OGH 1Ob560/92

OGH1Ob560/9226.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat

I. durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Gerhard L*, geboren am 15. September 1975, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch dessen Unterhaltssachwalter Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten, Gesundheits- und Wohlfahrtsverwaltung, Jugendhilfe, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 30. Oktober 1992, GZ R 671/91‑163, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 2. Oktober 1991, GZ 2 P 92/81‑157, abgeändert wurde, beschlossen:

Es liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 2 OGHG vor; zur Entscheidung über den Revisionsrekurs ist deshalb ein verstärkter Senat berufen.

II. durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch, die Senatspräsidenten Prof. Dr. Friedl, Hon. Prof. Dr. Kuderna, Dr. Wurz, Dr. Vogel, Dr. Jensik sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E30543

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Verstärkter Senat

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die dem Minderjährigen für die Zeit vom 1. April 1990 bis 31. März 1993 gewährten Unterhaltsvorschüsse von monatlich S 2.300,‑- mit Wirkung vom 1. September 1991 auf monatlich S 1.500,‑- herabgesetzt werden.

 

 

Zu I.:

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen gelangten zu unterschiedlichen Entscheidungen über die Herabsetzung der nach § 5 Abs 1 UVG bemessenen Unterhaltsvorschüsse (§ 19 Abs 1 UVG): Das Erstgericht rechnete die vom Minderjährigen vom 1. September 1991 an bezogene Lehrlingsentschädigung bloß zur Hälfte, das Rekursgericht dagegen zu zwei Dritteln auf die Geldunterhaltsverpflichtung des Vaters an; beide Vorinstanzen gingen jedoch übereinstimmend von der Auffassung aus, daß die Vorschüsse den Unterschiedsbetrag zwischen dem im § 6 Abs 1 UVG verankerten sozialversicherungsrechtlichen Richtsatz und den Eigeneinkünften des Minderjährigen nicht übersteigen dürften, soweit dieses Einkommen zur Befriedigung der vom Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse des Minderjährigen heranzuziehen ist.

Damit hängt die Entscheidung von der Lösung zweier Fragen von grundsätzlicher Bedeutung ab, die - wie noch zu zeigen sein wird - in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden sind (§ 8 Abs 1 Z 2 OGHG): Zunächst ist die Rechtsfrage zu lösen, ob das anrechenbare Eigeneinkommen des Minderjährigen vom genannten Richtsatz abzuziehen und nur der Unterschiedsbetrag als Vorschuß zu gewähren oder ob zu ermitteln sei, mit welchem Betrag die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht trotz der Eigeneinkünfte des Minderjährigen noch weiterbesteht, und der gewährte Vorschuß bloß dem Ergebnis dieser Prüfung anzupassen sei; ferner bedarf es noch der Klärung der Frage, in welchem Ausmaß das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf den in Geld zu leistenden Unterhalt anzurechnen sei. Die Lösung dieser Rechtsfrage ist für weite Teile der Bevölkerung von unmittelbarer rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung (vgl Fasching, LB2 Rz 1951); auch hat der Gesetzgeber der Erweiterten Wertgrenzen‑Novelle 1989 den bisher verwehrten Rechtszug an den Obersten Gerichtshof in Fragen der Unterhaltsbemessung und der Unterhaltsbevorschussung gerade deshalb eröffnet, weil auf eine richtungsweisende und einheitliche Judikatur des Höchstgerichtes in grundsätzlichen Fragen der Unterhaltsbemessung nicht verzichtet werden könne (JAB, 991 BlgNR 17.GP , 59). Es liegen demnach die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 2 OGHG vor, weshalb die Verstärkung des Senates zur Entscheidung über den Revisionsrekurs auszusprechen ist.

Zu II.:

Der Minderjährige wohnt bei seiner Mutter. Sein Vater ist ab 1.8.1989 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.300,‑- verpflichtet (ON 140). Das Erstgericht hat dem Minderjährigen mit Beschluß vom 30.3.1990 (ON 145) gemäß § 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1.4.1990 bis 31.3.1993 einen Unterhaltsvorschuß von monatlich S 2.300,‑- zuerkannt. Seit 1.9.1991 bezieht der Minderjährige als Dreherlehrling unter Einschluß der aliquoten Sonderzahlungen eine Lehrlingsentschädigung von monatlich S 4.015,‑- netto.

Das Erstgericht setzte deshalb den Unterhaltsvorschuß für die Zeit vom 1.9.1991 bis 31.3.1993 mit Beschluß vom 2.10.1991 (ON 157) auf monatlich S 1.972,‑- herab. Es begründete seine Entscheidung damit, die Lehrlingsentschädigung solle die unterhaltspflichtigen Eltern gleichermaßen entlasten; ziehe man daher bloß die halbe Lehrlingsentschädigung von dem die Obergrenze des Unterhaltsvorschusses bildenden Richtsatz nach § 6 Abs 1 UVG (d.s. monatlich S 3.980,‑‑) ab, so errechne sich ein Betrag von monatlich S 1.972,‑‑, der dem Minderjährigen weiterhin als Vorschuß zuzubilligen sei.

