Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am ***** 1974 geborene F***** S***** entstammt aus der mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.4.1979, GZ 10a Sch 66/79-3, geschiedenen Ehe der E***** und des J***** S*****. Der Sohn blieb in der alleinigen Obsorge seiner Mutter. Zuletzt wurde die Unterhaltsverpflichtung des Vaters, der bis 4.2.1990 Sozialhilfe bezog und ab dem 5.2.1990 ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 16.953 S erzielte, im Hinblick auf die vom Minderjährigen seit 4.9.1989 bezogene Lehrlingsentschädigung von monatlich durchschnittlich netto 3.500 S mit Beschluß vom 7.5.1990 ab dem 15.11.1989 auf den Betrag von 1.500 S herabgesetzt (ON 168). Nachdem schon vorher auf den jeweils beschlußmäßig festgelegten Unterhaltsanspruch des Minderjährigen gegen seinen Vater Vorschüsse im Sinne der §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt worden waren, wurde auch mit Beschluß vom 24.7.1990 ausgesprochen (ON 176), daß die Unterhaltsvorschüsse in der Höhe des Exekutionstitels ON 168 für die Zeit vom 1.9.1990 bis 31.8.1993 weiter gewährt werden. Da sich die Lehrlingsentschädigung des Minderjährigen ab 1.1.1991 auf monatlich durchschnittlich netto 4.900 S erhöht hatte, schränkte das Erstgericht mit Beschluß vom 8.5.1991 die Unterhaltsvorschüsse ab 1.1.1991 auf monatlich 700 S ein (ON 191).
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes *****, der die gänzliche Einstellung der Vorschüsse beantragte, nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zweck des Unterhaltsvorschußgesetzes sei die Sicherung eines Unterhaltsanspruches im Sinne einer ergänzenden Hilfestellung bei dessen Einbringlichmachung. Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten seien entweder im Titelverfahren oder im Verfahren gemäß § 7 UVG zu berücksichtigen. Der im § 6 Abs 1 UVG genannte Richtsatz stelle nur allgemein das Höchstausmaß der zur Sicherung des Unterhaltsanspruches zu gewährenden Vorschüsse dar, so daß es sachlich nicht gerechtfertigt wäre, hier die Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten neuerlich in Anrechnung zu bringen. Vielmehr könnten die Bedürfnisse eines im Haushalt eines Elternteils heranwachsenden Minderjährigen nur durch einen Gesamtbetrag in Höhe des allgemeinen Pensionsrichtsatzes gedeckt werden. Diese Grenze werde durch die erstgerichtliche Ergänzung der Lehrlingsentschädigung von 4.900 S um 700 S immer noch unterschritten. Der gegenteiligen Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes in den Entscheidungen 6 Ob 598/90 und 7 Ob 519/91 könne nicht gefolgt werden.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes bekämpft diese Entscheidung mit Revisionsrekurs und beantragt, die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Unterhaltsvorschuß ab 1.1.1991 zur Gänze eingestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Frage, ob der Richtsatzbetrag nach § 6 Abs 1 UVG nur die Höhe des monatlich auszuzahlenden Vorschusses begrenzt oder ob damit im Sinne der Sicherung einer Mindestversorgung zum Ausdruck gebracht wird, daß der Unterhaltsberechtigte nicht mehr vorschußwürdig ist, wenn ihm zu seinem Unterhalt ein Betrag in dieser Höhe - sei es (wie hier) auf Grund eigener Einkünfte oder infolge regelmäßiger Teilzahlungen des Unterhaltspflichtigen - zur Verfügung steht, wurde an den erst seit 1.1.1990 in solchen Fällen anrufbaren Obersten Gerichtshof schon mehrmals herangetragen (zu den Entscheidungen zweiter Instanz siehe EFSlg 43.844).
Der 6. Senat ist in der Entscheidung vom 31.5.1990, 6 Ob 598/90, zu dem Ergebnis gekommen, daß die monatlichen Vorschüsse den Unterschiedsbetrag zwischen dem Richtsatz des § 6 Abs 1 UVG und den eigenen Einkünften nicht übersteigen dürfen. Die Höchstgrenze des § 6 Abs 1 UVG sei nicht bloß eine fiskalische; sie besage nicht nur, daß dem Vorschußberechtigten höchstens dieser Betrag monatlich ausgezahlt werden dürfe, sondern lege die Vorschußbedürftigkeit des Minderjährigen dahin fest, daß ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuß nur insoweit bestehe, als dem Kind für den monatlichen Unterhaltszeitraum der Richtsatzbetrag nicht oder nicht vollständig (anderweitig) zur Verfügung steht.
§ 6 Abs 1 UVG sei also dahin zu verstehen, daß die Vorschüsse die Verfügbarkeit eines im Normalfall bereits titelmäßig festgesetzten Unterhaltsbeitrages nur bis zur Höhe des Richtsatzes gewährleisten sollen, bei teilweiser Verfügbarkeit aber nur den Restbetrag. Nur eine solche Auslegung werde dem sozialen Charakter der Einrichtung gerecht, weil einem Kind ohne eigene Einkünfte zugemutet werde, mit Vorschüssen in Richtsatzhöhe das Auslangen zu finden, "was auch für jene Minderjährigen zu gelten hätte, die einen Teil ihrer Bedürfnisse durch eigene Einkünfte selbst zu decken vermögen."
