Spruch:
Wegen ganz unerheblicher Mängel besteht kein Anspruch auf Verbesserung und damit auch kein Recht des Bestellers auf vorläufige Verweigerung der Entgeltszahlung
OGH 21. Feber 1979, 1 Ob 542/79 (OLG Graz 7 R 163/78; LG Klagenfurt 26 Cg 158/77)
Text
Im Jahre 1971 erteilte der Beklagte für seinen Hotelbau in K der klagenden Partei, einer Offenen Handelsgesellschaft, den Auftrag zur Anfertigung von zwei Eingangstüren, eines Bogenfensters und zweier Blindstöcke; die klagende Partei lieferte das Fenster Ende Mai oder Anfang Juni 1977 und die beiden Türen etwa Mitte Juni 1977 aus. Nach der Lieferung des Bogenfensters bestellte der Beklagte bei der klagenden Partei auch noch zwei Drehkippfenster und acht Türblindstöcke. Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Bezahlung von 34 928 S samt Anhang, wogegen der Beklagte insbesondere einwendete, daß die beiden Türen nicht plangemäß und auch mangelhaft hergestellt worden seien; auch das Glas des Bogenfensters entspreche nicht den Erfordernissen, da es mit dem Glas einer daneben befindlichen Glastüre nicht harmoniere. Die hintere Eingangstüre klemme zudem; die vordere wiederum weise einen offenen Spalt von 1 cm auf, durch den Luft hindurchstreichen könne. Der Beklagte verlangte Verbesserung der Mängel und erhob die Einrede des nicht erfüllten Vertrages.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von 31 081.20 S samt 5% Zinsen seit 16. Jänner 1978 und 18% Umsatzsteuer aus den Zinsen, wies das Mehrbegehren - dieses rechtskräftig - ab und stellte im wesentlichen fest: Die beiden von der klagenden Partei gelieferten Türen hätten in ihrer Art und Ausführung der abweichend von zuvor hergestellten Plänen vorgenommenen Bestellungen durch den Beklagten entsprochen. Auch die Verglasung des Bogenfensters widerspreche nicht der Bestellung. Der freie Spalt in der Eingangstür sei nicht als Mangel zu werten, sondern entspreche ihrer Funktion als Windfang- und Pendeltür. Der Mangel, daß die hintere Eingangstür klemme, sei durch das Setzen des Türblattes entstanden und könne behoben werden. Der Aufwand zur Behebung der festgestellten Mängel betrage 1 500 S. Rechtlich legte das Erstgericht dar, der Besteller, der das unvollständige Werk angenommen habe und dessen Verbesserung verlange, sei zwar berechtigt, die ganze Gegenleistung bis zur gehörigen Erfüllung zu verweigern, dies aber nur dann, wenn der Besteller die ihm vom Unternehmer angebotene unvollständige oder mangelhafte Leistung entweder abgelehnt und nur als unvollständige Erfüllung angenommen und die Verbesserung begehrt habe. Die Frage, ob die Forderung des Unternehmers auf Bezahlung des Werklohnes gemäß § 1170 ABGB fällig geworden sei und dem Besteller ein Leistungsverweigerungsrecht zustehe, könne nicht für die Dauer der Gewährleistungsfrist in Schwebe bleiben und davon abhängig sein, ob der Besteller nach der Ablieferung des Werkes innerhalb der Gewährleistungsfrist Mängel behaupte und deren Verbesserung begehre. Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Mängel erst in der Klagebeantwortung zu behaupten, so daß der Anspruch der klagenden Partei fällig, wenn auch der Höhe nach nicht zur Gänze berechtigt sei.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, hob jedoch dessen Urteil im dem Klagebegehren stattgebenden Teil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Klemmen eines Türblattes hindere den ordnungsgemäßen Gebrauch der hinteren Eingangstür und stelle einen von der klagenden Partei zu vertretenden Mangel dar. Auch der Besteller, der die unvollständige Erfüllung eines Werkes angenommen, seine Gegenleistung aber noch nicht erbracht, sondern Verbesserung des Werkes verlangt habe, könne bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes die gesamte Gegenleistung verweigern. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages stehe auch bei Vorliegen geringer Mängel zu und finde ihre Grenze nur darin, daß dieses Recht nicht zur Schikane ausarten dürfe. Es sei im vorliegenden Fall aber nicht von der Hand zu weisen, daß mit Rücksicht auf die zur Behebung in Betracht kommenden Vorkehrungen und den damit verbundenen möglicherweise völlig unbedeutenden Aufwand (z. B. etwa Einlegen eines Ringes in die Türangel oder leichtes Abhobeln des Türblattes) ein ganz unerheblicher Mangel vorliege, in welchem Falle die Verweigerung der gesamten Gegenleistung als rechtsmißbräuchlich angesehen werden müßte. Es bedürfe noch ergänzender Feststellungen in der aufgezeigten Richtung, zumal erkennbar die Feststellung des Erstgerichtes, der Aufwand zur Behebung der"festgestellten Mängel" betrage 1 500 S, nicht nur auf den letztlich festgestellten einzigen Mangel bezogen gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Entgelt