OGH 7Ob519/91

OGH7Ob519/9121.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Wolfgang G*****, infolge Revisionsrekurses des MAGISTRATES DER LANDESHAUPTSTADT ST. PÖLTEN gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 21. November 1990, GZ R 677/90-87, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 18. Oktober 1990, GZ 1 P 50/82-76, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der dem Minderjährigen zuletzt für die Zeit vom 1. 2. 1990 bis 31. 1. 1993 weitergewährte Unterhaltsvorschuß nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG von monatlich S 1.400,- (ON 70, AS 211) wurde vom Erstgericht mit 30. 9. 1990 eingestellt, weil der Minderjährige seit 24. 9. 1990 eine Lehrlingsentschädigung von monatlich S 4.685,- bei freier Kost und bei freiem Quartier bezieht (ON 76, AS 255).

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Nach der Auffassung des Rekursgerichtes ist der Minderjährige selbsterhaltungsfähig und daher ein Einstellungsgrund gegeben. Die Lehrlingsentschädigung gehöre zu den Einkünften des Kindes, soweit sie nicht zur Deckung eines berufsbedingten Mehraufwandes benötigt werde. Übersteige die Lehrlingsentschädigung den Durchschnittsbedarf Minderjähriger der entsprechenden Altersgruppe zuzüglich der Berufsausbildungskosten, sei der Lehrling im Regelfall selbsterhaltungsfähig. Da im vorliegenden Fall die Lehrlingsentschädigung, insbesondere unter Berücksichtigung der Naturalleistungen, den Durchschnittsbedarf von derzeit S 3.570,- zuzüglich der mit S 1.000,- monatlich zu veranschlagenden Berufsausbildungskosten übersteige, sei die Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen gegeben. Besonders günstige Einkommensverhältnisse des Vaters lägen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des MAGISTRATES DER LANDESHAUPTSTADT ST. PÖLTEN ist nicht berechtigt.

Von der Frage, ob bei Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit auf die Mindestpensionshöhe nach dem ASVG abzustellen ist, hängt die Entscheidung hier allerdings nicht ab. Den Entscheidungen, die die Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs. 1 ASVG als für die Selbsterhaltungsfähigkeit maßgebend bezeichnen, lagen keine Fälle nach dem Unterhaltsvorschußgesetz zugrunde. Diese Entscheidungen können hier infolge der Spezialbestimmung des UVG auch nicht herangezogen werden.

Nach § 6 Abs.1 UVG dürfen die Vorschüsse monatlich den Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs.1 Buchstabe c bb erster Fall ASVG, vervielfacht mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor (§ 108 a ASVG) nicht übersteigen. Dieser monatliche Höchstbetrag macht im Jahre 1990 S 3.064,- aus (JABl 1990/1 2). Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist ein Einstellungsgrund nach § 20 Abs.1 Z 4 lit.a UVG in dem Ausmaß anzunehmen, in dem der Richtsatzbetrag durch eigene Einkünfte des Kindes gedeckt ist (6 Ob 598/90). Daran ist aus der Erwägung festzuhalten, daß der Zweck des Unterhaltsvorschußgesetzes nicht auf eine völlige Substitution von Unterhaltsleistungen gerichtet war, sondern nur darauf, im wesentlichen im Rahmen bereits festgesetzter Unterhaltsansprüche den Unterhalt von Kindern aus Mitteln der Allgemeinheit und daher auch nur bis zur Höhe des Richtsatzes zu sichern (vgl. 5 BlgNR 14.GP 5 und 8). Es muß sich daher auch ein Kind ohne eigene Einkünfte mit einem Vorschuß in Richtsatzhöhe begnügen und mit diesem Sockelbetrag das Auslangen finden. Nach dem Charakter des Unterhaltsvorschusses wäre es sachlich ungerechtfertigt, ihm gegenüber ein Kind mit eigenem Einkommen besserzustellen. Auch Vorschußempfänger nach § 4 Z 2 oder 3 UVG müssen sich eigene Einkünfte auf den Pauschalbetrag des § 6 anrechnen lassen (276 BlgNR 15.GP 11 f). Die eindeutige Zielsetzung des Gesetzes rechtfertigt eine Auslegung des § 6 Abs.1 UVG im obgenannten Sinn. Da der Richtsatzbetrag hier durch die Lehrlingsentschädigung jedenfalls gedeckt ist - für einen höheren als vom Berufungsgericht bereits angenommenen berufsbedingten Aufwand liegen keine Anhaltspunkte vor - haben die Vorinstanzen zu Recht die Einstellung verfügt.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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