Normen
ABGB §1295
ABGB §1311
GesmbHG §15
GesmbHG §18
GesmbHG §25
GesmbHG §85
ABGB §1295
ABGB §1311
GesmbHG §15
GesmbHG §18
GesmbHG §25
GesmbHG §85
Spruch:
Der Geschäftsführer einer GesmbH muß bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eine Einkaufsvollmacht für einen im Unternehmen Tätigen widerrufen; wenn dieser noch Verbindlichkeiten der Gesellschaft begrundet, ist der Geschäftsführer dem Gläubiger der Gesellschaft ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Forderung zum Schadensersatz verpflichtet
OGH 26. März 1980, 1 Ob 545/80 (OLG Wien 11 R 179/79; LGZ Wien 11 Cg 146/78)
Text
Franz J und die Beklagte, seine Ehegattin, waren von 1973 bis April 1976 Geschäftsführer der J & Co. GesmbH. Im April 1976 wurde Franz J als Geschäftsführer enthoben; seit diesem Zeitpunkt bis 10. März 1977 war die Beklagte alleinige Geschäftsführerin dieser Gesellschaft. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 10. März 1977, S 29/77, wurde über das Vermögen der J & Co. GesmbH der Konkurs eröffnet. Die klagende Partei meldete in diesem Verfahren, das noch anhängig ist, ihre Forderung in der dritten Klasse der Gläubiger an, erhielt jedoch bisher keine Zahlung.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. November 1977, GZ 6d E Vr 5220/77, Hv 544/77-19, wurden Franz J und die Beklagte des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z. 1 StGB für schuldig erkannt, weil sie als Mittäter und Schuldner mehrerer Gläubiger in der Zeit zwischen Anfang Juni 1973 und April 1976 fahrlässig ihre Zahlungsunfähigkeit herbeiführten, indem sie ohne genügend Eigenkapital ein Unternehmen zur Erzeugung von Kalendern und Werbeträgern grundeten und führten sowie wiederholt unverhältnismäßig Kredit benützten. Weiters wurden sie auch des Vergehens nach § 114 ASVG schuldig erkannt. Von der Anklage nach § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB, sie hätten als Mittäter in der Zeit von Mai 1976 bis 9. März 1977 in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung ihrer Gläubiger vereitelt oder geschmälert, insbesondere dadurch, daß sie neue Schulden eingingen, Schulden zahlten und die Geschäftsaufsicht, das Ausgleichsverfahren oder die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragten, wurden sie hingegen gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Die von Franz J und der Beklagten gegen den verurteilenden Teil dieser Entscheidung eingebrachten Berufungen blieben erfolglos (Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. März 1978, 13 Bs 26/78-30).
Ende Oktober oder Anfang November 1976 gab Franz J, dem die Produktionsleitung und der gesamte Einkauf der J & Co. GesmbH oblag, der klagenden Partei den Auftrag zur Durchführung dringender Buchbinderarbeiten für einen von der J & Co. GesmbH für die Österreichische Länderbank AG herzustellenden Kalender. In einem mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der klagenden Partei, Günther T, geführten Gespräch erklärte Franz J, daß die Österreichische Länderbank AG die Kosten der Kalender gleich an die J & Co. GesmbH bezahlen und daher auch die klagende Partei gleich ihr Geld für die Buchbinderarbeiten erhalten werde. Die klagende Partei führte die in Auftrag gegebenen Arbeiten durch und übersandte für diese Arbeiten die Rechnungen vom 30. November 1976 über 78 471.89 S und vom 14. Dezember 1976 über 491.80 S. Der Geschäftsführer der klagenden Partei, Günther T, hatte mit der Beklagten über diesen Auftrag nicht gesprochen; sie hatte weder ihm noch einem anderen Organ der klagenden Partei einen entsprechenden Auftrag gegeben. Die Beklagte, die für die J & Co. GesmbH die Buchhaltung und Lohnverrechnung besorgte, erfuhr von dem von Franz J erteilten Auftrag erst im Jänner 1977, als sie die Buchhaltung für November 1976 aufarbeitete.