Das Rekursgericht setzte den Unterhaltsvorschuß infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit Wirkung vom 1.9.1991 auf monatlich S 1.300,‑- herab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, nach § 6 Abs 1 UVG dürften die Vorschüsse monatlich den mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§ 108 a ASVG) vervielfachten Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 lit c sublit bb erster Fall ASVG nicht übersteigen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen habe, sei ein Einstellungsgrund nach § 20 Abs 1 Z 4 lit a UVG in dem Ausmaß anzunehmen, in dem der Richtsatzbetrag durch eigene Einkünfte des Kindes gedeckt ist. Die Minderung der Unterhaltsverpflichtung gemäß § 140 Abs 3 erster Halbsatz ABGB komme allerdings nicht einseitig nur dem zum Geldunterhalt verpflichteten Elternteil zugute, ein Teil des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten müsse vielmehr auch dem betreuenden Elternteil angerechnet werden. Zu mindern sei also nicht nur der Geldunterhaltsanspruch, sondern auch der gemäß § 140 Abs 2 ABGB in Form der Betreuung erbrachte Unterhaltsanspruch gegen den obsorgenden Elternteil. Dies sei in der Entscheidung 5 Ob 513/91 des Obersten Gerichtshofes dahin präzisiert worden, daß das Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten im Verhältnis von 2:1 zugunsten des Geldunterhaltspflichtigen anzurechnen sei, weil der etwa dem Lehrling geschuldete Betreuungsaufwand zweifellos mit einem erheblich geringeren Geldwert zu veranschlagen sei als der zur Bestreitung der übrigen Bedürfnisse erforderliche Geldbetrag. Diese Unterscheidung sei deshalb von Bedeutung, weil der gesetzliche Unterhalt nach der Gesamtschau des Unterhaltsvorschußgesetzes nur so weit bevorschußt werde, als er in Form einer Geldrente zu leisten ist, wogegen andere aus dem Unterhaltsbegriff ableitbare Ansprüche - etwa auf Betreuung oder Erziehung - im Rahmen des Unterhaltsvorschußgesetzes einer Bevorschussung auch nicht im Wege einer Art Ersatzvornahme zugänglich seien. Demnach sei dem in § 6 Abs 1 UVG verankerten Richtsatz, der vom 1.1.1991 an monatlich S 3.980,‑- betrage, das vom Minderjährigen vom 1.9.1991 an erzielte Durchschnittsmonatsnettoeinkommen von S 4.015,‑- gegenüberzustellen. Daraus errechne sich bei dem schon erwähnten Verhältnis von 2:1 ein der Geldunterhaltsverpflichtung anrechenbares Einkommen von monatlich S 2.680,‑‑, so daß ein Geldunterhaltsdefizit von monatlich S 1.300,‑- verbleibe.

Der vom Minderjährigen gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz erhobene Revisionsrekurs ist schon deshalb zulässig, weil die Entscheidung ‑ wie erwähnt - von der Lösung zweier Rechtsfragen von grundsätzlicher und damit gemäß § 14 Abs 1 AußStrG auch von erheblicher Bedeutung (vgl hiezu Fasching aaO Rz 1953) abhängt; er ist teilweise berechtigt.

Zunächst ist die Frage zu erörtern, ob das auf die Geldunterhaltsverpflichtung eines Elternteils anrechenbare Eigeneinkommen des Minderjährigen einfach vom Richtsatzbetrag (§ 6 Abs 1 UVG) abzuziehen oder ob vorerst festzustellen ist, in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung mit Rücksicht auf die Einkünfte des Minderjährigen noch fortbesteht, und der Vorschuß diesem Ergebnis anzupassen ist, sofern er nur im Richtsatzbetrag Deckung findet.

Mit dieser Frage hatte sich - soweit überblickbar - zunächst der sechste Senat des Obersten Gerichtshofes zu befassen. Er führte in seiner in EvBl 1990/121 = ÖA 1991, 82, veröffentlichten Entscheidung vom 31.5.1990, 6 Ob 598/90, aus, die monatlichen Vorschüsse dürften die Differenz zwischen dem im § 6 Abs 1 UVG verankerten Richtsatzbetrag und dem Eigeneinkommen des Minderjährigen nicht übersteigen. Dieser Höchstbetrag sei nicht bloß fiskalischer Natur; die genannte Bestimmung begrenze den Bevorschussungsanspruch des Minderjährigen vielmehr derart, daß ihm jeweils nur so weit Unterhaltsvorschüsse gewährt werden dürften, als ihm für den monatlichen Unterhaltszeitraum zur Bestreitung seiner Bedürfnisse anderweitige Mittel in Richtsatzhöhe nicht zur Verfügung stünden. Die Bestimmung solle dem Minderjährigen daher den im Regelfall bereits titelmäßig festgesetzten Unterhaltsbeitrag nur bis zur Richtsatzhöhe, soweit der Minderjährige dagegen über Mittel aus anderen Quellen verfüge, bloß den hiedurch nicht gedeckten Restbetrag sichern. Nur eine solche Auslegung werde dem Sozialcharakter der Unterhaltsbevorschussung gerecht: Müsse ein Kind ohne Eigeneinkommen mit dem Richtsatzbetrag auskommen, sei es auch einem Minderjährigen, der seinen Unterhalt zum Teil aus eigenen Einkünften bestreiten könne, zumutbar, mit einem Betrag in dieser Höhe sein Auslangen zu finden.

