OGH 2Ob182/73

OGH2Ob182/7320.12.1973

SZ 46/127

Normen

ABGB §1167
HGB §377
HGB §381 Abs2
ABGB §1167
HGB §377
HGB §381 Abs2

 

Spruch:

Es ist unzulässig, später auftretende Mängel in einer bereits erhobenen Rüge unterzubringen. Beweislast des Bestellers für die Berechtigung seiner Mängelrüge. Unverzüglichkeit der Mängelrüge

OGH 20. Dezember 1973, 2 Ob 182/73 (OLG Innsbruck 2 R 137/73; LG Innsbruck 8 Cg 364/71)

Text

Die Klägerin, die sich mit dem Handel von Möbeln und Einrichtungen befaßt, lieferte der Beklagten für das von dieser eröffnete Kaffeehaus die Einrichtung. Die Ausführung der Tischlerarbeiten übertrug die Klägerin dem Tischlermeister Alois M aus E, der die Einrichtung Anfang September 1970 lieferte und montierte. Die Beklagte bezahlte bei Auftragserteilung 24.000 s und am 15. Dezember 1970 weitere 26.000 S.

Die Klägerin behauptete, daß ihre Leistungen an die Beklagte 123878 ausmachten, worauf unter Berücksichtigung einer Zahlung vom 10. März 1972 von 20.000 S letztlich noch der Klagsbetrag von 53878 S samt Anhang offenbleibe. Die Beklagte habe wohl gleich nach Lieferung eine Mängelrüge wegen bestimmter Mängel erhoben, doch seien diese von der Klägerin sofort worden. Die Beklagte habe dann auch die Arbeit in Ordnung befunden.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und bestritt die Höhe der Forderung der Klägerin. Da darüber hinaus die Leistungen der Klägerin schwere Mängel aufwiesen, die von der Beklagten unverzüglich gerügt, bisher jedoch noch nicht behoben worden seien, sei der Klagsbetrag nicht zur Zahlung fällig. Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen und erwiderte, daß die in der Klagebeantwortung angeführten Mängel erstmals am 19. Jänner 1971 vorgebracht worden seien. Diese Mängelrüge sei verspätet, weil beide Teile Kaufleute seien. Überdies sei diese Rüge auch nicht berechtigt.

Beide Untergerichte wiesen das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht statt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte sind von folgenden Feststellungen ausgegangen: Die Lieferung und Montage der Einrichtung erfolgte Anfang September 1970 durch den Tischlermeister M. Die Beklagte fand die Arbeiten mangelhaft, rief die Klägerin an und erhob verschiedene Reklamationen. Hermann S, ein Gesellschafter der Klägerin, und Karl St, ein Angestellter der Klägerin, beide Tischlermeister, begaben sich zur Beklagten, die diesen mündlich verschiedene Reklamationen vortrug. Hermann S sah diese als berechtigt an. Die Klägerin machte daher den Tischlermeister M mit ihrem Schreiben vom 14. September 1970 auf eine Reihe von Mängeln aufmerksam und ersuchte ihn um deren Behebung. Sie wies gleichzeitig darauf hin, daß der Beklagten für die Fertigstellung des Gastlokales ein Termin bis 21. September 1970 hatte gegeben werden müssen. Alois M kam Ende September 1970 und arbeitete an der Behebung von Mängeln. Im Oktober 1970 erschien er neuerdings, arbeitete während einer Nacht und noch am nächsten Tag im Kaffeehaus der Beklagten, schickte diese dann in die Stadt, um Kleiderhaken zu holen, und war, als die Beklagte damit zurückkam, weggefahren. Die Beklagte rief in der Folge mehrmals bei der Klägerin an, konnte aber Hermann S nicht erreichen, sondern nur eine Angestellte, die sie bat, zu veranlassen, daß jemand von der Firma komme, um sich die Mängel anzusehen. Sie fügte auch bei, daß M weggefahren sei, ohne die Mängel zur Gänze zu beheben. Dieses Ersuchen war jedoch erfolglos. Die Beklagte holte sich in der Folge ein Privatgutachten von Innenarchitekt Ernst W ein. Dieser stellte fest, daß die eingebauten Tischlerarbeiten wesentliche fachliche Mängel aufwiesen, und zwar Konstruktions-, Ausführungs- und Materialmängel.