aus einem Werkvertrag ist in der Regel erst nach vollendetem Werk zu entrichten (§ 1170 ABGB); der Unternehmer hat die Herstellung des Werkes in der Regel also als Vorleistung zu bewirken; darüber hinaus wird durch diese Regelung auch der Zeitpunkt der Fälligkeit des Entgeltes bestimmt (SZ 48/108; JBl. 1970, 371; SZ 23/26 u. a.; Adler - Höller in Klang[2] V, 417). Es ist jedoch, wie das Berufungsgericht richtig darlegte, herrschende Rechtsprechung, daß auch der Besteller, der die unvollständige Erfüllung eines Werkes angenommen, seine Gegenleistung aber noch nicht erbracht, sondern die Verbesserung des Werkes verlangt hat, auch dann noch die gesamte Gegenleistung (das Entgelt) bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages durch den Unternehmer, somit bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes, verweigern darf. Dieses Vorgehen soll dem Besteller die Erlangung eines einwandfreien Werkes sichern und ist ein geeignetes Mittel, den Vertragspartner zu einer umgehenden Verbesserung und Vollendung des Werkes zu bestimmen und den Besteller der undankbaren Aufgabe zu entheben, auf Erbringung der Verbesserung klagen oder selbst die Beseitigung der vorhandenen Mängel durch einen anderen Unternehmer erreichen zu müssen. Das Recht auf Leistungsverweigerung durch den Besteller steht grundsätzlich auch bei Vorliegen geringer Mängel zu und findet seine Grenze nur in dem im § 1295 Abs. 2 ABGB normierten, nicht nur für den Bereich des Schadenersatzrechtes geltenden Grundsatz, daß die Ausübung eines Rechtes nicht zur Schikane ausarten darf (SZ 48/108; in diesem Sinne auch JBl. 1976, 537,; JBl. 1970, 371; HS 6482; SZ 39/27 u. v. a.; Ehrenzweig[2] II/1, 215). Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Beklagte seine Gegenleistung für das von der klagenden Partei hergestellte Werk, solange sie nicht erbracht war, während der gesamten Gewährleistungsfrist zurückbehalten durfte, bis die klagende Partei eine berechtigterweise geforderte Verbesserung durchgeführt hat, ist demnach beizupflichten. Da das Leistungsverweigerungsrecht so lange besteht, als das Werk nicht vertragsgemäß hergestellt ist, kann es auch noch einredeweise im Prozeß geltend gemacht werden. Eine Ausnahme müßte nur bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft gelten, da bei einem solchen auch ein später erkannter Mangel unverzüglich nach der Entdeckung gerügt werden muß (§ 377 Abs. 3 HGB; SZ 46/127 u. a.). Eine Einwendung in dieser Richtung, die erforderlich gewesen wäre, da es sich bei der Bestimmung des § 377 HGB um nachgiebiges Recht handelt (JBl. 1979, 34; EvBl. 1957/43), wurde jedoch nicht erhoben. Grundsätzlich ist es, wie der Rekurs des Beklagten hervorhebt, richtig, daß der Geschädigte die Schädigungsabsicht des Schädigers nachzuweisen hat (SZ 44/86 u. a.; Wolff in Klang[2] VI, 44), so daß auch die Frage schikanöser Rechtsausübung, welche nur angenommen wird, wenn jedes andere Interesse als das, dem anderen Schaden zuzufügen, fehlt (EvBl. 1977/172; SZ 44/86 u. v. a.), nicht von Amts wegen aufzugreifen, sondern nur über entsprechende Einwendung zu beachten ist (SZ 28/133 sowie zahlreiche nichtveröffentlichte Entscheidungen wie 1 Ob 762/78, 1 Ob 43/75, 2 Ob 310/74). Das entspricht der Rechtsauffassung, wonach auch ein sittenwidriger Vertrag - und Schikane ist nichts anderes als ein Verhalten gegen die guten Sitten (§ 1295 Abs. 2 ABGB) - grundsätzlich aufrecht bleibt und nur anfechtbar ist (SZ 46/69 u. a.). Die Anfechtung muß jedoch nicht durch förmliche Berufung auf § 879 ABGB geschehen, es genügt die Unterbreitung des erforderlichen sachlichen Substrates unter Hinweis auf den Rechtsmißbrauch (MietSlg. 27 002/9 u. a.); einebesondere Anfechtung ist nicht erforderlich (Koziol - Welser[4] I, 120). Daß das Leistungsverweigerungsrecht nicht wegen ganz unwesentlicher Mängel ausgeübt werden darf, ergibt sich nicht nur aus der sinngemäßen Anwendung des § 1295 Abs. 2 ABGB, sondern vor allem aus der Bestimmung des § 932 Abs. 2 ABGB, wonach eine unerhebliche Minderung des Wertes nicht in Betracht kommt und daher weder eine Entgeltsminderung noch einen Anspruch auf Verbesserung rechtfertigt (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 548). In diesem Fall ist eine Schädigungsabsicht, die der Unternehmer behaupten müßte, nicht erforderlich. Die klagende Partei war dann aber auch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verpflichtet, noch ausdrücklich zu behaupten, die Einwendung des Beklagten sei in Schädigungsabsicht erfolgt. Wird eine Wertminderung festgestellt, die möglicherweise nur unerheblich ist, ist dies vielmehr aus rechtlichen Gründen zu prüfen, wenn der Unternehmer weiterhin die Zahlungspflicht des Bestellers behauptet.