Die klagende Partei begehrte von der Beklagten den Betrag von 78 963.69 S samt Anhang und brachte vor, Franz J habe der klagenden Partei den Auftrag zur Durchführung der Buchbinderarbeiten erteilt und prompte Zahlung zugesichert. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der Auftragserteilung Geschäftsführerin der Franz J & Co. GesmbH gewesen. In Kenntnis der im Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits bestandenen Zahlungsunfähigkeit hätten Franz J und die Beklagte die klagende Partei "veranlaßt", Leistungen für die überschuldete J & Co. GesmbH zu erbringen.
Die Beklagte begehrt die Abweisung des Klagebegehrens, weil sie eine persönliche Haftung für die Schulden der Gesellschaft nicht treffe. Sie sei auch vom Vorwurf, schuldhaft die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft durch die Eingehung neuer Schulden vereitelt bzw. geschmälert zu haben (§ 159 Abs. 2 Z. 2 StGB), strafgerichtlich freigesprochen worden.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab, weil eine persönliche Haftung der Beklagten für Schulden der J & Co. GesmbH, da in Betracht kommende Ausnahmen nicht vorlägen, nicht bestehe.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei keine Folge. Es bejahte grundsätzlich die deliktische Haftung des Geschäftsführers einer GesmbH, der in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein für den Gläubiger schädliches Rechtsgeschäft abschließt, verneinte die Haftung im konkreten Fall aber deshalb, weil die Beklagte der klagenden Partei keinen Auftrag erteilt habe und andere Klagsgrunde, wie insbesondere die Unterlassung des Widerrufs der dem Franz J erteilten Vertretungsmacht, nicht behauptet worden seien.
Über Revision der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht ging in Übereinstimmung mit der nunmehr herrschenden Rechtsprechung (EvBl. 1980/4; GesRZ 1979, 36; SZ 50/75; GesRZ 1976, 99; SZ 42/104) davon aus, daß der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der fahrlässige Krida, somit einen strafrechtlich verfolgbaren Angriff gegen Rechte eines Dritten, zu verantworten hat, dem Gläubiger nach Deliktsgrundsätzen für den Schaden haftet, der durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursacht wurde. Diese Rechtsprechung hat auch im Schrifttum Zustimmung gefunden (Kastner, Grundriß[3], 268; Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] II, 421 und 457 FN 28; Torggler in GesRZ 1974, 48; Pfersmann in ÖJZ 1973, 311; Schuppich in GesRZ 1972, 32 f.; Ostheim in JBl. 1972, 143), das nur klarstellte, daß eine Haftung des Geschäftsführers dann nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen einzutreten hat, wenn sich sein rechtswidriges Verhalten unmittelbar gegen den seine Haftung in Anspruch nehmenden Gläubiger gerichtet hat und in seiner Person auch alle anderen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches vorliegen (P. Doralt in JBl. 1972, 125 f.).
Die grundlegende Entscheidung SZ 42/104 leitete die Haftung des Geschäftsführers der GesmbH daraus ab, daß § 486 Abs. 1 Z. 2 StG ein Schutzgesetz darstelle, dessen Übertretung die persönliche Haftung des Geschäftsführers begrunde. Nach der vorgenannten Entscheidung sind durch die strafgesetzliche Norm sämtliche Gläubiger geschützt, sowohl alte Gläubiger, deren Forderungen im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit bereits bestanden haben und durch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten geschädigt werden, als auch neue Gläubiger, die durch die Begründung der Verbindlichkeit im Stadium der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit dadurch geschädigt werden, daß sie keine Gegenleistung erhalten.