Der achte und der erkennende Senat haben in - nicht veröffentlichten - Entscheidungen vom 31.1.1991, 8 Ob 504/91, und vom 20.3.1991, 1 Ob 521/91, davon abweichend die im Exekutionstitel festgelegte Unterhaltspflicht im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG überprüft und aus dem Ergebnis dieser Prüfung geschlossen, daß der - bisher gewährte - Unterhaltsvorschuß über den durch eigene Einkünfte verringerten Unterhaltsanspruch des Minderjährigen jedenfalls nicht hinausgehe; sie haben sich allerdings in diesen Entscheidungen nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich die in § 6 Abs 1 UVG festgelegte Betragsgrenze auf den durch das Eigeneinkommen geminderten Unterhaltsanspruch des Minderjährigen auswirke.

Der siebente Senat schloß sich dagegen mit seiner in ÖA 1992, 28 = RZ 1992/19 veröffentlichten Entscheidung vom 21.3.1991, 7 Ob 519/91, der in der Entscheidung EvBl 1990/121, geäußerten Rechtsansicht des sechsten Senates an. Das Unterhaltsvorschußgesetz bezwecke keine vollständige Substitution von Unterhaltsleistungen, sondern bloß die Sicherung des Unterhalts des Minderjährigen im Rahmen von im Regelfall bereits festgesetzten Unterhaltsansprüchen aus Mitteln der Allgemeinheit und deshalb eben nur bis zur Höhe des Richtsatzes. Ein Kind mit eigenen Einkünften besserzustellen als einkommenslose Minderjährige, wäre sachlich nicht zu rechtfertigen; im übrigen seien eigene Einkünfte auch auf nach § 4 Z 2 und Z 3 UVG gewährte Richtsatzvorschüsse anzurechnen.

In der folge modifizierte der sechste Senat seine Rechtsansicht. Mit seiner in ÖA 1992, 29, veröffentlichten Entscheidung vom 4.7.1992, 6 Ob 584/91, sprach er aus, die monatlichen Vorschüsse dürften den Unterschiedsbetrag zwischen dem Richtsatz und dem Eigeneinkommen des Minderjährigen, soweit es zur Befriedigung der vom Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse heranzuziehen sei, nicht übersteigen. Damit werde jener Judikatur Rechnung getragen, nach der das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die von den Eltern gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen und somit auch auf die Betreuungsleistungen des obsorgeberechtigten Elternteils gleichrangig anzurechnen sei.