Mit Recht hielt das Berufungsgericht eine Ergänzung des Verfahrens für erforderlich. Die Vorinstanzen nahmen nämlich nur das Klemmen der hinteren Eingangstür als erwiesen an, die durch das Setzen des Türblattes entstanden war und behebbar ist. Soweit der Rekurs des Beklagten noch auf andere angebliche Mängel verweist, die zum Teil nicht einmal in den Einwendungen des Beklagten aufgezählt wurden, weicht er vom festgestellten Sachverhalt ab. Ob es sich aber um einen Mangel handelt, der unter § 932 Abs. 2 ABGB fällt, muß noch festgestellt werden, zumal nicht eindeutig klar ist, welche Mängel der Sachverständige meinte, als er für deren Behebung einen Kostenaufwand von 1 500 S annahm; die entsprechende Feststellung des Erstgerichtes ist aufklärungsbedürftig. Ein Mangel, dessen Behebung einen Aufwand von 1 500 S erfordert, wäre nicht mehr so geringfügig, daß er das Recht zur vorübergehenden Zahlungsverweigerung durch den Beklagten ausschlösse. Zu Unrecht meint aber der Rekurs der klagenden Partei, es stehe bereits fest, der Mangel sei so geringfügig, daß seine Behebung einen minimalen Sach- und Zeitaufwand erfordere, darüber hinaus handle es sich um eine nachträgliche Regulierung bzw. Justierung und nicht um eine Mängelbehebung. Ob diese Behauptungen richtig sind,muß vielmehr erst geklärt werden; die Beantwortung dieser Fragen fällt nicht in den Bereich der dem OGH allein obliegenden rechtlichen Beurteilung. Es ist allerdings erstaunlich, daß die klagende Partei, falls es sich wirklich nur um die Vornahme einer geringfügigen Verbesserung handelte, das beachtliche Kostenrisiko des Prozesses und letztlich auch des nunmehrigen Rekurses auf sich nimmt, statt den vom Sachverständigen längst festgestellten und als verbesserungsfähig bezeichneten Mangel ehestens zu beheben oder beheben zu lassen. Den gesamten offenen Betrag hätte der Beklagte übrigens nicht verweigern dürfen, da zwei getrennte Aufträge des Beklagten an die klagende Partei vorlagen und der festgestellte Mangel nur den ersten Werkvertrag betrifft. Der Besteller, der mit dem Unternehmer mehrere getrennte Werkverträge abschließt, ist nämlich selbst dann, wenn der Unternehmer eine gemeinsame Rechnung legte, nicht berechtigt, wegen eines einzigen Mangels die Gegenleistung aus allen Werkverträgen zu verweigern. Dieser Umstand wird aber vom Rekurs der klagenden Partei nicht berührt, so daß kein Anlaß besteht, von der Möglichkeit, dem Berufungsgericht die Fällung eines Teilurteiles aufzutragen (EvBl. 1971/10), Gebrauch zu machen. Erwähnt sei, daß es im vorliegenden Fall zur Beschleunigung der Erledigung und Vermeidung eines erheblichen Kostenaufwandes am Platze gewesen wäre, die erforderliche geringfügige Verfahrensergänzung im Berufungsverfahren vorzunehmen (§ 496 Abs. 3 ZPO).
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