European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00057.16P.0428.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei ist schuldig, der Antragstellerin und gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.098 EUR (darin 183 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei (kurz Antragsgegner) hatte sich als Vater der nunmehr bereits volljährigen Antragstellerin und gefährdeten Partei (kurz Antragstellerin) anlässlich der einvernehmlichen Scheidung von deren Mutter nach § 55a EheG mit pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich vom 7. Juli 2004 ‑ ausgehend von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 EUR ‑ zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 400 EUR und später mit außergerichtlichem Vergleich vom 2. November 2011 ‑ bei einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 3.211 EUR ‑ außer zur Leistung von restlichem Unterhalt für Jänner 2008 bis September 2001 von gesamt 9.603,66 EUR in Raten zu einer solchen von monatlich 613 EUR ab Oktober 2011 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit zuzüglich monatlichem Sonderbedarf an Miete für eine Harfe in Höhe von 150 EUR und 342 EUR an Studiengebühren für ein Konservatorium verpflichtet (gesamt monatlich 1.105 EUR).
Mit Beschluss vom 29. Juni 2015 verpflichtete das Erstgericht den Antragsgegner ‑ unter Abweisung von Mehrbegehren ‑ zusätzlich zu der ihm mit dem gerichtlichen Vergleich auferlegten monatlichen Unterhaltsleistung von 400 EUR weitere ‑ detailliert aufgegliederte ‑ vorläufige (ab 17. September 2014) und endgültige (ab 1. August 2013) Unterhaltszahlungen gemäß § 231 Abs 1 ABGB (im Ausmaß von zeitlich gestaffelt 79 EUR und 170 EUR sowie laufend 157 EUR) für die Antragstellerin zu leisten sowie ihr einen einmaligen Sonderbedarf von 8.425 EUR für eine Harfe zu zahlen.
Den dagegen erhobenen Rekursen beider Parteien gab das Rekursgericht nicht Folge und sprach (vorerst) aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG bzw § 402 Abs 4 EO, § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Es erklärte jedoch nach Rückstellung des Akts (zu 1 Ob 223/15y) und Verbesserung der (mit „außerordentlicher Revisionsrekurs“ betitelten) mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundenen Zulassungsvorstellung den ordentlichen Revisionsrekurs doch für zulässig und stellte der Antragstellerin die Einbringung einer Revisionsrekursbeantwortung frei. Dazu führte es aus, es sei dem Revisionsrekurswerber darin zuzustimmen, dass die Rechtsansicht, eine Aufrechterhaltung der Unterhaltszahlungen trotz Kenntnis des Studienwechsels sei als eindeutig iSd § 863 ABGB zu werten ‑ soweit überblickbar ‑ noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG; § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG und, soweit die Entscheidung über den einstweiligen Unterhalt betroffen ist, iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung des Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG; § 510 Abs 3 ZPO):
Die Auslegung von Vereinbarungen bildet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen würde (RIS‑Justiz RS0042936; RS0044358; RS0042776; RS0044298; für den Vergleich insbesondere RS0113785); dies gilt auch für die Auslegung eines Unterhaltsvergleichs (RIS‑Justiz RS0113785 [T6, T7]).
Die Antragstellerin maturierte (erst) mit Nachprüfung im März 2009 und bereitete sich nach einem dreimonatigen Überbrückungsstudium auf das letztlich (nach einer erfolglos versuchten Aufnahmeprüfung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im September 2009) im Februar 2010 am Vienna Konservatorium begonnene Harfestudium durch den Besuch einer Musikschule neben einer Vollzeitbeschäftigung vor. Dass die Vorinstanzen im vorliegenden Fall angesichts der unstrittigen Kenntnis des Antragsgegners von all diesen Umständen schlossen, dass er mit dem Abschluss des Vergleichs seine Zustimmung zur nun gewählten Ausbildung der Antragstellerin zum Ausdruck brachte, ist nicht korrekturbedürftig. Zutreffend hob das Rekursgericht dazu hervor, dass der Antragsgegner ‑ obwohl er nun behauptete, er wäre zum damaligen Zeitpunkt der Ansicht gewesen, eine Unterhaltsverpflichtung nur bis Oktober 2012 übernehmen zu wollen, einen solchen Endtermin im Vergleich nicht vereinbarte, sondern die Zahlungspflicht vielmehr zeitlich unbefristet („bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit“) übernahm. Schlüssig ist auch dessen Erwägung, dass es ihm aber bereits damals kaum habe verborgen geblieben sein können, dass ein erst im Jahr 2010 begonnenes Studium mit acht Semestern Mindeststudiendauer nicht im Oktober 2012 beendet sein könne. Der Antragsgegner hatte damit ‑ trotz der jetzt im Verfahren von ihm behaupteten fehlenden Zielstrebigkeit der Antragstellerin während des Zeitraums bis zum Beginn des Studium 2010 ‑ (erst im November 2011) die Verpflichtung übernommen, nicht unerhebliche Beträge an Unterhalt für in der Vergangenheit (seit Jänner 2008) liegende und zukünftige Zeiträume („bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit“ monatlich insgesamt 1.105 EUR [September bis Juni] bzw 613 EUR [Juli und August]) zu leisten.
Die für das Rekursgericht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründende Frage, ob die Aufrechterhaltung der Unterhaltszahlungen trotz Kenntnis des Studienwechsels „als eindeutig iSd § 863 ABGB zu werten“ sei, entzieht sich einer ‑ offenbar angestrebten ‑ von den Umständen des Einzelfalls losgelösten generellen Beurteilung.
So wie die Frage, wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (RIS‑Justiz RS0042555; vgl auch RS0042936 ua), ist auch jene, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie hat, dh wie sie auszulegen ist, regelmäßig einzelfallbezogen zu lösen und begründet keine derartige Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0042555 [T18]; RS0042936 [T36, T47]; RS0042776 [T11]); ebenso hat die Frage, ob irgendwelche besonderen Begleitumstände eine andere Deutung einer Willenserklärung zuließen, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0042555 [T1]). Welchen Erklärungswert vorbehaltlose Unterhaltszahlungen haben, hängt von allen, insgesamt ein aussagekräftiges Bild ergebenden Umständen ab; dabei ist das gesamte Verhalten der Parteien, das sich aus Äußerungen in Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann, zu berücksichtigen (vgl nur RIS‑Justiz RS0017915 [T29]).
Die Vorinstanzen legten auf der Sachverhaltsebene zum Studienwechsel zu Grunde, dass die Antragstellerin im Oktober 2012 an die Kunstuniversität Graz wechselte, wo sie bis heute zielstrebig, innerhalb der vorgeschriebenen Zeit liegend und erfolgreich die Studienrichtung »Instrumental(Gesangs)Pädagogik ‑ Klassik (Harfe ‑ Klassik)« studiert, sowie dass der Antragsgegner die vorbehaltlos geleisteten Unterhaltszahlungen bis Juli 2013 in Kenntnis aller Umstände leistete.
Schon das Rekursgericht hatte dem Antragsgegner vorgehalten, dass er nicht einmal selbst behauptet habe, dass ihm dieser Studienwechsel nicht zur Kenntnis gelangt wäre und er seine Zahlungen deswegen eingestellt habe. Wenn das Erst- und das Rekursgericht unter den Umständen des konkreten Einzelfalls in einer Gesamtschau mit den Geschehnissen, die zum Vergleichsabschluss führten, in den fast ein Jahr fortdauernden (vorbehaltlosen) Unterhaltszahlungen eine konkludente Willenserklärung erblickten, weil diese Zahlungen nur sein Einverständnis dazu ausdrücken könnten, ist auch dies nicht als im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu beanstanden (vgl etwa 7 Ob 55/05x).
Die von ihm in seinen weiteren Ausführungen aufgeworfenen Rechtsfragen, etwa, ob ein Unterhaltsschuldner durch die bloße Unterfertigung einer Unterhaltsvereinbarung, in der er sich verpflichte, der Unterhaltsberechtigten Unterhalt bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit zu bezahlen, gleichzeitig und ausdrücklich auf die Erhebung jedweder Einwendung für die Zukunft verzichte, gehen an der Entscheidung des Rekursgerichts vorbei. Dieses war ‑ anders als er unterstellt ‑ bloß „grundsätzlich“ von einem Unterhaltsanspruch gegen den Rekurswerber ausgegangen und zwar nur bis zur Beendigung des Bachelorstudiums in durchschnittlicher Studiendauer. Über das angestrebte Masterstudium der Antragstellerin könne (mangels Beginns eines solchen Studiums) noch nicht abgesprochen werden. Das Rekursgericht ging auch nicht davon aus, dass der Antragsgegner aufgrund der Vereinbarung ungeachtet aller Umstände zu zahlen habe; vielmehr bezog es die bis dato vorliegenden Umstände in seine Entscheidung mit ein und verneinte im konkreten Fall beispielsweise das Vorliegen von berücksichtigenswertem Eigeneinkommen und Drittpflege (angesichts des festgestellten Lebensmittelpunkts bei der Mutter und der Betreuungsleistungen durch diese).
Da allein das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung noch keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RIS‑Justiz RS0102181), und der Revisionsrekurswerber im Revisionsrekurs auch sonst keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigt, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Die volljährige Antragstellerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihr die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung nach § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG bzw für die Entscheidung im Provisorialverfahren gemäß § 402 Abs 4 iVm § 78 EO, § 50 ZPO iVm § 41 Abs 1 ZPO zuzusprechen sind (RIS‑Justiz RS0122774). Die Bemessungsgrundlage beträgt gemäß § 9 Abs 3 RATG ‑ auch bei einer Unterhaltserhöhung oder ‑verminderung ‑ die einfache Jahresleistung, hier 157 EUR x 12 = 1.884 EUR (vgl 3 Ob 47/14d; 9 Ob 27/14g; 3 Ob 151/14y; 6 Ob 18/16i uva; Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 755; ders in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 78 Rz 169 zuzüglich des einmaligen Sonderbedarfs in Höhe von 8.425 EUR (gesamt 10.309 EUR). Rückstände haben keinen Einfluss auf die Bemessungsgrundlage (7 Ob 73/07b ua; RIS‑Justiz RS0121989).
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