Dagegen folgte der vierte Senat in seiner eingehend begründeten Entscheidung vom 8.10.1991, 4 Ob 549/91, veröffentlicht in EvBl 1992/16 = ÖA 1992, 26, der den Entscheidungen 8 Ob 504/91 und 1 Ob 521/91 zugrundeliegenden Rechtsauffassung. In der Begründung dieser Entscheidung ist ausgeführt, an sich wolle das Unterhaltsvorschußgesetz nur dagegen Abhilfe schaffen, daß der Minderjährige die durch einen Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsforderung vom Unterhaltsschuldner nicht hereinbringe; das Gesetz verschaffe ihm dagegen keinen Ausgleich für die mangelnde Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Von diesem Grundkonzept habe das Gesetz indessen schrittweise Ausnahmen zugelassen, in welchen der Zusammenhang mit dem familienrechtlichen Unterhaltsanspruch gelockert oder - bei Vorschußgewährung während des Strafvollzuges am Unterhaltsschuldner - praktisch überhaupt aufgehoben sei. In diesen Fällen könne auch nicht an einen im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltsbetrag angeknüpft werden, der Gesetzgeber habe vielmehr nach Altersgruppen abgestufte Beträge festgesetzt, die aus dem jeweiligen Richtsatz der Pensionsversicherung für Halbwaisen zu errechnen seien. Gegen die Gefahr mißbräuchlicher Inanspruchnahme überhöhter „Titelvorschüsse“ habe der Gesetzgeber dadurch Vorsorge getroffen, daß auch solche Vorschüsse den jeweils anzupassenden Richtsatz nicht übersteigen dürfen. Unabhängig davon habe das Gericht gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit in den Fällen der §§ 34 Z 1 und 4 UVG begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder zu hoch festgesetzt ist. Bereits bewilligte Vorschüsse seien in solchen Fällen gemäß den §§ 19 und 20 UVG entsprechend den geänderten Verhältnissen herabzusetzen oder einzustellen. Der Titelvorschuß solle demnach zwar der jeweiligen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung entsprechen, er dürfe aber die Richtsatzhöhe nicht überschreiten. Wäre die Unterhaltsverpflichtung zwar schon an sich wegen eigener Einkünfte des Minderjährigen herabzusetzen, sei das bei der Entscheidung über die (Weiter‑)Gewährung von Vorschüssen jedoch noch nicht geschehen oder sei diese Veränderung erst nach einer solchen Entscheidung eingetreten, so habe das Gericht die Vorschüsse gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG (teilweise) zu versagen bzw. gemäß § 19 Abs 1 UVG herabzusetzen. Die Berechnung der Vorschüsse derart, daß die eigenen Einkünfte des Minderjährigen vom Richtsatz abgezogen werden und ihm ohne Rücksicht auf seinen Unterhaltsanspruch bloß der Unterschiedsbetrag als Vorschuß gewährt werde, widerspreche bei „Titelvorschüssen“ der im § 7 Abs 1 Z 1 UVG angeordneten Anpassung. Soweit danach die im Exekutionstitel festgelegte Unterhaltsverpflichtung fortbestehe, sei sie Grundlage der Vorschußbemessung. Die der gegenteiligen Rechtsprechung zugrunde gelegte Auslegung, die weder dem Gesetz noch dessen Materialien zu entnehmen sei, würde auch die im § 7 Abs 1 Z 1 UVG vorgeschriebene Prüfung weitgehend überflüssig machen. Auch die dort aufgestellte These der ungleichen Behandlung von Minderjährigen mit und ohne Eigeneinkommen überzeuge nicht. Der Gesetzgeber behandle auch die Fälle des Titel- und des Richtsatzvorschusses (§ 6 Abs 1 und 2 UVG) aus sachlichen Erwägungen nicht gleich; beim Titelvorschuß sei überdies eine starre Obergrenze für alle Altersstufen vorgesehen: Der Regelbedarf eines Kleinkindes betrage bloß 40 % des Richtsatzes, jener eines Neunzehnjährigen erreiche dagegen nahezu dessen Höhe. Die Höchstgrenze sorge deshalb keineswegs für eine gleichmäßige Mindestversorgung aller Minderjährigen; diese starre Grenze sei daher am ehesten als „fiskalische Auszahlungsgrenze“, nicht aber auch als Unterhaltsgrenze zu verstehen. Diese Auslegung berge auch nicht die Gefahr einer „Überalimentierung“ in sich, weil einer solchen in der Regel schon durch Anwendung des § 7 Abs 1 Z 1 UVG begegnet werden könne und der Unterhaltsbedarf eines Minderjährigen knapp vor Erreichung der Volljährigkeit auch bei durchschnittlichen Lebensverhältnissen über der Richtsatzhöhe liege. Auch eine analoge Anwendung des § 7 Abs 1 Z 2 UVG sei ausgeschlossen, weil die Richtsatzvorschüsse nicht an eine konkret festgestellte Unterhaltsverpflichtung anknüpften, sondern auf einheitlichen Pauschalbeträgen beruhten.

Dieser Auffassung trat der dritte Senat mit seinem Beschluß vom 23.10.1991, 3 Ob 558/91, mit dem weiteren Hinweis bei, Titelvorschüsse seien gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit b iVm § 7 Abs 1 Z 1 UVG nicht schon dann einzustellen, wenn das Eigeneinkommen des Kindes den im § 6 Abs 1 UVG genannten Richtsatz überschreite, sondern erst dann, wenn die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht mit Rücksicht auf die Höhe des Einkommens erloschen sei. Nach der Fallgestaltung wäre das Ergebnis allerdings nicht anders, wenn man die der Entscheidung 6 Ob 584/91 (ÖA 1992, 29) zugrunde gelegte Rechtsauffassung teilte.

Auch der erkennende Senat schloß sich mit seinem Beschluß vom 15.1.1992, 1 Ob 626/91, der Entscheidung EvBl 1992/16 = ÖA 1992, 26, an; der dort festgestellte Sachverhalt wäre aber gleichfalls nicht anders zu beurteilen gewesen, wäre der Senat der in der Entscheidung 6 Ob 584/91 (ÖA 1929, 29) geäußerten Rechtsauffassung beigetreten.

In der Entscheidung vom 24.10.1991, 6 Ob 608/91, ließ der sechste Senat die Frage offen, ob der Richtsatzbetrag nach § 6 Abs 1 UVG bloß Obergrenze des monatlich auszuzahlenden Vorschusses sei oder im Sinne der Sicherung einer Mindestversorgung des Minderjährigen auch zum Ausdruck bringe, daß dieser nicht mehr vorschußwürdig sei, wenn ihm zu seinem Unterhalt ein solcher Betrag zur Verfügung stehe; Dem Rechtsmittel sei sein Erfolg zu versagen, ob nun der einen oder der anderen Auffassung Rechnung getragen werde.

Der achte Senat hielt dagegen in seinem Beschluß vom 16.1.1992, 8 Ob 649/91, an der der Entscheidung EvBl 1992/16 = ÖA 1992, 26, zugrundegelegten, von ihm im Ergebnis schon bisher vertretenen Auffassung fest.

Auch in den Entscheidungen vom 18.3.1992, 1 Ob 559/92, 24.3.1992, 5 Ob 508/92, und vom 29.4.1992, 2 Ob 535/92, wurde diese Rechtsansicht geteilt; auch der siebente Senat schloß sich in seiner Entscheidung vom 20.2.1992, 7 Ob 637/91, nun gleichfalls dieser Auffassung an.

