung auf dauerndes, künftiges, inhaltlich vom Verpflichteten zu bestimmendes Handeln. Tritt der im Titel genannte Erfolg ein, ist der Schluß berechtigt, daß der Verpflichtete kein Verhalten gesetzt hat, das einen solchen Erfolg verhindert und daß er daher seiner im Titel auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Durch den nachfolgenden Eintritt wird das titelwidrige Unterlassen evident. Es verknüpft daher der nachbarrechtliche Titel die inhaltlich unbestimmte Verpflichtung (Sorge zu tragen) mit dem ihr Unterlassen evident machenden Erfolg. Ein solcher Titel ist gemäß § 355 EO zu vollstrecken. Durch Neufassung des Urteilsspruchs war zum Ausdruck zu bringen, daß die eigentliche Verpflichtung der Beklagten darin besteht, fortdauernd dafür zu sorgen, daß der Anrainer nicht beeinträchtigt wird.
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