Daß derjenige, der erst während der Zahlungsunfähigkeit durch eine verpönte Handlung zum Gläubiger wird, viel mehr gefährdet und daher (auch strafrechtlich) schützenswert ist, hat P. Doralt nicht nur mit stilkundlichen Argumenten, wonach "Gläubiger" auch derjenige ist, der es durch die Handlung erst wird (JBl. 1972, 123 bei und in FN 18), sondern auch mit einem Größenschluß überzeugend dargetan: Der neu hinzukommende Gläubiger, der eine vollwertige Leistung erbringt und bloß eine "faule" Forderung erwirbt, ist noch viel mehr gefährdet als die bisherigen Gläubiger, denen wegen der vom neuen Gläubiger erbrachten Leistung mangels Herbeiführung einer Verringerung der Masse kein Schaden zugefügt wird, für die vielmehr in der Regel sogar eine Verbesserung der Masse eintritt, wogegen beim neuen Gläubiger der unwahrscheinliche Fall eintreten müßte, daß der Schuldner wieder zahlungsfähig wird (a. a. O., 124).
An die Stelle der Bestimmung des § 486 Abs. 1 Z. 2 StG ist § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB getreten. Am Charakter der neuen Bestimmung als ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 Satz 2 zweiter Fall ABGB hat sich durch die neue Rechtslage aber nichts geändert. Es ist daher auch der Rechtsansicht zu folgen, daß vom Schutzzweck der Norm alte und neue Gläubiger erfaßt werden (Leukauf - Steininger, Kommentar zum StGB[2], § 159 RdZ II und 15; GesRZ 1979, 36). Dies ist durch die neue Gesetzesformulierung sogar noch deutlicher geworden, weil nun die in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit herbeigeführte Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen ganz allgemein strafbar ist und die Gründe, die dies herbeigeführt haben können, nur beispielsweise ("insbesondere") aufgezählt werden. Es sei aber doch erwähnt, daß sich der direkte Schadenersatzanspruch des so geschädigten Gläubigers der Gesellschaft gegen deren Geschäftsführer bei Abschluß eines neuen Geschäftes in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft auch aus § 25 Abs. 3, allenfalls auch aus § 85 GmbHG ableiten ließe, weil in einem solchen Fall alle Voraussetzungen zutreffen, die den Gesetzgeber zur ausnahmsweisen Bestimmung der direkten Haftung des Geschäftsführers in den §§ 56 und 64 GmbHG veranlaßt hat, sodaß bei Anlegung der Bewertungsmaßstäbe des Gesetzes eine Regelungslücke angenommen und durch Analogie geschlossen werden kann (so P. Doralt a.a.O., 128 f.).
Nach dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt kann der Beklagten allerdings nicht angelastet werden, daß sie das für die klagende Partei schädliche Rechtsgeschäft selbst abgeschlossen habe; es ist vielmehr davon auszugehen, daß das Rechtsgeschäft von ihrem Gatten Franz J geschlossen wurde. Damit entfällt aber, wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannte, noch nicht die Haftung der Beklagten als Geschäftsführerin der GesmbH. Schon in der Entscheidung SZ 42/104 wurde vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß die Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Gläubiger nicht nur dann Platz greift, wenn er selbst das Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, sondern auch, wenn er den Abschluß durch eine allgemein oder besonders ermächtigte dritte Person herbeigeführt hat. Die Haftung des Geschäftsführers kommt insbesondere dann in Betracht, wenn er gegen ihm bekanntes oder schuldhaft unbekannt gebliebenes rechtswidriges Verhalten von Personen, die für die Gesellschaft, etwa als Handlungsbevollmächtigte, tätig werden, nicht einschreitet. Zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GesmbH gehört es, das Unternehmen unter Beachtung aller maßgebenden Rechtsvorschriften zu leiten, sich stets ein genaues Bild von der Lage des Unternehmens, insbesondere von seiner Liquidität, zu verschaffen und alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, eine Schädigung dritter Personen, insbesondere durch Eingehung neuer Verbindlichkeiten nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, hintanzuhalten. Zu diesem Zweck hat der Geschäftsführer unter Umständen Weisungen an Handlungsbevollmächtigte zu erteilen, sich den Abschluß von Rechtsgeschäften vorzubehalten oder erteilte Handlungsvollmachten zu widerrufen bzw. einzuschränken (P. Doralt a.a.O., 122; vgl. zu den Pflichten des Geschäftsführers Mertens in Hachenburg, GroßKomm. zum dGmbHG[7], § 43 RdZ 30). Eine Einkaufsvollmacht eines im Unternehmen Tätigen muß der Geschäftsführer also, wenn Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft besteht, widerrufen; er muß aber auch, wenn er dies vorsätzlich oder fahrlässig unterließ, für die Folgen einstehen.