Nach neuerlicher Prüfung dieser Frage schließt sich der verstärkte Senat der vor allem im Beschluß des vierten Senates vom 8.10.1991, 4 Ob 549/91 = EvBl 1992/16 = ÖA 1992, 26, überzeugend begründeten Auffassung an, daß bei Eigeneinkünften des Minderjährigen zunächst zu ermitteln ist, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung fortbesteht, und die Vorschüsse dem Ergebnis dieser Prüfung anzupassen sind:

Die vom Bund nach dem Unterhaltsvorschußgesetz zu erbringenden Leistungen müssen sich grundsätzlich an den durch Exekutionstitel konkretisierten Unterhaltsansprüchen der Minderjährigen orientieren: Der Bund gewährt also auf den gesetzlichen Unterhalt bloß Vorschüsse (§ 1 UVG; vgl hiezu auch JAB 199 BlgNR 14.GP , 2). Seine Leistungen setzen deshalb im allgemeinen nach den Vorschriften des Familienrechtes bemessene Unterhaltsforderungen von Minderjährigen voraus, die jedoch - aus welchem Grunde immer - vom Unterhaltsschuldner nicht hereingebracht werden können; sie dürfen aber in aller Regel nicht als Ausgleich für die mangelnde Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gewährt werden. Von dieser Regel trifft das Gesetz jedoch wichtige, im Zuge seiner Novellierung noch erweiterte Ausnahmen, bei denen die Verknüpfung von Unterhaltsanspruch und Vorschuß zum Teil - wie bei der Vereitelung der Unterhaltsbemessung durch den Unterhaltsschuldner - bereits sehr deutlich gelockert (vgl § 4 Z 2, 4 und 5) oder überhaupt aufgegeben ist (§ 4 Z 3 UVG). Der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen durch den Bund liegt demnach kein einheitliches System zugrunde, das zur Auslegung mehrdeutiger Bestimmungen des Unterhaltsvorschußgesetzes herangezogen werden könnte. Das gilt vor allem auch für die Lösung der Rechtsfrage, in welcher Weise der im § 6 Abs 1 UVG verankerte Richtsatzbetrag die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen an Minderjährige mit eigenem Einkommen begrenzt: Wohl sind Vorschüsse grundsätzlich in der Höhe bis zu dem im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltsbeitrag zu gewähren (§ 5 Abs 1 UVG), wobei der Richtsatz (§ 6 Abs 1 UVG) bloß als betragliche Obergrenze vorgesehen ist; wird dagegen die Unterhaltsbemessung aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners vereitelt oder diesem aufgrund einer Anordung in einem strafgerichtlichen Verfahren die Freiheit länger als einen Monat entzogen (§ 4 Z 2 bzw 3 UVG), so sind feste Pauschalbeträge in Höhe bestimmter, nach Altersgruppen der unterhaltsberechtigten Minderjährigen abgestufter Bruchteile dieses Richtsatzes als Vorschüsse zu gewähren (§ 6 Abs 2 UVG).

Für die Auslegung des § 6 Abs 1 UVG kommt vor allem den Bestimmungen des § 7 Abs 1 Z 1, des § 19 Abs 1 und des § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG besonderes Gewicht zu: Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit in den Fällen der §§ 3, 4 Z 1 und 4 UVG begründete Bedenken bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Nach den § 19 Abs 1 bzw. § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG hat das Gericht die Vorschüsse auf Antrag oder von Amts wegen entsprechend herabzusetzen, wenn ein Fall des § 7 Abs 1 UVG eintritt, ohne daß es zu einer gänzlichen Versagung der Vorschüsse käme, bzw einzustellen, wenn die Vorschüsse nach dieser Vorschrift zur Gänze zu versagen sind. Vermindert sich der konkrete Bedarf des Minderjährigen infolge eigenen Einkommens (Pichler in Rummel, ABGB2 § 140 Rz 11), so hat das Gericht den bisher festgesetzten Unterhaltsbetrag auf Antrag des Unterhaltsschuldners entsprechend herabzusetzen oder diesen, wenn der Minderjährige seinen Unterhaltsbedarf aus eigenen Mitteln bestreiten kann, der Unterhaltspflicht zu entheben. Ist dies im Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewährung bzw. Weitergewährung der Vorschüsse noch nicht geschehen oder treten solche Veränderungen erst danach ein, hat das Gericht die Unterhaltsvorschüsse gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG ganz oder teilweise zu versagen oder nach § 19 Abs 1 bzw § 20 Abs 1 Z 4 lit b (jeweils iVm § 7 Abs 1 Z 1 UVG) herabzusetzen bzw einzustellen. Das - nach Abzug der mit seiner Erzielung verbundenen Aufwendungen errechnete - (Netto‑)Einkommen des Minderjährigen darf somit nicht einfach vom bisher gewährten Vorschuß abgezogen werden, sondern das Gericht hat zu prüfen, ob und, bejahendenfalls, in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung noch fortbesteht. Die Reduktion der Unterhaltsvorschüsse auf die Differenz zwischen der Richtsatzhöhe und dem (auf den Geldunterhalt anzurechnenden) Eigeneinkommen des Minderjährigen könnte bei den nach Unterhaltstiteln bemessenen Vorschüssen („Titelvorschüsse“) mit der im § 7 Abs 1 Z 1 UVG angeordneten Anpassung an die Höhe des gegenwärtigen Unterhaltsanspruches nicht in Einklang gebracht werden: Eine solche von der Anpassung der Titelvorschüsse an die aktuelle Unterhaltspflicht abweichende Berechnung ist nämlich im § 7 Abs 1 Z 2 UVG - nur - für die „Richtsatzvorschüsse“ (§ 4 Z 2 und 3 UVG) vorgesehen, bei deren Gewährung an eine konkret bemessene Unterhaltspflicht gar nicht angeknüpft werden kann. Hätte der Gesetzgeber die in dieser Bestimmung vorgesehene Subtraktion des Eigeneinkommens des Minderjährigen vom Richtsatzbetrag auch für Titelvorschüsse anordnen wollen, wäre die unterschiedliche Regelung in den Ziffern 1 und 2 des Abs 1 der genannten Bestimmung gewiß entbehrlich gewesen. Jedenfalls wäre aber bei einer solchen Auslegung im Rahmen einer Prüfung gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG nur noch zu ermitteln, ob der genannte Unterschiedsbetrag im aktuellen Anspruch gemäß § 5 Abs 1 UVG Deckung findet; eine solche Einschränkung der gerichtlichen Prüfungspflicht kann jedoch weder aus dem Gesetz noch aus dessen Materialien abgeleitet werden.

Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz kann nicht als Argument zur Stützung der Auffassung ins Treffen geführt werden, die betragliche Begrenzung der Vorschüsse diene lediglich einer gleichmäßigen Mindestversorgung aller Minderjährigen, ob sie nun eigene Einkünfte haben oder nicht: So werden schon die Minderjährigen, die sich auf einen selbst nur vorläufigen Unterhaltstitel berufen können, und jene Minderjährigen, die auf Richtsatzvorschüsse (§ 6 Abs 2 UVG) angewiesen sind, aus durchaus sachlichen Erwägungen nicht gleich behandelt; darüber hinaus trägt aber die Richtsatzhöhe als starre Obergrenze für die Titelvorschüsse (§ 6 Abs 1 UVG) auch dem mit zunehmendem Alter steigenden Bedarf minderjähriger Unterhaltsberechtigter (vgl nur die in ÖA 1992, 62, veröffentlichten Durchschnittsbedarfsätze) nicht Rechnung, weil diese Obergrenze - anders als die gleichfalls starren Richtsatzvorschüsse ‑ nicht nach Altersgruppen gestaffelt ist. In der Entscheidung EvBl 1992/16 = ÖA 1992, 26, wird der Richtsatzbetrag denn auch als "bloße fiskalische Auszahlungsgrenze" apostrophiert. Dem ist beizupflichten, weil der Gesetzgeber mit dieser Begrenzung der Vorschußhöhe lediglich eine allzu große Belastung des Bundeshaushaltes vermeiden wollte (vgl auch RV, 5 BlgNR 14.GP , 13).

Die Anpassung der Unterhaltsvorschüsse an die aktualisierten Unterhaltsansprüche begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahr einer „Überalimentierung“ (vgl hiezu Knoll, KommUVG § 5 Rz 8 zum ähnlichen, aber durchaus nicht völlig gleichgelagerten Fall, daß der Minderjährige nur einen Teil seines Unterhaltsanspruches hereinbringen kann) keinen Bedenken, weil die sachgerechte Anwendung des § 7 Abs 1 Z 1 UVG ohnedies solchen Ergebnissen entgegensteuert; überdies reicht schon der grundsätzlich vom Geldunterhaltsschuldner zu deckende Durchschnittsbedarf der Minderjährigen in der - hier regelmäßig in Betracht kommenden - letzten Altersgruppe vor der Volljährigkeit an den Richtsatzbetrag heran.

In Beantwortung der ersten der beiden aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfragen gelangt der verstärkte Senat deshalb zu dem Ergebnis: Selbst wenn dem minderjährigen Unterhaltsberechtigten aus anderen Quellen Mittel zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs in Richtsatzhöhe zur Verfügung stehen, kann doch auch der restliche Unterhaltsanspruch gegen den Geldunterhaltsschuldner durch Bevorschussung bis zum Richtsatzbetrag gesichert werden. In solchen Fällen ‑ insbesondere also bei eigenen Einkünften des Minderjährigen - hat das Gericht gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu prüfen, ob und bejahendenfalls, in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung unter Bedachtnahme auf die geänderten Verhältnisse noch fortbesteht; nur soweit danach der Unterhaltsanspruch herabzusetzen wäre, sind auch die Vorschüsse teilweise zu versagen bzw gemäß § 19 Abs 1 UVG entsprechend herabzusetzen. Gänzlich zu versagen bzw gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG einzustellen sind die Unterhaltsvorschüsse dagegen nur, wenn der Minderjährige infolge der geänderten Verhältnisse selbsterhaltungsfähig geworden ist.