Der 7. Senat hat sich in seiner Entscheidung vom 21.3.1991, 7 Ob 519/91, der Entscheidung 6 Ob 598/90 angeschlossen. Der Zweck des Unterhaltsvorschußgesetzes sei nicht auf eine völlige Substitution von Unterhaltsleistungen gerichtet, sondern nur darauf, im wesentlichen im Rahmen bereits festgesetzter Unterhaltsansprüche den Unterhalt von Kindern aus Mitteln der Allgemeinheit und daher auch nur bis zur Höhe des Richtsatzes zu sichern. Auch ein Kind ohne eigene Einkünfte müsse sich mit einem Vorschuß in Richtsatzhöhe begnügen und mit diesem Sockelbetrag das Auslangen finden; ein Kind mit eigenem Einkommen besser zu stellen, wäre sachlich ungerechtfertigt. Auch Vorschußempfänger nach § 4 Z 2 und 3 UVG müßten sich eigene Einkünfte auf den Pauschalbetrag anrechnen lassen.
In der Folge hat der 6. Senat seine Rechtsansicht in der Entscheidung vom 4.7.1991, 6 Ob 584/91, dahin ergänzt, daß die monatlichen Vorschüsse den Unterschiedsbetrag zwischen dem Richtsatzbetrag des § 6 Abs 1 UVG und den eigenen Einkünften des Minderjährigen, soweit diese zur Befriedigung der vom Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse heranzuziehen sind, nicht übersteigen dürfen. Er hat damit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Rechnung getragen, wonach Eigeneinkünfte des unterhaltsberechtigten Kindes gleichrangig auf die von beiden Elternteilen gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen (und daher auch auf die vom obsorgenden Elternteil in natura erbrachten Betreuungsleistungen) anzurechnen seien (6 Ob 624/90 = JUS 553; ÖA 1991, 77 und 78). Dieser Auffassung ist jüngst der 3. Senat in der Entscheidung vom 23.10.1991, 3 Ob 558/91, beigetreten.
Andererseits haben der 8. und der 1. Senat in den Entscheidungen vom 31.1.1991, 8 Ob 504/91, und vom 20.3.1991, 1 Ob 521/91, in welchen es ebenfalls um die Frage der Herabsetzung von Unterhaltsvorschüssen wegen eigener Einkünfte des vorschußberechtigten Kindes ging, die Meinung des 6. und des 7. Senates im Ergebnis nicht übernommen, ohne allerdings die Frage der Auswirkungen der Betragsgrenze des § 6 Abs 1 UVG bei teilweiser Selbsterhaltungsfähigkeit Minderjähriger infolge eigener Einkünfte zu erörtern. Nach Prüfung der in den betreffenden Exekutionstiteln festgelegten Unterhaltspflicht im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG sind beide Senate zu der Überzeugung gekommen, daß der (jeweils) gewährte Vorschuß über den durch eigene Einkünfte geminderten Unterhaltsanspruch jedenfalls nicht hinausgehe.
Diesen Entscheidungen hat sich nunmehr der 4. Senat in seiner Entscheidung vom 8.10.1991, 4 Ob 549/91, unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht des 6. und des 7. Senates angeschlossen. Dennoch sind aber die Voraussetzungen für die vom Rechtsmittelwerber angeregte Befassung eines verstärkten Senates im Sinne des § 8 Abs 1 OGHG nicht gegeben, weil im vorliegenden Fall die Entscheidung aus folgenden Gründen nicht mehr von der Lösung der - wenngleich in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht einheitlich beantworteten - Rechtsfrage abhängt:
Da der Revisionsrekurswerber gar nicht bestreitet, daß die gesetzliche Unterhaltspflicht des Vaters zumindest im Umfang von 700 S monatlich (noch) besteht, obwohl sein Sohn ab 1.1.1991 eine - wenngleich den Richtsatz für das Jahr 1991 (3.980 S) übersteigende - Lehrlingsentschädigung von 4.900 S bezieht, und dagegen auch deshalb keine begründeten Bedenken bestehen, weil der Sohn ja bereits zum Zeitpunkt der im letzten Exekutionstitel (ON 176) mit monatlich 1.500 S festgesetzten Unterhaltspflicht des Vaters eine Lehrlingsentschädigung von 3.500 S bezogen hat, entsprechen die Beschlüsse der Vorinstanzen im Ergebnis der Rechtsansicht der Entscheidung 4 Ob 549/91 (8 Ob 504/91; 1 Ob 521/91). Dieses Ergebnis steht aber auch im Einklang mit der Rechtsprechung des 6. und des 3. Senates (6 Ob 584/91 und 3 Ob 558/91 in Ergänzung zu 6 Ob 598/90 und 7 Ob 519/91), weil danach ja die eigenen Einkünfte des Sohnes nur zur Hälfte zur Befriedigung der vom Vater als Unterhaltsschuldner in Geld abzudeckenden Bedürfnisse heranzuziehen sind, erbringt doch die obsorgende Mutter ihre gleichrangigen Unterhaltsleistungen durch die Betreuung des Minderjährigen in natura. Nach den Leitsätzen der zuletzt genannten Rechtsprechung dürfen somit die monatlichen Unterhaltsvorschüsse lediglich die Differenz zwischen dem Richtsatz von 3.980 S und den auf die Geldzahlungspflicht des Vaters anrechenbaren Einkünften von 2.450 S, also 1.530 S, nicht übersteigen. Der von den Vorinstanzen monatlich weiter gewährte Vorschuß von 700 S liegt aber unter dieser Grenze.
Dem Revisionsrekurs muß demnach nach jeder der beiden (wenn auch divergierenden) Entscheidungslinien des Obersten Gerichtshofes ein Erfolg versagt bleiben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)