Daß die Unterlassung des Widerrufs der dem Franz J erteilten Vertretungsmacht haftungsbegrundend sein könnte, erkannte auch das Berufungsgericht. Es meinte nur, daß Behauptungen der klagenden Partei in dieser Richtung nicht vorlägen. Die klagende Partei hat auch von allem Anfang an nicht behauptet, daß die Beklagte selbst das Rechtsgeschäft abgeschlossen habe. Die klagende Partei hat aber vorgebracht, Franz J habe im November 1976 den Auftrag an sie erteilt. Die Beklagte sei damals Geschäftsführerin der GesmbH gewesen und beide hätten in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die klagende Partei "veranlaßt", Leistungen für die überschuldete Gesellschaft zu erbringen. Die Veranlassung der Auftragserteilung kann aber im Hinblick darauf, daß die Beklagte alleinige Geschäftsführerin war, auch darin gelegen sein, daß sie Franz J Handlungsvollmacht zum Abschluß erteilt bzw. eine bestehende Handlungsvollmacht nicht widerrufen hatte, sodaß es Franz J möglich war, namens der GesmbH Verpflichtungen einzugehen. Einzuräumen ist dem Berufungsgericht allerdings, daß die Behauptung, die Beklagte habe den Auftrag "veranlaßt", unpräzise ist; im Hinblick auf das übrige Vorbringen kann es aber auch im dargestellten Sinne verstanden werden. Die Abweisung des Klagebegehrens wegen unzureichenden Vorbringens ist demnach nicht gerechtfertigt. Daß die Beklagte vom strafbaren Vorwurf des § 159 Abs. 1 Z. 2 StGB freigesprochen wurde, bewirkt lediglich, daß eine bindende Entscheidung des Strafgerichtes (§ 268 ZPO) nicht vorliegt, es steht aber der klagenden Partei dennoch der Beweis offen, daß die Beklagte im oben dargestellten Sinne in Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit den Abschluß des Rechtsgeschäftes geduldet hat.
Gegen die Fälligkeit des Schadenersatzanspruches gegen die Beklagte bestehen keine Bedenken, auch wenn das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen ist und daher noch nicht feststeht, ob die klagende Partei als Konkursgläubiger dritter Klasse aus der Konkursmasse etwas erhalten wird. Der Schaden der klagenden Partei entstand bereits damit, daß sie nicht, wie es vertraglich vereinbart war, gleich nach Zahlung der Österreichischen Länderbank AG an die Gesellschaft Zahlung erhalten hat. Der Schadenersatzanspruch entstand dann aber nicht erst nach endgültiger Klärung, inwieweit die Forderung im Vermögen der Gesellschaft, d. h. konkret aus der Konkursmasse noch Deckung gefunden hat (obwohl die Entscheidung EvBl. 1980/4 sowie Kastner a.a.O. und P. Doralt a.a.O., 129 so verstanden werden könnten). Die klagende Partei wird sich nur Zahlungen aus der Konkursmasse, die sie tatsächlich schon erhalten hat, einrechnen lassen müssen. Zur Höhe eines allfälligen Schadenersatzanspruches (vgl. dazu P. Doralt a. a. O. 121, aber auch rechtsähnlich SZ 48/102) ist in der derzeitigen Phase des Verfahrens nicht Stellung zu nehmen.
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