Im hier zu beurteilenden Fall ist daher zu prüfen, ob und, bejahendenfalls, inwieweit der Bezug der festgestellten Lehrlingsentschädigung Bestand und Höhe des bisher für die Vorschüsse bestimmenden Unterhaltsanspruches des Minderjährigen gegen seinen Vater beeinflußt: Gemäß § 140 Abs 3 ABGB mindert sich der Unterhaltsanspruch insoweit, als der Minderjährige eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Was dem Kind als Natural- oder Geldleistung welcher Art immer aufgrund eines Anspruches zukommt, ist nach dieser gesetzlichen Bestimmung bei der Unterhaltsbemessung bzw. bei der Beurteilung, ob das Kind bereits selbsterhaltungsfähig ist, zu berücksichtigen. Nach Lehre und Rechtsprechung (ÖA 1991, 53; SZ 63/101 = ÖA 1991, 77; ÖA 1991, 78; 3 Ob 579/90; 1 Ob 629/91 ua; Pichler aaO Rz 11a; Schlemmer‑Schwimann, ABGB § 140 Rz 104) ist die Lehrlingsentschädigung (§ 17 BAG) auf den Unterhalt anzurechnen; die Lehrlingsentschädigung fällt unter die nach § 140 Abs 3 ABGB zu berücksichtigenden Einkünfte des Minderjährigen und ist daher, soweit sie nicht der Deckung berufsbedingter Mehraufwendungen dient, dessen eigenes Einkommen. Daran ist festzuhalten.

Infolge eigenen Einkommens des Minderjährigen verringert sich dessen konkreter Bedarf (Pichler aaO Rz 11). Daher wird sein Unterhaltsanspruch auf den Betrag gemindert, der bei Bedachtnahme auf seine eigenen Einkünfte zum Eintritt seiner Selbsterhaltungsfähigkeit fehlt. Selbsterhaltungsfähig ist der sonst Unterhaltsberechtigte, wenn er die zur Bestreitung seiner Bedürfnisse nötigen Mittel selbst erwirbt oder doch bei zumutbarer Beschäftigung selbst erwerben könnte, wenn er also zur Bestreitung seiner angemessenen Bedürfnisse auch außerhalb des elterlichen Haushaltes imstande ist oder wäre. Ist der Minderjährige noch auf die Benützung der elterlichen Wohnung angewiesen bzw bedarf er noch der Betreuung, ist er noch nicht selbsterhaltungsfähig (SZ 63/101; Pichler aaO Rz 12). Deshalb dürfen weder die weiterlaufenden Unterhaltsleistungen des einen Elternteils in Gestalt der häuslichen Betreuung noch darf sonst eine Teilung der fixen Haushaltskosten vorausgesetzt werden, um sodann zugunsten des Geldunterhaltspflichtigen die Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen anzunehmen: Für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit muß es deshalb ohne Belang sein, ob der Minderjährige im Familienverband lebt (1 Ob 629/91; 1 Ob 521/91 ua; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 101) bzw ob der betreuende Elternteil vom Minderjährigen tatsächlich einen finanziellen Beitrag für dessen Betreuung fordert (SZ 63/101; EvBl 1991/177 ua). Könnte der Minderjährige deshalb mit seinem Eigeneinkommen nur jenen Bedarf decken, für den der Geldunterhaltspflichtige aufzukommen hat, und nicht auch den für die Betreuung notwendigen Aufwand bestreiten, so kann nicht etwa nur der zu Geldzahlungen verpflichtete Elternteil zur Gänze befreit werden, sondern es muß ein - noch zu erörtender - Anteil am Eigeneinkommen des Minderjährigen auch dem betreuenden Elternteil zugute kommen (SZ 63/101 ua).

Für die Ermittlung jenes Einkommens, mit dem der Minderjährige alle seine Bedürfnisse einschließlich des für die Betreuungsleistungen nötigen Aufwands bestreiten könnte, lassen sich keine allgemein gültigen Regeln aufstellen. Für einfache Lebensverhältnisse - also vor allem in Fällen, in welchen der geschuldete Unterhaltsbeitrag wegen des Einkommens des Unterhaltsschuldners oder dessen Sorgepflichten verhältnismäßig gering ist - kann nach der Rechtsprechung (SSV‑NF 3/39; SZ 63/101; RZ 1992/3; 1 Ob 629/91; 3 Ob 558/91; 6 Ob 570/90 uva; jüngst etwa wieder 8 Ob 649/91) der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage im Sinne des § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG (für die fragliche Zeit 14 mal jährlich S 6.000,‑‑) als Richtschnur für die Beurteilung, ob Selbsterhaltungsfähigkeit anzunehmen ist, gelten. Daß auch im vorliegenden Fall von solchen einfachen Lebensverhältnissen auszugehen ist, kann nicht zweifelhaft sein, wurde doch der Vater, den noch eine weitere Unterhaltspflicht trifft, auf ein monatliches Nettoeinkommen von bloß S 12.000,‑- angespannt (ON 140).