Mit dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 19. Jänner 1971 wurde der Klägerin, gestützt auf dieses Gutachten, mitgeteilt, daß die eingebauten Tischlerarbeiten wesentliche fachliche Mängel aufwiesen. Diese Mängel wurden im einzelnen angeführt und erklärt, daß infolge nicht ordnungsgemäßer Herstellung der Werklohn somit nicht fällig sei. Auf dieses Schreiben unternahm die Klägerin nichts; sie betrachtete die Angelegenheit als abgeschlossen und erblickte in den Reklamationen der Beklagten lediglich ein Motiv für die Zahlungsverzögerung.

Die von der Klägerin gelieferte Einrichtung weist nachstehende Mängel auf:

a) die Decke im Hinterzimmer ist mangelhaft; b) die Blende im Stüberl hängt herunter; c) die Türen des Einbauschrankes haben sich wegen nicht fachgemäßer Ausführung verzogen; d) die Zeitungsablage ist nicht fachgemäß ausgeführt und kaum verwendbar, da sämtliche Verbindungsstellen nicht mehr fest sind; e) die Wandverkleidung im Nebenraum weist verschiedene Farbtöne auf; f) die Bardecke hat geringfügige Mängel durch mangelnde Beizung der abgefaßten Ränder der dünnen Sperrholzplatten; g) die oberen Ecken der Vertikalhölzer des Glasregals wurden durch Winkelbrettchen-Einfügungen pfuschartig ausgefüllt, weil sie falsch ausgeschnitten waren; h) die Garderobe ist nicht verleimt, nicht an der Decke befestigt; i) die Abdeckbretter bei den Heizkörpern wiesen Überstände und Überzähne auf und wurden zum Teil zu kurz eingepaßt und mit kleinen, zirka 0.5 cm breiten Holzstücken ausgeflickt; j) die Verblendungen und Rückwände sind bei Bar sowie Bank bei Bar nur sichtbar genagelt, die Rückwand bei der Bank an der Bar ist seitlich lose und aus zu dünnem Material, alle Leisten sind nur unverdeckt genagelt und nicht verleimt, Kantenreinheit ist nirgends vorhanden; k) die Bankverschraubungen zerstören zum Teil die Rückenpolster; l) zwei Doppelbänke sind bei gewöhnlichem Gebrauch im Winter 1971/72 zusammengebrochen und auf Kosten der Klägerin repariert worden; m) die Zierbalken sind mangelhaft ausgeführt.

Unter Berücksichtigung erfolgter Mehr- und Minderleisturigen hätte die Beklagte noch einen Betrag von 45.513 S, bei Einbeziehung der Lieferung einer Lichtblende und eines Raumteilers von 50.213 S zu bezahlen.

Die Kosten der Behebung der Mängel durch die Klägerin würden sich auf 16.850 S belaufen, sollte sie nicht durch die Klägerin erfolgen wäre ein Zuschlag von 20% gerechtfertigt, so daß sich die Kosten der Mängelbehebung auf 20.220 S erhöhten.

Die gesamte Einrichtung wurde auf Grund von Plänen erstellt, die für die Geschäftslokale der Beklagten entworfen worden waren.

Die Beklagte erklärte dem Tischlermeister Alois M aus Anlaß der Behebung der Mängel nicht, daß nun die Tischlerarbeit in Ordnung gehe.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß zwar die Streitteile Kaufleute nach § 1 HGB seien, daß aber der gegenständliche Werkvertrag nicht nach §§ 377, 381 Abs. 2 HGB zu beurteilen sei, weil es sich bei der von der Klägerin gelieferten Einrichtung nicht um bewegliche Sachen, sondern um unbewegliche, nämlich um Zubehör zu einer Liegenschaft, handle. Es seien daher die gewöhnlichen Regeln über die Gewährleistung bei Werkverträgen anzuwenden. Demnach sei im Hinblick darauf, daß M noch Ende September/Anfang Oktober 1970 als Beauftragter der Klägerin an dem Werk gearbeitet habe, die Mängelrüge vom 19. Jänner 1971 jedenfalls noch rechtzeitig erhoben. Die sofort gerügten Mängel seien überdies nicht hinreichend behoben worden, weil es sonst unmöglich gewesen wäre, daß vom Sachverständigen noch Mängel festgestellt werden konnten. Da die Klägerin auf die Beanstandung der Beklagten vom 19. Jänner 1971 nichts unternommen habe, sei der Werklohn noch nicht fällig.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, entscheidend sei, ob der Auftrag überwiegend die Lieferung nicht vertretbarer beweglicher oder unbeweglicher Sachen zum Gegenstand hatte; dabei komme es nicht auf den Wert der einzelnen Leistungen an, sondern auf die Anzahl der gelieferten Gegenstände und auf das Gesamtbild des Vertrages. Im vorliegenden Fall komme daher für den gesamten Werkvertrag § 381 Abs. 2 HGB zur Anwendung und damit die Verpflichtung der Beklagten zur unverzüglichen Rüge von Mängeln im Sinne des § 377 HGB. Dieser Rügepflicht sei die Beklagte nachgekommen, indem sie sofort nach Beendigung der Arbeiten durch den von der Klägerin beigezogenen Tischlermeister M diese in verschiedenen vom Erstgericht nicht näher festgestellten Teilen als mangelhaft beanstandete. Die Klägerin sicherte daraufhin auch die Behebung der von der Beklagten aufgezeigten und sogar noch weiterer von ihr festgestellter Mängel zu. Sie erkannte damit die Berechtigung sowie die Konkretisierung der Mängel durch die Beklagte an. Dadurch erhielt sich die Beklagte alle Rechte, die ihr aus der mangelhaften Lieferung zustehen. Dazu zahle das aus § 1167 ABGB erfließende Recht auf Verbesserung, aber auch auf Zurückhaltung ihrer Gegenleistung bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes. Durch die Zusage der Verbesserung seitens der Klägerin sei der Lauf der Gewährleistungsfrist unterbrochen worden und habe erst wieder mit der Vollendung der Verbesserung neu zu laufen begonnen. Mit dem Zeitpunkt der Vollendung der Verbesserung, die einer neuerlichen Ablieferung der Ware im Sinne des § 377 HGB gleichzusetzen sei, trete auch wieder neuerlich die Verpflichtung der Beklagten ein, die Ware unverzüglich zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeige, dem Verkäufer davon unverzüglich Anzeige zu machen. Verbesserungsarbeiten seien noch im Oktober 1970 durch M durchgeführt worden. Streitig und auch entscheidend sei aber, ob die gerügten und die allenfalls darüber hinaus von der Klägerin selbst erkannten Mängel tatsächlich behoben wurden. Denn nur dann, wenn die zugesagte Verbesserung im Sinne einer Behebung des Mangels beendet worden wäre, hätte eine neuerliche Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge Platz gegriffen und wäre die Gewährleistungsfrist neu in Gang gesetzt worden. Die Beklagte habe aber wegen unvollständiger Mängelbehebung im Oktober 1970 bei der Klägerin angerufen und auf diesen Umstand hingewiesen. Die Beklagte habe nun einige Zeit auf die Reaktion der Klägerin warten können und sei erst dann neuerdings verpflichtet gewesen, eine Mängelrüge zu erheben, als sie aus der Untätigkeit der Klägerin habe erkennen können, daß diese ihrerseits die gerügten Mängel als behoben ansehe. Die sodann von der Beklagten am 19. Jänner 1971 erhobene Mängelrüge müsse auch noch als rechtzeitig im Sinne des § 377 HGB bezeichnet werden; die Klägerin habe es unterlassen, diese Mängelrüge als verspätet zurückzuweisen.

Die Revisionswerberin bekämpft die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Beklagte ihrer Rügepflicht nachgekommen sei, indem sie sofort nach Beendigung der Arbeiten durch M diese in verschiedenen, vom Erstgericht nicht näher festgestellten Teilen als mangelhaft beanstandete, denn eine solche Anzeige müßte zumindest die allgemeine Angabe enthalten, worin die Mangelhaftigkeit der Ware bestehe. Durch die Zusage der Verbesserung werde der Lauf der Gewährleistungspflicht nur für jene Mängel unterbrochen, deren Verbesserung zugesagt wurde. Die neue Gewährleistungsfrist beginne nicht nur mit der Vollendung der Verbesserung, sondern schon mit dem Zeitpunkt des erfolglosen Versuches der Verbesserung neu zu laufen, also mit Oktober 1970. Es sei daher nicht entscheidend, ob die Mängel durch M zur Gänze behoben worden seien, da nach Beendigung der Arbeiten für die Beklagte die Verpflichtung bestanden hätte, unverzüglich eine neue Rüge anzubringen. Die Mängelrüge vom 19. Jänner 1971 sei daher auf jeden Fall verspätet gewesen, zumal der Beklagten keinesfalls die Zuziehung eines Sachverständigen zugebilligt werden könne, da die geltend gemachten Mangel von jedermann ohne besondere Sachkenntnis erkennbar seien. Das Berufungsgericht habe nicht bedacht, daß die Klägerin auf die Mängelrüge vom 19. Jänner 1971 nicht geschwiegen habe, sondern diese mit Schreiben vom 27. Jänner 1971 ihrem gesamten Inhalt nach zurückgewiesen habe.

Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, fehlen Feststellungen darüber, ob tatsächlich durch die Verbesserungsarbeiten des Alois M an der von der Klägerin in Erfüllung des Werklieferungsvertrages (§ 381 Abs. 2 HGB, vgl. JW 1906, 333, Nr. 9) gelieferten Ladeneinrichtung im Oktober 1970 alle von der Verbesserungszusage der Klägerin erfaßten Mängel behoben wurden oder nicht. Den Beweis dafür, daß die neuerliche telephonische Mängelrüge der Beklagten berechtigt war, hätte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes die Beklagte zu erbringen, da sie ja die Einrede der mangelnden Fälligkeit des Klagsbetrages wegen Nichtbehebung ordnungsgemäß gerügter Mängel erhoben hat, also Recht aus einer angeblichen Mangelhaftigkeit ableitet (vgl. Brüggemann, HGB, GroßKomm.[3], Anm. 126, zu § 377 HGB). Daß jetzt noch Mängel vorhanden sind, beweist nicht - wie das Erstgericht meinte - die Berechtigung der damaligen Mängelrüge der Beklagten, denn es wäre urizulässig, später auftretende Mängel in der bereits erhobenen Rüge unterzubringen, also "nachzuschieben" (vgl. Baumbach, HGB[20], Anm. 6 C, zu §§ 377, 378 HGB). Zeigen sich später Mängel, so muß die Anzeige nach § 377 Abs. 3 HGB unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden. Dennoch reichen die getroffenen Feststellungen zur Beurteilung der Streitsache aus. Selbst wenn nämlich - und das wäre der für die Klägerin günstigste Fall - sich herausstellen würde, daß die Behebung der seinerzeit gerügten Mängel durch M vollständig und daher die telephonische neuerliche Rüge der Beklagten unberechtigt war, würde sich daraus nur ergeben, daß die nunmehr festgestellten Mängel eben solche sind, die seit Oktober 1970 während des Gebrauches der Möbelstücke aufgetreten sind und mit Schreiben vom 19. Jänner 1971 gerügt wurden. Dafür spricht ja, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Art einzelner dieser Mängel. Nun mußte man der Beklagten angesichts der Vorgeschichte jedenfalls zubilligen, eine grundliche Untersuchung der gesamten gelieferten Einrichtung durch einen Sachverständigen vorzunehmen, um alle Mängel aufzeigen zu können. Dabei ergibt sich, daß jedenfalls durch die schriftliche Mängelrüge vom 19. Jänner 1971 der gesetzlichen Vorschrift nach unverzüglicher Anzeige sich später zeigender Mängel (§ 377 Abs. 3 HGB) genügt wurde (vgl. SZ 27/117).

Im Ergebnis haben daher die Untergerichte mit Recht das Klagebegehren mangels Fälligkeit (§ 1167 ABGB, HS 5372, 5438) abgewiesen.

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