Ist das vom Minderjährigen erzielte Einkommen somit auf die von den Eltern gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen, so stellt sich - weil ein Teil der Rechtsprechung (EvBl 1991/177; 3 Ob 547/90; 1 Ob 626/91 ua) von gleichteiliger Anrechnung, ein anderer Teil (5 Ob 513/918 Ob 649/91 ua) dagegen von einer Aufteilung im Verhältnis 2:1 zugunsten des Geldunterhaltspflichtigen ausgeht - nun die weitere grundsätzliche Rechtsfrage, in welchem Verhältnis die beiden Elternteile hiedurch von ihrer Unterhaltsverpflichtung entlastet werden. Das Gesetz bietet für die Lösung dieser Rechtsfrage keine unmittelbare Handhabe. Wohl ordnet § 140 Abs 2 erster Satz ABGB an, der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leiste dadurch seinen Beitrag, doch bezieht sich diese Bestimmung nur auf das Verhältnis zwischen den beiden Elternteilen (EFSlg 32.941; Koziol‑Welser, Grundriß II9 252), ohne damit auch deren Beiträge für die Erfüllung der gemeinsamen Unterhaltsverpflichtung den Unterhaltsberechtigten gegenüber zu gewichten. In den Materialien zum Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBl 1977/403, (JAB, 587 BlgNR 14.GP , 4 f) werden als Betreuungsleistungen zwar nur die Zubereitung der Nahrung, die Instandhaltung der Kleidung und Wäsche sowie die Pflege im Krankheitsfall aufgezählt, der in Wahrheit jedoch viel weitere Begriff der Betreuung umfaßt jedoch nicht nur die für die körperliche Pflege des Minderjährigen notwendigen Leistungen, sondern auch die Überlassung der Wohnung zu Mitbenützung und vor allem auch die geistig‑seelischen Erziehungsmaßnahmen, die sich in Geld nicht ausdrücken lassen (Edlbacher in ÖA 1985, 8 f). Für die Gewichtung der beiderseitigen Unterhaltsleistungen als Grundlage der Anrechnung des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten ist bei einfachen Lebensverhältnissen wie im vorliegenden Fall das Verhältnis zwischen Mindestpensionshöhe (§ 293 Abs 1 lit a sublit bb und b ASVG) und Durchschnittsbedarf von besonderer Bedeutung: Wird der Minderjährige im allgemeinen als selbsterhaltungsfähig angesehen, wenn er über eigene Einkünfte in Höhe des genannten Richtsatzes verfügt, und ist der Durchschnittsbedarf ganz allgemein jener Bedarf, den jeder Minderjährige einer bestimmten Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung und Wohnung sowie zur Bestreitung seiner weiteren Bedürfnisse hat (SZ 63/81 ua; Pichler aaO Rz 2), so muß die Differenz zwischen diesen beiden - als Orientierunghilfen für die im Tatsachenbereich zu ermittelnden, in Geld abzudeckenden Bedürfnisse des Minderjährigen und dessen Selbsterhaltungsfähigkeit herangezogenen - Richtwerten zwangsläufig auf jenen Aufwand entfallen, der dem Minderjährigen erwächst, wenn er sich selbst erhalten und deshalb auch für die sonst vom betreuenden Elternteil erbrachten Naturalleistungen aufkommen muß. Es erscheint deshalb angemessen, bei einfachen Lebensverhältnissen ‑ wie hier - das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen; für die Annahme davon abweichender Anrechnungsgrundsätze finden sich weder im Gesetz Anhaltspunkte noch sonst brauchbare Erfahrungswerte.

Da der Durchschnittsbedarf für Minderjährige in der hier bedeutsamen Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren S 3.690,‑‑ und somit nur ganz geringfügig mehr als die Hälfte des Richtsatzes gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG beträgt (vgl ÖA 1991, 62), ist die Anrechnung der Lehrlingsentschädigung des Minderjährigen auf die Unterhaltsleistungen der Eltern zu gleichen Teilen gerechtfertigt. Da der Minderjährige eine Lehrlingsentschädigung von geringfügig mehr als S 4.000,‑- bezieht, reduziert sich sein Unterhaltsanspruch auf S 3.000,‑- und damit, soweit er auf Geldzahlung durch seinen Vater gerichtet ist, ‑ bei gleichteiliger Anrechnung seiner Einkünfte - auf S 1.500,‑‑; mit einer solchen Unterhaltszahlung könnte nämlich der Vater den nach Anrechnung des Eigeneinkommens des Minderjährigen noch verbleibenden, in Geld abzudeckenden Unterhaltsbedarf seines Sohnes zur Gänze bestreiten. Über den Durchschnittsbedarf hinausgehende, in Geld abzudeckende Bedürfnisse könnten dem Minderjährigen mit Rücksicht auf die Lebensverhältnisse seines Vaters (also bei den diesem zumutbaren monatlichen Nettoeinkünften von S 12.000,‑- und einer weiteren Sorgepflicht) nicht zugebilligt werden.

In teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses des Minderjährigen ist deshalb der Unterhaltsvorschuß gemäß § 5 Abs 1, § 6 Abs 1 und § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Z 1 UVG auf monatlich S 1.500,‑- herabzusetzen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte